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Rauchanalysen von Drogenzubereitungen – ein Ausblick

Rauchdrogen – ein alter Hut?

Die Ansprüche an die Kriminaltechnik sind mit der Leistung der Analysengeräte stets gestiegen. Früher mussten meist klassische Drogen oder Gifte nachgewiesen und immer exakter quantifiziert werden. Heute tauchen in rascher Folge zusätzlich neuartige Verbindungen in der Drogenszene auf, deren Toxikologie gänzlich unbekannt ist. Diese „Designerdrogen“ weisen oftmals molekulare Grundstrukturen bekannter Drogen auf, wurden aber in einer oder mehreren Positionen verändert (z. B. durch Fluorsubstitution). Mitunter handelt es sich auch um Forschungssubstanzen, die z. B. wegen Nebenwirkungen verworfen wurden oder um Verbindungen, deren psychogene Effekte lediglich spekuliert werden. Als Inspirationsquelle oder Werbeplattform für derartige Verbindungen dürfte das Internet fungieren, da diverse „Designerdrogen“, die auf dem illegalen Markt angeboten wurden, bereits zuvor in Wikipedia beschrieben worden waren.

Die Konsumweise

Während die Designerdrogen vom Cannabinoidtyp hauptsächlich geraucht werden, erfolgt der Konsum der neuartigen Stimulanzien überwiegend nasal und oral. Es ist allerdings bekannt, dass das Rauchen solcher Verbindungen meist intensivere Rauscherlebnisse herbeiführt, weil durch die Inhalation ein rapider Anstieg des Blutspiegels und somit eine schnellere Anflutungssymptomatik im Gehirn erzielt werden kann. Dieser Effekt wird z. B. längst beim „Crack“- und Heroinrauchen und in der Drogenszene häufig auch für den Konsum anderer Stoffe, wie z. B. Arzneimittel „genutzt“.

Die Verschnittstoffe

Der Missbrauch klassischer Drogen wie Kokain, Amphetamin und Marihuana führt zu einer Vielzahl an toxischen Effekten, die besonders das kardiovaskuläre System [1], das Gehirn und die Lunge [2] mit z. B. Lungenkrebs [3 – 6] betreffen. Verstärkt traten im letzten Jahrzehnt zudem Zuschlagsstoffe innerhalb der Drogenzubereitungen in den Vordergrund [7]. Zucker und Zuckeralkohole dienten lange Zeit als Hauptverschnittstoffe für Marihuana sowie Amphetamin- und Kokainzubereitungen. Zumindest Kokain und Amphetamin werden derzeit jedoch meist mit Substanzen verschnitten, die selbst psychoaktive Eigenschaften aufweisen oder effektverstärkend wirken. Bei nur geringem Wirkungsverlust kommt es dabei zu einer deutlichen Gewinnsteigerung. Oftmals erzeugen diese Zuschlagstoffe nicht nur eine Effektverstärkung, sondern weisen selbst Wirkungen an anderen Rezeptoren auf. Da Amphetamin fast immer mit hohen Anteilen an Coffein verschnitten ist, kann bei Amphetaminkonsumenten z. B. auch Coffeinismus angenommen werden. In Amphetamin-Asservaten werden neben Coffein gelegentlich noch 4-Fluor-amphetamin sowie Benzylmethylketon, ein Ausgangsstoff der Synthese, nachgewiesen.
In Kokainzubereitungen finden sich regelmäßig das Anthelminthikum Levamisol und das Psychostimulans Phenacetin, ursprünglich ein Analgetikum-Antipyretikum, das wegen seines Missbrauchspotenzials und seiner Langzeittoxizität nicht mehr in der Humanmedizin verwendet wird. Gelegentlich werden noch die Lokalanästhetika Lidocain, Procain, Benzocain und Tetracain, der Calciumkanalblocker Diltiazem und das Antihistaminikum Hydroxyzin nachgewiesen.
Die im LKA NRW untersuchten Marihuana-Asservate enthielten neben Zuckern und Zuckeralkoholen Speisehanf sowie in Einzelfällen Glaspulver, Sand, Talg, Haarspray, Dünger sowie mittlerweile des Öfteren auch das Pflanzenschutzmittel Neemöl. Anderorts seien Blei [8], Kunstharze, Gewürze und Speiseöl sowie ein Produkt namens „Brix“ in Cannabisprodukten gefunden worden. Auch wenn das Verschneiden meist aus wirtschaftlichen Gründen erfolgt, gelangen in vielen Fällen versehentlich auch Verunreinigungen in ein Produkt, z. B. durch unsaubere Syntheseverfahren und fehlendes Qualitätsbewusstsein.

Bekanntes und Unbekanntes

Studien an Rauchgasen gängiger Drogenzubereitungen brachten Erstaunliches zu Tage. So wurde z. B. erst kürzlich einer der Hauptinhaltsstoffe [9] des Cannabisrauchs identifiziert und auch im Körper der Konsumenten nachgewiesen [10]. Zudem ließen sich in unseren Experimenten sämtliche aktiven Zuschlagsstoffe aus Kokainzubereitungen „verrauchen“ [11]. Fast gänzlich unbekannt aber sind die Effekte und toxischen Komponenten der neuen rauchbaren Drogenmischungen aus synthetischen Cannabinoiden. Derartige Untersuchungen, wie etwa Metabolismusstudien von Designerdrogen, und deren Rauchgasen könnten dank aussagekräftiger Analyseverfahren wie dem HPLC-TOFMS tierversuchsfrei und rasch Erkenntnisse liefern, die nicht nur Forensiker, sondern auch Konsumenten, Therapeuten und Gesundheitspolitiker interessieren dürften [12].

Die Untersuchungen

Kokainkonsumenten gaben an, beim Umwandeln von Kokainhydrochloridzubereitungen aus der Salzform in die rauchbare, freie Base – je nach Herstellung „Freebase“ oder „Crack“ genannt – eine höhere Reinheit des Kokains zu erzielen. Wir untersuchten, ob es bei solchen Umwandlungen und während des Rauchens tatsächlich zu einer Aufkonzentrierung kommt. Dazu wurden die Proben in einer einfachen Rauchapparatur (Abb. 1), die den Fragestellungen angepasst das jeweils typische Rauchverhalten simuliert, verraucht. Eine Mischung aus Marihuana und Tabak oder Tabak mit Straßenamphetamin wurde in die Glasfrittensäule eingebracht und angezündet. „Freebase“ und „Crack“ wurden darin direkt von außen erhitzt. Die Inhalation der Probe wurde über das Einstellen eines Unterdrucks am Dreiwegehahn reguliert – drei Sekunden Belüften der Apparatur simulierte das Ausatmen; fünf Sekunden Unterdruck das Einatmen. Die Rauchkondensate wurden durch Kühlen des Dreihalskolbens aufgefangen und in Ethanol aufgenommen. Die Analysen der Rauchkondensate sowie der Drogenzubereitungen selbst erfolgten gaschromatografisch bzw. mittels HPLC-TOFMS. Verschnittenes Marihuana wurde zusätzlich mittels Rasterelektronenmikroskopie / energiedispersiver Röntgenspektrometrie (REM/EDX), Ionenchromatografie (IC) und Röntgenbeugung (XRD) untersucht (Abb. 2).

Verschnittenes Marihuana

Vielen Cannabiskonsumenten ist bereits verschnittenes Marihuana aufgefallen und auch das LKA NRW erhält gelegentlich solches Material zur Untersuchung. Falls die Droge dabei äußerlich unauffällig erschien, wurden dennoch sporadisch mithilfe chromatografischer Verfahren, REM/EDX oder XRD Verschnittstoffe nachgewiesen. In den letzten Jahren wurde gelegentlich auch Marihuana sichergestellt, das mit Düngemittel verschnitten wurde (Abb. 2 + 3). Quantifizierungen des Düngemittels mittels IC ergaben im beschriebenen Fall, dass sich auf 593 g getrocknetem Marihuana 55,3 g Phosphat, 32,6 g Nitrat und 8,1 g Fluorid, Chlorid und Sulfat befanden. Laut REM/EDX (siehe Abb. 2) und IC fungierte Kalium als Gegenion. Die genaue Düngemittelzusammensetzung (Kaliumdihydrogenphosphat / Kaliumnitrat) wurde mittels XRD (Abb. 2) bestätigt. Zusammen mit den errechneten Kaliummengen ergab sich daraus, dass die Probe mit insgesamt ca. 160 g Düngemittel dotiert war. Somit musste das Düngemittel als Verschnitt vorsätzlich, z. B. bei der Aufzucht, auf die Pflanzen aufgebracht worden sein.
Durch Rauchgasanalysen mit Festphasen-Mikroextraktion (HSSPME-GC/MS) und temperaturprogrammierter Desorption (TPDGC/MS) ließ sich nachweisen, dass derart verschnittenes Marihuana nitrose Gase (NOx) erzeugt, die möglicherweise zusätzliche Schädigungen der Atemwege auslösen können.

Verschnittenes Amphetamin- und rauchbare Kokainzubereitungen

Die gängigen Salzformen Amphetaminsulfat und Kokainhydrochlorid lassen sich direkt nicht effektiv verrauchen, da sie in der Hitze des Rauchvorgangs pyrolysieren. Konsumenten überführen daher ihre Kokainsalz-Zubereitung in die rauchbare Base, das „Freebase-Kokain“ oder das „Crack“. Amphetaminsulfat wird jedoch nicht in die freie Base überführt und geraucht, da dessen stark basischer Rauch respiratorisch unverträglich ist. Daher wurde geprüft, ob Amphetaminsulfat und die Verschnittstoffe Coffein und 4-Fluoramphetamin mittels Tabak, der beim Verrauchen eine Wasserdampfdestillation bewirkt, in den Rauch gelangen. Zudem wurde getestet, ob die Verschnittstoffe in den Kokainzubereitungen „Freebase“ sowie „Crack“ beim typischen Erhitzen in die Gasphase übergehen. Für diese Versuche wurden Proben verwendet, die am illegalen Markt sichergestellt worden waren. Die Wirkstoffanteile der Drogen vor dem Verrauchen wurden mit den Wirkstoffanteilen nach dem Verrauchen verglichen. Neben den namensgebenden Wirkstoffen selbst konnten alle in den Zubereitungen enthaltenen Verschnittstoffe (Coffein, 4-Fluoramphetamin, Phenacetin, Levamisol, Hydroxyzin, Procain und Diltiazem) in den Rauchkondensaten wiedergefunden werden. Eine Ausnahme bilden die Zucker und Zuckeralkohole, da diese größtenteils bereits bei der Umwandlung vom Kokainsalz in die Base eliminiert werden. Es erstaunte, dass während des Rauchvorgangs generell ein höherer Anteil des Verschnittstoffes als von der Droge selbst in den Rauch übergeht. Dies trifft vor allem für Coffein, Phenacetin, Lidocain und Diltiazem zu, deren Schadenspotential bei inhalativer Aufnahme noch unbekannt ist. Selbstverständlich dürfte Letzteres Gegenstand weiterer toxikologischer Untersuchungen sein.

Literatur

[1] Brunt, M.T. et al., (2009) Addiction 104, 798-805.
[2] Tashkin, P.D., (2001) Lippincott Williams & Wilkins, Inc.,43-61.
[3] Berthiller, J. et al., (2008) J. Thoracic Oncology 3, 1398-1403.
[4] Graef, S. et al., (2011) J. Thoracic Oncology 6, 218-219.
[5] Aldington, S. et al., (2008) Eur. Respir. J. 31, 280-286.
[6] Sidney, S. et al., (1997) Cancer Causes and Control 8,722-728.
[7] Therapie Aktuell (2011) Medical Tribune Kolloquium.
[8] Busse, F. et al., (2008) N. Engl. J. Med. 358, 1641-1642.
[9] Dussy, F.E. et al., (2005) Forensic Sci. Int. 149, 3-10.
[10] Jung, J. et al., (2007) J. Mass Spectrom. 42, 354-360.
[11] Pawlik, E. & Mahler, H. (2011) Toxichem Krimtech 78, 200-210.
[12] Pawlik, E. et al., (2011) Int. J. Legal Med., 126(2), 231-240.

Foto: © Dr. Hellmut Mahler

L&M 3 / 2012

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 3 / 2012.
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