Forscher
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Dr. Doris Gerlach
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Importkontrollen pflanzlicher Lebensmittel am Frankfurter Flughafen
Importkontrollen pflanzlicher Lebensmittel am Frankfurter FlughafenRisiken im BlickDie Globalisierung der Weltwirtschaft ist ein Prozess, der die Lebensbedingungen der Menschen nachhaltig verändert und uns auch hier in Europa täglich in den verschiedensten Lebensbereichen mit seinen Auswirkungen begegnet. Dies betrifft auch den Warentransfer bei Lebensmitteln: Dieser hat mittlerweile einen solchen Umfang angenommen, dass eine lückenlose Kontrolle an den Staatsgrenzen bzw. EU-Außengrenzen nur unter erheblichem Aufwand zu bewerkstelligen wäre.
Der Frankfurter Flughafen ist das Eingangstor nicht nur für Millionen von Passagieren im Jahr, sondern ebenso für Millionen von Frachtsendungen. Vor der Einfuhr in den EU-Binnenmarkt werden diese zahlreichen Eingangskontrollen unterzogen.
Die Auswertung der Warnmeldungen im Europäischen Schnellwarnsystem (RASFF) zeigt, dass seit Jahren in Europa bei Lebensmitteln eher selten auftretende Probleme wie überhöhte Schwermetallgehalte, hygienische Mängel, unzulässige Pharmaka in tierischen Lebensmitteln oder überhöhte Pestizidgehalte in Obst und Gemüse in den hier im Rahmen der Drittlandseinfuhren auf dem Markt gelangenden Lebensmitteln inzwischen wieder verstärkt präsent sind. Seit dem Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 sollen nach Artikel 15 auch pflanzliche Lebensmittel bei der Einfuhr in die Europäische Union systematisch kontrolliert werden. Bezüglich Art und Umfang der Kontrollen wird klar zwischen zwei Risikoklassen differenziert:
Absatz 1 verlangt, dass die zuständige Behörde bei der Einfuhr „regelmäßig amtliche Kontrollen … unter Berücksichtigung potenzieller Risiken …“ durchführt.
Abb.1 Waren im Kühlhaus des Frankfurter Flughafens (PCF) nach dem Entladen aus dem Flugzeug.
Die Tierärztliche Grenzkontrollstelle Hessen (TGSH) Die „zuständige Behörde für die amtlichen Kontrollen bei der Einfuhr“, von welcher in Artikel 15 die Rede ist, ist je nach EU-Mitgliedsland von unterschiedlicher Struktur. Am Frankfurter Flughafen ist es die Tierärztliche Grenzkontrollstelle Hessen (TGSH). Sie entstand 1993 mit der Öffnung des EU-Binnenmarktes aus der Notwendigkeit heraus, die am Frankfurter Flughafen ankommenden lebenden Tiere tierschutz- und tierseuchenrechtlich sowie die tierischen Lebensmittel (Frischfleisch und -fisch) lebensmittelrechtlich zu kontrollieren. Zunächst eine Außenstelle des Veterinäramtes der Stadt Frankfurt, wurde die TGSH mit der landesweiten Bündelung der hessischen Untersuchungseinrichtungen im Jahre 2005 in den Landesbetrieb Hessisches Landeslabor (LHL) integriert und ist heute eine der fünf Fachabteilungen des LHL. Die Vernetzung der Kontrolle der am Frankfurter Flughafen eingeführten pflanzlichen und tierischen Lebensmittel mit der gesamten personellen und analytischen Kapazität des LHL ist ein völlig neuer Ansatz in der amtlichen Lebensmittelüberwachung. An keinem anderen Flughafen sind Kontrollstelle und Laborbetrieb in ein und derselben Behörde vereint. In 2013 wurden über den Flughafen Frankfurt in knapp 13.600 Sendungen über 16.000 Tonnen an Frischobst und -gemüse aus insgesamt 63 Herkunftsländern eingeführt (Abb.1). Hierbei handelte es sich überwiegend um qualitativ hochwertige Ware aus Asien, Mittel- und Südamerika sowie Afrika mit einem hohen Anteil exotischer Sorten. Damit wird neben dem deutschen auch der gesamte EU-Binnenmarkt versorgt. Aufgrund der etwa zehnmal höheren Frachtrate von Aircargo im Vergleich zu Land- oder Seecargo ist diese so genannte Flugware meist verderblicher Natur („perishable“); dagegen wird im Lebensmittelbereich Ware, welche einen ein- bis mehrwöchigen Transport unbeschadet übersteht, in der Regel nicht geflogen, sondern auf dem Land- oder Seeweg eingeführt. Stichprobenkontrolle risikoarmer Lebensmittel auf potentielle Risiken:
Flaschenhalskontrolle
Zur Durchführung der in Artikel 15 Abs. 1 geforderten regelmäßigen amtlichen Kontrollen auf potenzielle Risiken wurde im April 2007 am Frankfurter Flughafen unter dem Projektnamen „Flaschenhalskontrolle“ mit der systematischen Kontrolle der aus Drittländern in die EU eingeführten pflanzlichen Lebensmittel begonnen [1], [2], [3]. Hierzu werden amtliche Proben gemäß den einschlägigen, EU-weit harmonisierten Probenahmevorschriften genommen und in den jeweiligen Fachlaboratorien des LHL untersucht. Der Schwerpunkt der Analysen liegt auf der Untersuchung auf Rückstände von Pflanzenschutzmitteln (PSM). Darüber hinaus wird auch auf Mykotoxine, Schwermetalle, gentechnisch veränderte Organismen, Radionuklide und mikrobiologische Verunreinigungen untersucht. Jährlich werden im Rahmen der Flaschenhalskontrolle mehr als 500 Proben gezogen (Abb.2, Abb.3); dies findet in diesem Ausmaß EU-weit an keinem anderen Flughafen statt. Die Bilanz nach mehr als sechs Jahren Flaschenhalskontrolle mit über 3.500 auf Pestizidrückstände untersuchten Proben zeigt, dass die Kontrollen mehr als gerechtfertigt sind: Bei durchschnittlich rund 19% der Proben wurde eine gesicherte Überschreitung der PSM-Höchstmengen festgestellt – und dies häufig in beachtlichen Ausmaßen [4]. Zum Vergleich: Bei Obst und Gemüse aus Deutschland und der EU liegt dieser Wert unter 1%.
Abb.2 Mitarbeiter der TGSH im PCF bei der Beprobung einer Sendung aus Vietnam.
Abb.3 Probe ägyptischer Granatäpfel im Labor der TGSH.
Verstärkte Kontrolle risikobelasteter Lebensmittel auf bekannte oder neu auftretende Risiken:
Kontrollen nach VO (EG) Nr. 669/2009
Zur Durchführung der in Artikel 15 Abs. 5 geforderten verstärkten amtlichen Kontrollen auf bekannte oder neu auftretenden Risiken hat die EU eine Liste mit Futter- und Lebensmitteln erstellt, die zusammen mit der Nennung des Ursprungslands, des jeweiligen Risikos („Gefahr“) und der Häufigkeit und Art und Weise der Kontrollen einhergeht. Diese Liste findet sich im Anhang I der VO (EG) Nr. 669/2009. Mit dem Inkrafttreten dieser Verordnung am 25.01.2010 sind seitdem bestimmte Warenarten, die sich EU-weit als besonders risikobelastet herausgestellt haben, in Anhang I gelistet. Frischobst, Frischgemüse und Kräuter aus Thailand, der Dominikanischen Republik, Ägypten, Indien, Marokko, Kenia und Vietnam sind seitdem an allen EU-Außengrenzen (Land, See, Wasser) vorführpflichtig und müssen mit vorgegebenen Probenahmefrequenzen von bis zu 50% auf bekannte Risiken – vor allem Pestizide, aber auch Aflatoxine, Schwermetalle und mikrobiologische Parameter – untersucht werden. Die Mitgliedsstaaten müssen die Ergebnisse all dieser Kontrollen zum Quartalsende melden. Auf Basis der Evaluation dieser Daten wird der Anhang I von der Kommission vierteljährlich überabeitet. An der TGSH werden daher zusätzlich zur Flaschenhalskontrolle mehrere tausend Sendungen im Jahr vorführpflichtiger pflanzlicher Warenarten über ein einheitliches, von der EU festgelegtes Dokument – GDE (Gemeinsames Dokument für die Einfuhr) – abgefertigt und in den von der EU festgelegten Quoten für die Untersuchung auf Pestizidrückstände und Salmonellenbelastung beprobt. In 2013 waren dies 742 Proben, welche aus 5.700 Sendungen gezogen wurden. Fazit der risikoorientierten Kontrollen am Frankfurter Flughafen Lebensmittelskandale der letzten Jahre haben uns immer wieder gezeigt, dass in Krisenfällen neben der Erkenntnis des Risikos – das in der Regel die Krise als solche bzw. das Krisenmanagement auslöst – die Herkunft resp. die Verteilung der betroffenen Warenarten die eigentliche Herausforderung in der Bewältigung der Krise darstellt. Daher ist ein Ausbau der Grenzkontrollen sinnvoll und erspart im Nachhinein den Binnenkontrollen viel Arbeit. Dies könnte beispielsweise durch das Verlagern von Untersuchungsschwerpunkten ohne Weiteres erreicht werden. Neue Tätigkeitsgebiete, welche auch schon an der TGSH praktiziert werden, sind beispielsweise: // Zusammenarbeit mit dem Zoll bei verdächtigen Lebensmittelsendungen im Gepäck von Reisenden.
// Gezielte Kontrollen von Postpäckchen, welche über das Internet
Abb.4 Probe aus einer Warensendung Tätowierfarben.
Ein Inspektionsbesuch des EU-Food and Veterinary Office (FVO) Ende Oktober 2008 bescheinigte der TGSH, dass die Proben entsprechend den Probenahmevorschriften entnommen werden und dass in Frankfurt eine „… gut organisierte und risikoorientierte Kontrolle der in die EU eingeführten Waren pflanzlichen Ursprungs …“ durchgeführt wird. Dies bringt uns dem Ziel eines effektiven und effizienten vorbeugenden Verbraucherschutzes, der an den Außengrenzen Europas beginnt, ein gutes Stück näher. Literatur
[1] Gerlach, D. et al. (2009) Deutsche Lebensmittel-Rundschau, 738–743 Bild: © istockphoto.com| halbergman |
L&M 6 / 2014Das komplette Heft zum kostenlosen Download finden Sie hier: zum Download Der Autor:Weitere Artikel online lesenNewsSchnell und einfach die passende Trennsäule findenMit dem HPLC-Säulenkonfigurator unter www.analytics-shop.com können Sie stets die passende Säule für jedes Trennproblem finden. Dank innovativer Filtermöglichkeiten können Sie in Sekundenschnelle nach gewünschtem Durchmesser, Länge, Porengröße, Säulenbezeichnung u.v.m. selektieren. So erhalten Sie aus über 70.000 verschiedenen HPLC-Säulen das passende Ergebnis für Ihre Anwendung und können zwischen allen gängigen Herstellern wie Agilent, Waters, ThermoScientific, Merck, Sigma-Aldrich, Chiral, Macherey-Nagel u.v.a. wählen. Ergänzend stehen Ihnen die HPLC-Experten von Altmann Analytik beratend zur Seite – testen Sie jetzt den kostenlosen HPLC-Säulenkonfigurator!© Text und Bild: Altmann Analytik ZEISS stellt neue Stereomikroskope vorAufnahme, Dokumentation und Teilen von Ergebnissen mit ZEISS Stemi 305 und ZEISS Stemi 508ZEISS stellt zwei neue kompakte Greenough-Stereomikroskope für Ausbildung, Laborroutine und industrielle Inspektion vor: ZEISS Stemi 305 und ZEISS Stemi 508. Anwender sehen ihre Proben farbig, dreidimensional, kontrastreich sowie frei von Verzerrungen oder Farbsäumen. © Text und Bild: Carl Zeiss Microscopy GmbH |