Forscher
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Prof. Dr. Andrea Büttner
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Wechselwirkung zwischen Lebensmitteln und Gehirnfunktion
Wechselwirkung zwischen Lebensmitteln und GehirnfunktionLust auf mehrDie Wechselwirkungen zwischen Nahrung und Gehirnfunktion sind vielfältig. Zum einen können Lebensmittelbestandteile die Gehirnaktivität und -funktionalität beeinflussen. Individuelle physiologische und pathologische Unterschiede in der Gehirnfunktion beeinflussen jedoch auch Auswahl und Menge unserer Nahrung. Schließlich können einzelne Lebensmittel bestimmte Gehirnareale aktivieren oder deaktivieren, was bspw. zu einer verstärkten Aufnahme dieser Lebensmittel führen kann. Im Emerging-Field-Projekt „Neurotrition“ der Universität Erlangen-Nürnberg werden diese Wechselwirkungen in einem interdisziplinären Forschungsverbund untersucht. Lebensmittel wirken auf Gehirnaktivität und -funktion Jeder Kaffeetrinker weiß aus eigener Erfahrung, dass Lebensmittel Gehirnaktivität und -funktionen beeinflussen können. Seit Langem ist bekannt, dass das im Kaffee enthaltene Koffein im Gehirn an die Adenosinrezeptoren bindet und dadurch das Schlafbedürfnis verringert und die Konzentrationsfähigkeit, aber auch die körperliche Ausdauer erhöht. Die durch koffeinhaltige Lebensmittel wie Kaffee, Tee oder Energydrinks aufgenommenen Mengen reichen aus, klinisch nachweisbare Effekte hervorzurufen [1]. Auch andere Lebensmittel können die Gehirnaktivität beeinflussen. So konnte im Rahmen des Forschungsverbunds „Neurotrition“ u.a. gezeigt werden, dass Terpenoide aus Teeextrakten den GABAA-Rezeptor modulieren. GABAA-Rezeptoren kommen in zahlreichen Hirnarealen vor. Als besonders aktiv erwies sich hierbei Sideritisextrakt, der in Mittelmeerregionen als „Bergtee“ konsumiert wird. Binden darin enthaltene Terpenoide wie z.B. -Caryophyllen an den GABAA-Rezeptor, wird die Wirkung des natürlichen Liganden GABA am Rezeptor verstärkt (Abb.1). Dies führt zu einem vermehrten Einstrom von Chloridionen in das Neuron und in der Folge zu einer erhöhten Dämpfung des Signals des erregten Neurons. Die pharmakologische Modulation des GABAA-Rezeptors ist assoziiert mit sedierenden, angstlösenden und muskelrelaxierenden Wirkungen [2]. Weitere Studien müssen nun zeigen, ob auch andere Extrakte und Inhaltsstoffe ähnliche Aktivität besitzen und ob die im Labor beobachteten Effekte auf den Menschen übertragbar sind.
Abb.1 Sideritisextrakte, die in Mittelmeerregionen als „Bergtee“ konsumiert werden, verstärken die Wirkung des natürlichen Liganden GABA am GABAA-Rezeptor. ß-Caryophyllen stellt dabei einen wirksamen Inhaltsstoff dar. Die pharmakologische Modulation des GABAA-Rezeptors ist assoziiert mit sedierenden, angstlösenden und muskelrelaxierenden Wirkungen.
Hedonische Hyperphagie – die magische Anziehungskraft der Chipstüte Viele Konsumenten beobachten an sich selbst, dass manche Lebensmittel die Kontrolle der Nahrungsaufnahme zeitweise außer Kraft setzen können. Bei Energiemangel sendet unser Körper Signale wie z.B. das Darmhormon Ghrelin von der Peripherie an das Gehirn. Dort werden Sättigungsschaltkreise inaktiviert und damit die Nahrungssuche und -aufnahme ausgelöst. Der Konsum von Lebensmitteln aktiviert unter diesen Bedingungen Belohnungsschaltkreise im Gehirn. Dies erzeugt ein Gefühl des „Wollens“ (engl. wanting), das die Nahrungsaufnahme verstärkt (Abb.2a). Im hungrigen Zustand empfinden wir über diese Mechanismen starkes Verlangen weiterzuessen. Im Laufe der Mahlzeit werden vom Körper dann Signale an das Gehirn übermittelt, die eine Erhöhung des Energiestatus anzeigen, z.B. über die Freisetzung von Insulin. Dadurch werden Sättigungsschaltkreise im Gehirn aktiviert, die Nahrungsaufnahme wird unterdrückt und die Aktivierung der Belohnungsschaltkreise durch das Essen zurückgedrängt (Abb.2b). Sind wir satt, bereitet das Essen keine Befriedigung mehr und die Mahlzeit wird beendet [3]. Diese komplexen Regulationsmechanismen gewährleisten, dass sich Energieaufnahme und -verbrauch einigermaßen die Waage halten. Allerdings erleben viele Konsumenten, dass bestimmte Lebensmittel diese Regulationsmechanismen aus dem Gleichgewicht bringen. So können wir Knabberartikel wie Kartoffelchips oder Süßigkeiten wie Schokolade auch kurz nach einer vollwertigen Mahlzeit in beträchtlichem Umfang zu uns nehmen. Besonders bemerkenswert ist dabei der oft empfundene Kontrollverlust: Man kann erst aufhören zu essen, wenn die Chipstüte leer oder die Tafel Schokolade verspeist ist. Dieses Phänomen wird auch als „hedonische Hyperphagie“ bezeichnet und trägt zum Teil erheblich zur Ausbildung von Übergewicht bei. Im Rahmen des Verbundprojektes Neurotrition wird nun untersucht, über welche Mechanismen Lebensmittel die Regulation der Nahrungsaufnahme außer Kraft setzen und welche Lebensmittelinhaltsstoffe für diese Effekte verantwortlich sind.
Abb. 2 Bei Energiemangel sendet unser Körper Signale wie z.B. das Darmhormon Ghrelin von der Peripherie an das Gehirn (2a). Dort werden Sättigungsschaltkreise inaktiviert und damit die Nahrungssuche und -aufnahme ausgelöst. Der Konsum von Lebensmitteln aktiviert unter diesen Bedingungen Belohnungsschaltkreise im Gehirn, wodurch die Nahrungsaufnahme verstärkt wird. Der gesättigte Zustand wird ebenfalls über nervöse und hormonelle Signale, z.B. Insulin, dem Gehirn gemeldet (2b). Dadurch werden Sättigungsschaltkreise im Gehirn aktiviert, die Nahrungsaufnahme wird unterdrückt und die Aktivierung der Belohnungsschalt- kreise durch das Essen zurückgedrängt. Bestimmte Lebensmittel wie Kartoffelchips können vermutlich diese Regulationsmechanismen außer Kraft setzen (2c). Bei Ratten führt die Aufnahme von Kartoffelchips zu einer Inaktivierung der Sättigungs- und zu einer Aktivierung der Belohnungsschaltkreise. Dies kann unabhängig vom Energiestatus zu einer oft schwer kontrollierbaren Aufnahme führen.
MEMRI – die Gedanken sichtbar machen Bis vor Kurzem war es noch nicht möglich, während des Essens auftretende Vorgänge im Gehirn durch bildgebende Verfahren sichtbar zu machen. Für die Untersuchung von Gehirnaktivitätsmustern eignet sich vor allem die funktionelle Magnetresonanz-Bildgebung (engl. functional magnetic resonance imaging, fMRI). Allerdings erfolgen Messungen an Versuchsstieren unter Narkose, was die Anwendung von fMRI während der Futteraufnahme ausschließt. Im Rahmen einer Studie konnten wir nun mit einer neu entwickelten MRI-Methode erstmals die Gehirnaktivität von Ratten während der Futteraufnahme untersuchen. Bei der so genannten manganverstärkten MRI (engl. manganese-enhanced MRI, MEMRI) wird vor dem Versuch Mangan appliziert. Dieses reichert sich während des Versuchs in aktiven Gehirnregionen an und dient in den folgenden MRI-Messungen als Kontrastmittel. Bisher schränkte die Toxizität des Mangans jedoch den Einsatz ein, da es gravierende Verhaltensänderungen bei den Versuchstieren hervorrief. Durch eine veränderte Applikationstechnik war es Eschenko und Mitarbeitern kürzlich gelungen, über einen Zeitraum von mehreren Tagen die Gehirnaktivität durch MEMRI ohne Auswirkung auf das Verhalten zu verfolgen [4]. Diese modifizierte MEMRI-Methode ermöglichte uns zu untersuchen, welche Prozesse verschiedene Testfutter während der Futteraufnahme über einen Zeitraum von bis zu sieben Tagen im Gehirn von Ratten auslösen.
Die Modulation des Gehirnaktivitätsmusters durch Kartoffelchips
Abb.3 Die manganverstärkten Magnetresonanz-Bildgebung (manganese-enhanced magnetic resonance imaging, MEMRI) zeigt, dass der Verzehr von Kartoffelchips das Gehirnaktivitätsmuster bei Ratten deutlich verändert. Zum Beispiel erfolgt eine starke Aktivierung des Nucleus accumbens (AcbSh L, AcbSh R, AcbC L, AcbC R), der eine Schlüsselstruktur der Belohnungsschaltkreise darstellt.
Was macht Kartoffelchips so besonders? Obwohl Nahrungspräferenzen sehr hohen individuellen Schwankungen unterliegen, rufen doch meist immer die gleichen Lebensmittel eine hedonische Hyperphagie hervor – unabhängig von persönlichen Vorlieben. Meist werden von den Konsumenten in diesem Zusammenhang Knabberartikel wie Chips oder Schokolade genannt. In der Fachliteratur wird vor allem der hohe Kaloriengehalt als Auslöser diskutiert. Allerdings wissen wir aus eigener Erfahrung, dass Lebensmittel mit maximalem Kaloriengehalt wie z.B. reines Öl oder Butter nicht die höchste Attraktivität besitzen. Die Zusammenhänge müssen deshalb komplexer sein. Aus diesem Grund haben wir im Rahmen des Verbundprojektes „Neutrotrition“ ein Testsystem entwickelt, in dem molekulare Bestandteile von Lebensmitteln, die eine verstärkte Nahrungsaufnahme induzieren, systematisch untersucht werden können [5]. Ad libitum gefütterten Ratten mit ständigem Zugang zu Standardfutter wurden in einem für die Fragestellung adaptierten Präferenztest in einer Snacksituation jeweils zwei Futtersorten angeboten. Durch geschickte Auswahl der Testfutter kann anhand der Futteraufnahme und Bewegungsaktivität beurteilt werden, welche Bestandteile der Kartoffelchips besonders attraktiv sind. Dabei zeigte sich, dass nicht unbedingt der Kaloriengehalt, sondern vor allem die Kombination von Fett und Kohlenhydraten –zumindest bei Ratten- eine wichtige Determinante der Futteraufnahme darstellt. Aber auch andere Parameter, die noch aufgeklärt werden müssen, scheinen eine wichtige Rolle zu spielen. Ausblick Die Wechselwirkungen zwischen Lebensmitteln und Gehirnfunktion sind vielfältig und stehen nicht nur im engen Zusammenhang mit Übergewicht, sondern auch mit Krankheiten wie Alzheimer Demenz oder Depressionen. Im Rahmen des Verbundprojekts „Neurotrition“ werden diese Zusammenhänge in verschiedenen Bereichen und auf verschiedenen Ebenen von der Erforschung der molekularen Wechselwirkung bis hin zu klinischen Studien beleuchtet. Am Ende müssen gerade Untersuchungen am Menschen zeigen, ob die im Labor gefundenen Zusammenhänge tatsächlich unser Verhalten und die Entwicklung von Krankheiten beeinflussen können. Das Projekt „Neurotrition“ wird von der Emerging-Field-Initiative der FAU unterstützt. Literatur
[1] Sicard, B. (2003) Spektrum der Wissenschaft, 65–71
Bild: © istockphoto.com|CathyKeifer |
L&M 6 / 2014Das komplette Heft zum kostenlosen Download finden Sie hier: zum Download Die Autoren:Weitere Artikel online lesenNewsSchnell und einfach die passende Trennsäule findenMit dem HPLC-Säulenkonfigurator unter www.analytics-shop.com können Sie stets die passende Säule für jedes Trennproblem finden. Dank innovativer Filtermöglichkeiten können Sie in Sekundenschnelle nach gewünschtem Durchmesser, Länge, Porengröße, Säulenbezeichnung u.v.m. selektieren. So erhalten Sie aus über 70.000 verschiedenen HPLC-Säulen das passende Ergebnis für Ihre Anwendung und können zwischen allen gängigen Herstellern wie Agilent, Waters, ThermoScientific, Merck, Sigma-Aldrich, Chiral, Macherey-Nagel u.v.a. wählen. Ergänzend stehen Ihnen die HPLC-Experten von Altmann Analytik beratend zur Seite – testen Sie jetzt den kostenlosen HPLC-Säulenkonfigurator!© Text und Bild: Altmann Analytik ZEISS stellt neue Stereomikroskope vorAufnahme, Dokumentation und Teilen von Ergebnissen mit ZEISS Stemi 305 und ZEISS Stemi 508ZEISS stellt zwei neue kompakte Greenough-Stereomikroskope für Ausbildung, Laborroutine und industrielle Inspektion vor: ZEISS Stemi 305 und ZEISS Stemi 508. Anwender sehen ihre Proben farbig, dreidimensional, kontrastreich sowie frei von Verzerrungen oder Farbsäumen. © Text und Bild: Carl Zeiss Microscopy GmbH |