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Algenviren

Algenviren

Wenn den Algen das Blühen vergeht

Seit mehr als 50 Jahren ist bekannt, dass die Lebewesen des Phytoplanktons, Algen und Cyanobakterien, von Viren befallen werden können. Jedoch erst seit wenigen Jahren ist man sich derer enorm hohen
Zahl bewusst. Man muss heute davon ausgehen, dass Viren mit Abstand die größte Zahl an „Lebensformen“ im Wasser darstellen und damit gleichzeitig das größte genetische Reservoir für die Vielfalt des Lebens im Meer bereitstellen. Prof. Dr. Gerhard Thiel vom Botanischen Institut der Technischen Universität Darmstadt und Dr. Mario Mehmel von der AppliChem GmbH über die Viren im Meer.

Abbildung: Infektion einer Chlorella-Zelle durch das Virus PBCV-1

Das elektronenmikoskopische Bild zeigt einen Virusparikel, das an der Zellwand der Wirtszelle angeheftet ist und dabei ist, ein Loch in die Zellewand der Alge zu lysieren (Pfeil)

Ökologische Bedeutung

Phytoplankton, das sich aus Cyanobakterien und eukaryotischen Algen zusammensetzt, produziert mehr als 40% der Fotosyntheseprodukte auf der Erde (Goodwin und Mercer 1983). Den Viren dieser Algen, die häufig lytisch sind und ihre Wirte töten, kommt deshalb eine bedeutende Rolle in der Ökologie der Meere und damit in der Geochemie der Erde zu. Am deutlichsten wird das beim Auflösen von Algenblüten, einer Massenvermehrung des Phytoplanktons. Das Verschwinden solcher Algenblüten, etwa der „Braunen Fluten“ oder „Roten Fluten“, kann mit dem Auftreten der jeweiligen Viren in Verbindung gebracht werden (Milligan und Cosper 1994, Tarutani et al. 2000). Das bestätigt sich auch in Laborexperimenten, in denen das Aureococcus anophagefference Virus (AaV, Brown tide virus) innerhalb von 48 Stunden vollständig die Kulturen der Wirtsalge A. anophagefference lysiert.

Kleine Systematik der Algenviren

Zwei grundsätzlich verschiedene Algenvirus-Familien wurden bisher beschrieben (ICTVdB).
1. Marnaviridae (zu Deutsch etwa „RNA-Viren aus dem Meer“). Die einzige bisher beschriebene Art dieser Gruppe ist das Heterosigma akashiwo RNA virus (HaRNAV): ikosaetrisch, nur etwa 25 nm Durchmesser und positv-Strang ssRNA-Genom. Damit erinnert es entfernt an Picorna-Viren.

2. Phycodnaviridae (zu Deutsch etwa „DNA-Viren der Algen“) sind völlig anders aufgebaut. Mit ikosatrischen Capsiden von 130-200 nm Durchmesser und doppelstrang-DNA bis 350 Kilobasenpaaren sind sie wahre Riesen unter allen Viren.

Viren der Familie Phycodnaviridae infizieren eukaryotische Algen verschiedener Ordnungen. Ein Prototyp ist PBCV-1, welches Grünalgen der Gattung Chlorella infiziert (Van Etten 2003). Wie man es von Phagen (den Wirten der Bakterien) kennt, haftet das Virus an der Wirtsoberfläche an, bohrt ein Loch in die Wirtszellwand und entlässt das virale Genom in die Zelle.

Biotechnologie – von der Natur lernen

Unter dem Optimierungsdruck, möglichst viele Gene auf kleinstem Raum in einem Capsid zu verpacken, sind im Laufe der Virenevolution Proteine entstanden, die auch für den Biotechnologen von Interesse sind. Die Algen-viren zum Beispiel sind zwar mit die größten Viren überhaupt, tragen aber oft Erbinformation für die allerkleinsten funktionalen Enzyme ihrer Art. Beispiele für solche minimalistischen, aber funktionellen Proteine sind DNA Polymerasen, eine ATP abhängige DNA-Ligase, eine Typ II DNA-Topoisomerase, mehrere Kaliumkanalproteine und weitere. Restriktionsenzyme aus PBCV-1 mit außergewöhnlichen Restriktions-Schnittstellen sind bereits auf dem Markt. In manchen Fällen zeigen sich die viralen Enzyme sogar denen aus Organismen überlegen. So kann ein Phagenprotein die Pigmentbiosynthese in einem einzelnen Schritt katalysieren, während die Wirtsorganismen dafür zwei Proteine benötigen (Dammeyer et al. 2008).

Literatur bei den Autoren

Bild: Aufnahmen von Dr. Brigitte Hertel, FB Biologie, TU-Darmstadt

Stichwörter:
Biologie, Botanik, Virologie, PBCV-1

L&M 4 / 2009

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 4 / 2009.
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