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Raffinierte Nachweismethode für Pilzkontaminationen in Lebensmitteln

Die Toxinaufspürer

Für den Nachweis von biologischen Giftstoffen entwickeln Studierende der TU Darmstadt ein handliches Gerät, das jeder sicher und zuverlässig bedienen kann, und treten damit beim diesjährigen iGEM-Wettbewerb an.

Die Weltmeisterschaft der synthetischen Biologie

Der „international genetically engineered machine competition“, kurz iGEM, ist ein Wettbewerb, bei dem Studierende Projekte selbstständig planen und umsetzen, um damit vor einer internationalen Jury anzutreten. Hier werden Nachwuchswissenschaftler dazu gebracht, die in den Vorlesungen gebüffelte Theorie in die Praxis umzusetzen. Als interdisziplinärer und akademischer Wettbewerb auf Basis der synthetischen ­Biologie wurde iGEM im Jahr 2003 am MIT in Boston initiiert, wo nach regionalen Vorentscheidungen alljährlich auch das Finale ausgetragen wird. Der Wettbewerb richtet sich an Studierende unterschiedlichster Fach­richtungen, die als Mannschaft mithilfe standardisierter molekularer Bausteine (Bio­Bricks) eine „biologische Maschine“ planen und bauen. Weltumfassende Probleme und deren Lösung sollen dabei eine Rolle spielen, aber auch die Art und Weise, wie die Nachwuchswissenschaftler ihre Ergebnisse darstellen. Die Teams arbeiten von April bis September an der Umsetzung und Dokumentation ihrer Projekte, um anschließend ihre Ergebnisse auf internationalem Parkett zu präsentieren und sich mit anderen Teams auszutauschen und zu vernetzen. Der iGEM-Wettbewerb wächst und wächst: 2012 traten bereits 226 Teams aus über 25 Ländern an. Seit vergangenem Jahr ist auch die TU Darmstadt dabei und konnte als Newcomer prompt eine Goldmedaille auf dem europäischen Regionalausscheid in Amsterdam gewinnen. Das diesjährige Team besteht aus 12 Studierenden der Studiengänge Biologie, Biomolecular Engineering, Chemie, Informatik und Elektrotechnik. Vertreten sind Bachelor wie Master Studenten aus verschiedenen Semestern. Professor Dr. Heribert Warzecha und Professor Dr. Jörg Simon ­unterstützen das Team.

Das Projekt – Aufdeckung von Schimmelpilzbefall in ­Lebensmitteln

Wenn Schimmelpilze in Lagerung und Produktion von Lebensmitteln gelangen, kann das die Wirtschaft und den Versorgungszustand ganzer Nationen bedrohen. Um die Sicherheit der Lebensmittel zu gewähr­leisten, wünschen sich Lebensmittelpro­duzenten, Kontaminationen frühzeitig zu erkennen und befallene Lebensmittel aus dem Verkehr zu ziehen. Hierfür können Mykotoxine als Biomarker für Pilzkontaminationen in Naturprodukten genutzt werden, da viele der relevanten Pilze sie permanent bilden. Das Ziel des Projekts der TU Darmstadt für den iGEM Wettbewerb 2013 ist es, mit molekularbiologischen und Ingenieursmethoden eine günstige und ­robuste Nachweismethode für Mykotoxine zu entwickeln.



Abb.1 Mit Schimmelpilzen kontaminiertes Produkt



Abb.2 Probenzugabe in Kapsel mit Detektionsorganismus



Abb.3 Biologisches Detektionssystem (inaktiv)



Abb.4 Biologisches Detektionssystem (aktiviert durch Mykotoxin)



Abb.5 Kapsel wird in Handheld eingeführt



Abb.6 Messergebnis lässt sich mit Smartphone App kontrollieren und online auswerten

Biologie, Elektrotechnik und ­Informationsverarbeitung Hand ­in Hand

Das iGEM-Team der TU-Darmstadt will ­Methoden aus den Bereichen der Biologie, Elektrotechnik und Informationsverarbeitung nutzen. Mithilfe der synthetischen Bio­logie soll der „Sinnesapparat“ von Escherichia coli so manipuliert werden, dass das Bakterium nach Bindung unterschiedlicher Mykotoxine und anschließender Bestrahlung mit Licht ein Fluoreszenzsignal ausgibt. Zur sicheren Detektion dieses „readouts“ werden die Bakterien in einer Kapsel verpackt, die in ein selbst konstruiertes „Handheld“ eingeführt wird. Dieses ist mit einem Smartphone verbunden, wodurch das Fluoreszenzsignal über eine App ausgelesen und die Probe analysiert wird. Das biologisch konstruierte Detektor­system basiert auf zwei molekularen Mecha­nismen: der Chemotaxis und dem so genannten FRET (Förster resonance energy transfer). Chemotaxis bezeichnet die Beeinflussung der Fortbewegungsrichtung von Mikroorganismen durch Stoffkonzentrationsgradienten. Dies geschieht durch das Binden eines Stoffes an seinen Rezeptor im Periplasma des Bakteriums. In diesem Fall handelt es sich um den Tar-Rezeptor von E.coli. Dieser dient zur zielgerichteten Bewegung in Richtung großer Konzentra­tionen der Aminosäure Aspartat und ist als Rezeptorkomplex in die Cytoplasmamembran des Organismus integriert. Der Rezeptor besteht aus zwei Teilen, von denen ­jeweils eine Region außerhalb sowie eine innerhalb der Zelle liegt. Wird ein Signalmolekül außerhalb der Zelle gebunden, erfolgt eine Konformationsänderung der inneren Region des Rezeptorkomplexes. Normalerweise vermitteln nun Enzyme im Cytoplasma die Reizweiterleitung, wodurch sich das Signal auf die Steuerung und Regulation der Bewegung auswirkt. FRET ist dagegen eine Methode, um räumliche Abstände markierter Proteine innerhalb eines lebenden Organismus in Echtzeit zu verfolgen. Dabei wird die Energie eines durch Licht angeregten Farbstoffs auf einen zweiten Farbstoff übertragen, wobei dessen Emission wiederum im Lichtspektrum verschoben ist. Bringt man beispielsweise einen blau leuchtenden Donor in räumliche Nähe von etwa 10nm eines orangefarben leuchtenden Akzeptors, wird die Probe orangefarbenes Licht abstrahlen. Entfernen sich beide wieder voneinander, lässt sich ein blaues Lichtsignal als negativ Kontrolle nachweisen und das orange­farbene Licht klingt ab. Das Ziel ist nun, die beschriebenen ­Effekte von Chemotaxis und FRET zu kombi­nieren, um durch Bindung von Mykotoxinen ein Lichtsignal zu erhalten, das gemessen und ausgelesen werden kann. Für die Detek­tion von Toxinen soll diese Konformationsänderung des Tar-Rezeptors nach Toxinbindung nun mittels FRET in ein Fluores­zenzsignal übersetzt werden.

Manipulation des Rezeptorkomplexes

Die ursprüngliche Bindetasche des Rezeptors muss für dieses Vorhaben zuerst angepasst werden, um eine Bindung der Mykotoxine zu gewährleisten. Hierfür wird ein bereits etabliertes Verfahren zur Veränderung der Stoffspezifität des Tar-Rezeptors herangezogen: Mutationen, gekoppelt mit einem so genannten Motilitätsassay. Im bindenden Teil des Rezeptors werden fünf Aminosäuren mutiert. Zellen, bei denen der Giftstoff an die jeweilige Rezeptormutante bindet, werden auf die Giftstoffe zu schwimmen und dadurch von den inaktiven Rezeptormutanten getrennt und isoliert. Dieses Verfahren wird wiederholt, um die am schnellsten schwimmenden Mutanten untereinander zu vergleichen und die Rezeptorvariante mit der stärksten Antwort zu gewinnen[1]. Zusätzlich zur veränderten Stoffspezifität des Rezeptors muss die Signalvermittlung verändert werden. Hierfür wird ein FRET Donor-Akzeptor-Paar an den im Zellinneren gelegenen Teil des zuvor optimierten Tar-Rezeptors gekoppelt, um durch Bindung von Mykotoxinen ein Lichtsignal zu induzieren. Um das Signal auch detektieren zu können, ist es die Aufgabe der E-Techniker im Team, einen Low-Budget- und Open-Source-zugänglichen, handlichen FRET-Analysator zu konstruieren. In dieses Handheld wird eine Kapsel mit den zur Detektion befähigten Mikroorganismen und der Probe eingeführt. Die Messdaten können letztlich an ein angeschlossenes Smartphone zur Auslesung gesendet werden. Um die Messdaten sauber und verwertbar darzustellen, stellt die Konstruktion einer Android Smartphone App den Abschluss dieses Projektes dar. Die App soll in der Lage sein, die in das Handheld eingeführte Kapsel zu identi­fizieren und ein Onlinetestprotokoll anzu­legen, um Messergebnisse zu teilen und zu kontrollieren. Die Umsetzung des Projekts ist im vollen Gange. Das Team begegnet im Labo­ralltag ständig neuen Herausfor­derungen. Gleichzeitig muss im Sinne des iGEM-Wettbewerbs mit Abschluss jeder ­Arbeit auch deren Darstellung gelingen. So werden Flyer, Poster oder Videos erstellt und in Einklang mit dem selbst gefertigten Design gebracht. Das Projekt ist deshalb auch eine Chance für Studierende zu lernen, wie sie als Natur­wissenschaftler eigene Forschungsideen und Ergebnisse anschaulich und verständlich darstellen.

Literatur
[1] Derr, P. B. (2006), Changing the Specificity of a ­Bacterial Chemoreceptor. Journal of Molecular Biology , 923–932
[2] Kentner, D., & Sourjik, V. (2009), Dynamic map of protein interactions in the Escherichia coli chemotaxis path­way. Molecular systems biology , 238

Stichwörter:
Schimmelpilzbefall, iGEM-Team, TU-Darmstadt

L&M 6 / 2013

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 6 / 2013.
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