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Die Entdeckung des Marburg-Virus

Die Entdeckung des Marburg-Virus

Die aufregende Jagd nach dem Killer

Vor 40 Jahren erlebte Marburg den Ausbruch einer unbekannten Infektionskrankheit. Der erste Patient wurde am 8. August 1967 in die Medizinische Universitätsklinik eingewiesen, und am Ende des Monats lagen 19 Patienten auf der Isolierstation. Das Krankheitsbild sah anfangs uncharakteristisch aus. Nach abruptem Beginn mit schwerem Krankheitsgefühl, hohem Fieber, Kopf- und Muskelschmerzen traten Brechreiz, Erbrechen und Diarrhoen hinzu. Die Hausärzte vermuteten „Sommergrippe“. Gegen Ende der ersten Krankheitswoche traten Bindehautentzündungen und Hautausschläge auf. Ein Drittel der Patienten zeigte hämorrhagische Diathesen, es bestand Thrombopenie, Leukopenie und die SGOT war stark erhöht. Alle Patienten waren als Mitarbeiter der Behringwerke mit der Entnahme von Affennieren zur Herstellung von Zellkulturen beschäftigt. Man benötigte für die Herstellung von Poliomyelitis- Impfstoffen eine große Anzahl grüner Meerkatzen (Cercopithecus aethiops), die aus Uganda gebracht wurden. Auch am Paul Ehrlich-Institut in Frankfurt und am Institut Torlak in Belgrad gab es ähnliche Krankheitsfälle bei Mitarbeitern, die mit Affen der gleichen Lieferung zu tun hatten.

Abbildung: Drei Partikel des Marburg-Virus (Familie Filoviridae) im Elektronenmikroskop. Partikellänge 665 nm, es gibt aber auch überlange Partikel. Das Genom ist eine einzelsträngige, nicht segmentierte RNS (Mononegavirales), die für 7 Gene kodiert.
Das Nukleokapsid besteht aus drei Proteinen, dem NP, dem VP30 und dem VP35. Außerdem enthält es einige Kopien des L-Proteins, der RNS-Polymerase. Das Rezeptorbindungsprotein ist das G-Protein, das Matrixprotein ist das VP40, außerdem gehört zur Virushülle noch das VP24.

Bald wurde klar, dass man es mit einem unbekannten Erreger zu tun hatte. Zeitweilig bestand Verdacht auf eine Leptospirose und deswegen wurden Meerschweinchen mit Patientenblut beimpft. Die Tiere reagierten drei Tage später mit Fieber – der erste Hinweis auf die Übertragbarkeit des Erregers – Leptospiren hat man jedoch nicht gefunden. Als am 24. August 1967 in Frankfurt und in Marburg je zwei Patienten unter den Zeichen eines hämorrhagischen Schocks gestorben waren, wurde beschlossen, die Suche nach dem unbekannten Erreger abzubrechen und Untersuchungsmaterial an auswärtige Institute mit sicheren Einrichtungen zum Umgang mit gefährlichen Erregern abzugeben. So entstand ein internationaler Wettlauf auf der Suche nach dem unbekannten Erreger.

Anfang September waren in Frankfurt zwei und in Marburg fünf Patienten gestorben. Die Überlebenden befanden sich auf dem Weg der Besserung und konnten bis Mitte September aus der Klinik entlassen werden. Neue Krankheitsfälle traten nicht mehr auf, es war jedoch in Frankfurt, Marburg und Belgrad zu 5 Sekundärfällen (nosokomiale Infektionen) gekommen. Versehentliche Nadelstiche mit gebrauchten Kanülen waren die Ansteckungsursache. Die Sekundärinfektionen verliefen weniger schwer als die Primärinfektionen. Infektionen bei Familienangehörigen waren ausgeblieben und so gab es Mitte September eine gewisse Entspannung der Lage. In dieser Situation entschloss sich Prof. Dr. Siegert, der Leiter des Marburger Hygiene- Instituts, die Erregersuche zusammen mit einem chinesischen Assistenten, Dr. Shu, wieder aufzunehmen. Meerschweinchen wurden mit Patientenblut beimpft. Den fiebernden Tieren wurde Blut entnommen und auf neue Tiere übertragen. Im Verlauf von fünf derartigen Passagen entwickelte der Erreger eine sehr hohe Pathogenität für Meerschweinchen, die nun an einer Krankheit starben, die ganz dem Bild der Krankheit beim Menschen entsprach. Leider wurde die Erregersuche durch Probleme mit Stallinfektionen erschwert und die Forscher, die mit dem Elektronenmikroskop den Erreger finden sollten, waren bald frustriert.
In dieser Situation wurde der Autor dieses Artikels mit der Aufgabe betraut, den Erreger mithilfe der Immunfluoreszenz zu suchen. Antikörper, die man von Menschen und Tieren nach Überstehen der Krankheit gewonnen hatte, wurden mit einem fluoreszierenden Farbstoff verbunden. Die markierten Antikörper finden die zugehörigen Antigene des Erregers in den Zellen und machen sie sichtbar. Ende Oktober fanden wir in Zellen infizierter Tiere zytoplasmatische Einschlusskörper des gesuchten Erregers. Nun war es möglich, das geeignete Untersuchungsmaterial auszuwählen und an das Bernhard-Nocht- Institut in Hamburg zu schicken, wo es den Virologen Prof. Dr. Peters und seinem Mitarbeiter, Dr. G. Müller schnell gelang, den Erreger darzustellen. Es handelte sich um ein Virus von so ungewöhnlicher Struktur, dass es sich nur um den gesuchten Erreger handeln konnte, der den Namen „Marburg-Virus“ erhielt. Die Erregersuche war damit nach zwei Monaten intensiver Suche erfolgreich beendet. Unsere schärfsten Konkurrenten, die englische Arbeitsgruppe, waren ebenso schnell. Sie hatten aber kein Virus gefunden sondern erklärten, dass es sich bei dem Erreger um Rickettsien oder Chlamydien (intrazelluläre Bakterien) handeln müsse.

Die afrikanische Herkunft des Marburg- Virus wurde anfänglich bezweifelt. Inzwischen ist das Marburg-Virus in Einzelfällen und bei zwei größeren Ausbrüchen im Norden des Kongo und in Angola bei mehr als 400 Patienten als Erreger gefunden worden, die Letalität betrug ca. 80 %. Ein dem Marburg-Virus sehr ähnliches Virus, Ebola-Virus, hat 1976 zwei große Ausbrüche eines schweren hämorrhagischen Fiebers im südlichen Sudan und im damaligen Zaire (Kongo) verursacht. Dieser Erreger hat seither in mehreren Ausbrüchen in verschiedenen afrikanischen Ländern mehr als 1.800 Menschen befallen. In einzelnen Ausbrüchen des Ebola-Virus starben 90 % der Patienten. Man fasste diese neuen Krankheitserreger in der Familie Filoviridae (filum – der Faden) zusammen.
Menschen stecken sich mit Filoviren meistens durch Kontakt mit Affenblut oder - organen an. In Afrika gelten Affen als Delikatesse! Die Übertragung von Mensch zu Mensch erfolgt unter ungünstigen hygienischen Bedingungen in Krankenhäusern, z. B. durch Wiederverwendung von Kanülen. Auch afrikanische Bestattungsriten, bei denen die Patienten berührt werden, haben zur Verbreitung der Infektion beigetragen. Es sind nur unmittelbare Kontaktpersonen gefährdet. Die Allgemeinbevölkerung ist nicht betroffen und bei Flugreisen erkrankter Personen hat es keine Sekundärfälle gegeben. Für die Affen – grüne Meerkatzen im Falle des Marburg- Virus, Schimpansen und Gorillas beim Ebola-Virus – sind diese Viren ebenfalls hochpathogen. Affen erscheinen deswegen als Erregerreservoir wenig geeignet. Neueste Befunde deuten darauf hin, dass Fledermäuse (Flughunde) bestimmter Spezies diese Viren tragen und verbreiten können.

Foto: © Prof.Dr. Werner Slenczka

Stichwörter:
Virologie, Marburg-Virus

L&M 1 / 2008

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 1 / 2008.
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