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Einfluss von Spurenelementen und toxischen Metallionen auf die Stabilität des Genoms

Essenziell und dennoch toxisch?

Metallionen spielen eine wichtige Rolle in fast allen biochemischen Prozessen, so auch bei der Aufrechterhaltung der Stabilität des Genoms. Gleichzeitig sind aber auch toxische Wirkungen bekannt. Welche Strategien besitzen Lebewesen, essenzielle Funktionen aufrechtzuerhalten und sich vor toxischen Reaktionen zu schützen? Welche Rolle spielt die Wechselwirkung zwischen toxischen und essenziellen Metallionen bei der Krebsentstehung?

Essenzielle Metallionen als Spurenelemente

Spurenelemente haben vielfältige Funktionen in zahlreichen Stoffwechselprozessen und sind wesentlich an der Aufrechterhaltung der genomischen Stabilität beteiligt. Andererseits können bei hohen Konzentrationen, wie sie möglicherweise durch Nahrungsergänzungsmittel erreicht werden, auch toxische Reaktionen nicht ausgeschlossen werden. Die oftmals enge Verknüpfung zwischen essenzieller und toxischer Wirkung wird bei Spurenelementen wie Kupfer und Eisen besonders deutlich. Während die essenzielle biologische Funktion darin besteht, Ein-Elektronen-Übergänge zu katalysieren, kann genau diese Fähigkeit aber auch zu toxischen Reaktionen führen, indem die Generierung reaktiver Sauerstoffspezies katalysiert wird, die in der Folge zelluläre Makromoleküle schädigen können. Somit kann sowohl eine Unterversorgung als auch eine Überversorgung problematisch sein. Insgesamt ist eine genaue Regulation der Metallionenkonzentrationen in Geweben und Zellen nötig, um essenzielle Funktionen zu gewährleisten und toxische Effekte zu verhindern; dies wird bei einer ausgewogenen Ernährung durch eine strikte Kontrolle der Aufnahme und der intrazellulären Speicherung erreicht. Toxische Wirkungen kommen dann zustande, wenn diese homöostatische Kontrolle entweder durch zu hohe Konzentrationen, durch Auf­nahme- oder Speicherdefekte oder durch ­nichtphysiologische Aufnahmewege außer Kraft ­gesetzt wird.

Zink und seine Rolle bei der Aufrechterhaltung der genomischen Stabilität

Zink ist als essenzielles Spurenelement an einer Vielzahl von Stoffwechselprozessen beteiligt. Die Bioverfügbarkeit von Zink wird auf meh­reren Ebenen reguliert; wichtige Faktoren sind die kontrollierte Aufnahme und Abgabe von Zink im Gastrointestinaltrakt sowie unterschiedliche Transportmechanismen, die die intrazel­luläre Verteilung und die Abgabe von Zink an die Gewebe regulieren. Der zelluläre Zinkstatus wird über metallresponsive Elemente gesteuert; das schwefelreiche Protein Metallothionein dient als intrazellulärer Zinkspeicher. Eine wichtige Gruppe zinkabhängiger Proteine weisen sogenannte „Zinkfinger“-Strukturen auf, die als gemeinsames Merkmal Zinkionen an jeweils festgelegte Cystein- und/oder Histidinreste binden, um die Struktur einer kleinen, autonom gefalteten Proteindomäne zu stabilisieren. Zinkfingermotive sind Bestandteile vieler DNA-bindender Proteine, darunter Transkriptionsfaktoren, DNA-Reparatur- und Tumorsuppressorproteine; somit ist Zink wesentlich an der Aufrechterhaltung der genomischen Stabilität beteiligt (Abb.1).


Abb.1 Die Bedeutung von zinkbindenden Strukturen für die Aufrechterhaltung der Stabilität des ­Genoms. Der erste sogenannte „Zinkfinger“ wurde 1985 für den Transkriptionsfaktor IIIH des Afrikanischen Krallenfrosches beschrieben. Heute weiß man, dass mehr als 3% der Gene für zinkbindende Proteine codieren, darunter auch solche, die an der DNA-Reparatur, der Zellzykluskontrolle und der Einleitung der Apoptose beteiligt sind.

Zinkbindende Strukturen als empfindliche Angriffspunkte für toxische Metallverbindungen

Zinkbindende Strukturen weisen aus biochemi­scher Sicht viele Vorteile auf. Durch die Komplexierung über die Thiolgruppen der Cysteine sind sie durch Redox-Prozesse regulierbar, ohne dass Zinkionen selbst redoxaktiv sind. Andererseits haben sich zinkbindende Strukturen auch als besonders empfindliche intrazelluläre Angriffspunkte für toxische Metallionen sowie für redoxaktive Spurenelemente bei gestörter Homöostase erwiesen [1]. Ein Enzym mit drei zink­bindenden Strukturen in der DNA-bindenden Domäne ist die Poly(ADP-Ribose)-Polymerase-1. Sie katalysiert die Poly(ADP-Ribosly)ierung von PARP-1 selbst (Automodifikation) und weiterer Kernproteine; diese Reaktion dient als Signal für die Initiierung von DNA-Reparaturprozessen und ist darüber hinaus in vielfältiger Weise an der Regulation der Zellzykluskontrolle und Apoptose beteiligt. Beeindruckende Beispiele für eine Inhibierung durch toxische (Halb-)­Metallverbindungen sind in diesem Zusammenhang Arsenit und seine dreiwertigen methylierten Metabolite, die bereits in nanomolaren, umweltrelevanten Konzentrationen die Poly(ADP-Ribosyl)ierung inhibieren [2,3,4]; ähnliche Inhibitionen wurden auch für Cadmium und Nickel beobachtet. Molekulare Wirkungsmechanismen sind – je nach Metallion oder Metallspezies – die Substitution von Zinkionen oder die Oxidation der an der Zinkkomplexierung beteiligten Cysteine mit anschließender Zinkfreisetzung; dies geht einher mit Strukturveränderungen und damit dem teilweisen oder vollständigen Verlust der Enzymaktivität (Abb.2). Auch für kupfer­haltige Nanopartikel konnte eine Hemmung der Poly(ADP-Ribosyl)ierung in Zellkulturen gezeigt werden: Während die Aufnahme wasserlöslicher Kupferverbindungen durch eine homöostatische Kontrolle über weite Konzentrationsbereiche reguliert wird, werden die Nanopartikel über Endozytose aufgenommen, gelangen in die ­Lysosomen und lösen sich dort aufgrund des sauren pH-Wertes schnell auf. Redoxaktive Kupferionen gelangen so in hohen Konzentra­tionen in die Zelle und führen dort auch zu einem ausgeprägten Anstieg der Kupferkonzentration im Zellkern [5].


Abb.2 Schematische Darstellung möglicher Interaktionen von toxischen Metallionen oder „freien“ ­redoxaktiven Übergangsmetallionen mit zinkbindenden Strukturen in Transkriptionsfaktoren und DNA-Reparaturproteinen. Ob und welche Interaktion stattfindet, hängt zum einen von den Metallionen bzw. der Metallspezies und zum anderen vom jeweiligen zinkbindenden Protein ab.

Derzeit werden die beobachteten Effekte auf molekularer Ebene im Detail untersucht. Insgesamt erklären die Interferenz der Metallverbindungen mit der zellulären Redox-Regulation und der damit verbundenen Induktion von oxidativem Stress sowie Interaktionen mit DNA-Reparaturprozessen und Tumorsuppressorfunktionen zumindest teilweise das kanzerogene Potenzial von Metallverbindungen [6]. Diese Untersuchungen sind ins­besondere auch für eine Risikobewertung von Metallverbindungen unter realistischen Expo­sitionsbedingungen relevant. Die Ergebnisse fließen direkt in die Arbeit von wissenschaft­lichen Gremien ein, u.a. durch den Vorsitz der Ständigen DFG-Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe (MAK-Kommission), die Mitgliedschaft im Europäischen „Scientific Committee on Occupational Exposure Limits” (SCOEL) sowie die Mitarbeit als Expertin und Referentin für ausgewählte Frage­stellungen bei der „European Food Safety Authority” (EFSA) und dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR).

Literatur
[1] Hartwig, A. (2001) Antioxid Redox Signaling 3, 625–634
[2] Hartwig, A. et al (2003) Int. J. Cancer, 104, 1–6
[3] Walter, I. et al. (2007) DNA Repair 6, 61–70
[4] Bossak, K. et al. (2015) Chem. Res. Toxicol., 2015 Jan 12. [Epub ahead of print]
[5] Semisch, A. et al. (2014) Part Fibre Toxicol. 11(1):10
[6] Hartwig, A. (2013) Free Radical Biology and Medicine 55, 63–72

L&M 6 / 2015

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 6 / 2015.
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