Bio&Biotech
>
Neue Biokatalysatoren aus Basidiomyceten
Neue Biokatalysatoren aus BasidiomycetenUnterschätzte RiesenSie werden weit über 1.000 Jahre alt und zählen zu den größten Lebewesen der Welt: Myzelien der am höchsten entwickelten Pilze, der Basidiomyceten, können tonnenschwer werden und sich über eine Fläche von mehreren hundert Hektar erstrecken (Volk 2002). Aufgrund ihrer einzigartigen Fähigkeit, verholzte (lignifizierte) Biomaterialien abzubauen, spielen Basidiomyceten eine tragende Rolle im Kohlenstoffkreislauf der Natur. Die Fruchtkörper zahlreicher Vertreter erfreuen sich darüber hinaus dank ihres hohen Nähr- und Genusswertes weltweit großer Beliebtheit als Speisepilze und ihre sekundären Stoffwechselprodukte werden vielfach pharmazeutisch genutzt. Grundlage für all diese Eigenschaften ist ihre biochemisch hoch komplexe Ausstattung an extra- und intrazellulären Enzymen. Die Identifizierung, molekulare Charakterisierung und die technische Nutzbarmachung neuer Enzyme aus Basidiomyceten ist daher ein Schwerpunkt der Forschungsarbeiten am Institut für Lebensmittelchemie und Lebensmittelbiotechnologie der Justus-Liebig-Universität Gießen. Biotechnologie nachwachsender Rohstoffe Basidiomyceten wachsen typischerweise auf Holz, Streu oder Stroh. Um sich diese chemisch nur schwer zugänglichen Materialien als Nahrungsquelle zu erschließen, sekretieren Basidiomyceten ein Arsenal an Enzymen, das so genannte Sekretom, in das sie umgebende Substrat. Im Rahmen von „Sekretomanalysen“ werden Basidiomyceten wie beispielweise Mycetinis scorodonius oder Pleurotus sapidus auf Lignocellulosen als einziger Kohlen- und Stickstoffquelle kultiviert. Über den Kulturverlauf hinweg werden die sekretierten Aktivitäten mithilfe von Enzymassays und mittels hochauflösender zweidimensionaler Elektrophorese erfasst. Interessanterweise werden in Submerskultur z.B. Peroxidasen und Laccasen alternierend sekretiert, während Glykosidasen, Esterasen und Peptidasen kontinuierlich produziert werden. Offensichtlich sind unterschiedlichste Aktivitäten erforderlich, um Holz und Stroh für die Pilze als Wachstumssubstrat zugänglich zu machen. Bionische Ansätze zum technischen Aufschluss von Lignocellulosen müssen also möglichst alle am natürlichen System beteiligten Enzyme und außerdem die Dynamik der Enzymexpression berücksichtigen. Besonders attraktiv für industrielle Applikationen sind extrazelluläre Basidiomycetenenzyme aufgrund ihrer außergewöhnlichen Stabilität. Das Temperaturoptimum einer extrazellulären Peroxidase vom DyP-Typ, bei dem das Enzym über 12 h nur geringfügig an Aktivität verliert, beträgt 60 °C. In fotometrischen und infrarotspektroskopischen Untersuchungen wurden bei Drücken von bis zu 8.000 bar keine Veränderungen der Proteinstruktur beobachtet (Pühse et al. 2009). Lebensmittelbiotechnologie
Verstärkt Eingang in die industrielle Lebensmittelbiotechnologie finden Basidiomycetenenzyme überall dort, wo die verfügbaren Enzyme aus Bakterien, Hefen und Schimmelpilzen nicht über die erforderlichen katalytischen Eigenschaften verfügen. In pflanzlichen Quellen liegen hydroxylierte Carotinoide (Xanthophylle) meist in Form ihrer Mono- und Diester mit Fettsäuren unterschiedlicher Kettenlänge und Sättigungsgrade vor. Während die Hydrolyse dieser Ester mit kommerziell verfügbaren Enzymen nicht oder nur unvollständig gelingt, spaltet ein extrazelluläres Enzym aus dem essbaren Basidiomyceten Pleurotus sapidus Lutein- und Capsanthinester innerhalb weniger Stunden nahezu quantitativ. Die verantwortliche Esterase wurde aus Kulturüberständen des Pilzes mithilfe chromatografischer Methoden gereinigt und auf molekularer Ebene charakterisiert (Zorn et al. 2005). Freie Carotinoide gewinnen neben ihrem Einsatz zur Färbung von Lebens- und Futtermitteln und als Vorläufer natürlicher norisoprenoider Aromen auch als wertgebende Bestandteile verschiedener funktioneller Lebensmittel zunehmend an Bedeutung. Mit einer Peroxidase vom DyP-Typ aus dem Würzpilz Mycetinis corodonius wurde ein Enzym entdeckt, das Carotinoide oxidativ abzubauen vermag (Scheibner et al. 2008). Über die regioselektive Spaltung verschiedener Carotinoide ist eine Vielzahl potenter natürlicher Aromastoffe zugänglich. Außerdem kann das Enzym zur Bleichung gefärbter Lebensmittel wie z.B. Molke eingesetzt werden. Heterologe Enzymproduktion Die Gesamtkonzentration extrazellulärer Enzyme im Kulturüberstand von Wildtyp-Basidiomyceten beträgt typischerweise wenige hundert Milligramm pro Liter, was für viele technische Applikationen keine wirtschaftliche Gewinnung erlaubt. Als Wirt für die rekombinante Produktion solcher Enzyme im großtechnischen Maßstab dienen bislang meist Ascomyceten (Schlauchpilze) wie beispielsweise Aspergillus niger. Diese ermöglichen Produktausbeuten von bis zu mehreren Gramm aktivem Enzym pro Liter Kulturmedium, wobei es jedoch aufgrund unterschiedlicher post-translationaler Modifikationen zu instabilen oder inaktiven Enzymen kommen kann (Conesa et al. 2002). Daher nehmen die Bestrebungen, Basidiomyceten selbst als Wirte für die rekombinante Expression lignocellulolytischer oder anderer Enzyme zu verwenden, aktuell zu. Beispielsweise lassen sich Laccasen bereits mit hohen Ausbeuten im Weißfäulepilz Pycnoporus cinnabarinus und dem Streuzersetzer Coprinopsis cinerea homolog exprimieren (diskutiert in Rühl et al. 2007). Auch bei der Expression von Peroxidasen in Basidiomyceten gibt es viel versprechende Ansätze, wie die rekombinante Produktion einer Manganperoxidase (MnP2) im Speisepilz Pleurotus ostreatus (Austernseitling) belegt (Tsukihara et al. 2006).
holger.zorn@lcb.chemie.unigiessen.de
Literatur |
L&M 2 / 2011Das komplette Heft zum kostenlosen Download finden Sie hier: zum Download Die Autoren:Weitere Artikel online lesenNewsSchnell und einfach die passende Trennsäule findenMit dem HPLC-Säulenkonfigurator unter www.analytics-shop.com können Sie stets die passende Säule für jedes Trennproblem finden. Dank innovativer Filtermöglichkeiten können Sie in Sekundenschnelle nach gewünschtem Durchmesser, Länge, Porengröße, Säulenbezeichnung u.v.m. selektieren. So erhalten Sie aus über 70.000 verschiedenen HPLC-Säulen das passende Ergebnis für Ihre Anwendung und können zwischen allen gängigen Herstellern wie Agilent, Waters, ThermoScientific, Merck, Sigma-Aldrich, Chiral, Macherey-Nagel u.v.a. wählen. Ergänzend stehen Ihnen die HPLC-Experten von Altmann Analytik beratend zur Seite – testen Sie jetzt den kostenlosen HPLC-Säulenkonfigurator!© Text und Bild: Altmann Analytik ZEISS stellt neue Stereomikroskope vorAufnahme, Dokumentation und Teilen von Ergebnissen mit ZEISS Stemi 305 und ZEISS Stemi 508ZEISS stellt zwei neue kompakte Greenough-Stereomikroskope für Ausbildung, Laborroutine und industrielle Inspektion vor: ZEISS Stemi 305 und ZEISS Stemi 508. Anwender sehen ihre Proben farbig, dreidimensional, kontrastreich sowie frei von Verzerrungen oder Farbsäumen. © Text und Bild: Carl Zeiss Microscopy GmbH |