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Biokontamination in der Raumfahrt

Planetary Protection

Dr. Christine Moissl-Eichinger,
Lehrstuhl für Mikrobiologie und Archaeenzentrum, Universität Regensburg

So sauber wie möglich sollen Raumfahrzeuge sein, bevor sie auf -ihre große Reise gehen. Die Angst vor einer biologischen Konta-mination extraterrestrischer Gebiete ist groß, würde sie doch die Suche nach außerirdischem Leben enorm erschweren oder gar -unmöglich machen. Aus diesem Grund werden Lander und Orbiter unter Biokontaminationskontrolle in Reinräumen konstruiert.
Da es aber Mikroorganismen gibt, die mit den dort herrschenden extremen Bedingungen wie z.B. Nahrungsknappheit, Trockenheit, Berührung mit Desinfektions- und Reinigungsmitteln recht gut umgehen können, ist es nun unsere Aufgabe, die mikrobielle Diversität in solchen Reinräumen und auf der Oberfläche von Raumfahrzeugen festzustellen. Unsere Unter-suchungen dienen der Vorbereitung auf die ExoMars Mission der Europäischen Weltraumbehörde (ESA).

Planetary Protection

Das Leitprinzip der Planetary Protection beschäftigt sich mit der Vermeidung biologischer Kontamination von Himmelskörpern (auch der Erde) im Rahmen von interplanetaren Missionen [1]. -Besonders wichtig ist der Schutz von Planeten oder Himmelskörpern, die hinsichtlich einer biologischen und chemischen Evolution untersucht werden sollen (z.B. Mars, Jupitermond Europa). Generell unterscheidet man zwei Arten von Kontaminationen: Bei der Rückwärts-Kontamination (reverse contamination) geht es um die mögliche Kontamination der Erde bei rückkehrenden Missionen (sample return) durch Material aus dem Weltraum. Die Vorwärts- Kontamination (forward contamination) soll extraterrestrische Gebiete vor Mikroorganismen oder Biomolekülen von der Erde schützen. Das Wichtigste ist hierbei, zukünftige Missionen auf der Suche nach Leben nicht zu beeinträchtigen. Mitgebrachtes Leben von der Erde kann die Suche nach außerirdischen Lebensformen stark erschweren oder gar unmöglich machen, da es falsch positive Ergebnisse hervorrufen könnte. Ziel ist es also, abhängig vom Missionsziel, die Weltraumfahrzeuge so sauber (so steril) wie möglich auf ihre Reise zu schicken. Prinzipiell wird jede Mis-sion in eine von fünf Risiko-Kate-gorien ein-ge-teilt, nach welcher die maximal erlaubte Kontamination festgelegt wird.

Nachweis von Biokontamination

Als Maßstab für die Biokontamination wird die Belastung durch Sporen herangezogen. Sporen sind widerstandsfähige Überdauerungsstadien von Mikroorganismen, die evtl. Flüge im Weltraum und eine Landung überstehen könnten. Um die Sporenbelastung feststellen zu können, werden Wischproben von verschiedenen Oberflächen des Raumfahrzeuges genommen. Nach einem Hitzeschock, um vorhandene vegetative Keime abzutöten, werden diese Proben auf einem Vollmedium plattiert. Die Anzahl der entstehenden Kolonien kann als Näherung für die Biokontamination verwendet werden.
Um die Anzahl der Sporen zu minimieren, werden Raumfahrzeuge in Reinräumen konstruiert. Diese werden streng kontrolliert (Luftfeuchtigkeit, Temperatur, Filterung der Luft, regelmäßige Reinigung), um die Partikel- und mikrobiologische Belastung von den Vehikeln zu reduzieren. Je nach Reinraumklasse müssen auch die darin arbeitenden Menschen spezielle Kleidung tragen, um die Kontaminationsrisiken so gering wie möglich zu halten.

Unser Ansatz

Wir untersuchen Reinräume und Weltraumfahrzeuge auf ihre mikrobielle Belastung. Dabei begnügen wir uns nicht mit der Anreicherung von sporenbildenden Organismen, sondern versuchen unterschiedlichste „Überlebenskünstler“ aus solchen extremen Biotopen zu isolieren und sie nachzuweisen. Ziel unserer Arbeit ist es, die vorhandene mikrobielle Flora genauer kennenzulernen, mit ihr „arbeiten“ zu können und evtl. vorhandene Resistenzen genauer zu studieren. Denn: Um die Mikroben los zu werden, müssen wir ihre Schwachpunkte kennen.
Kultivierbare Organismen werden unter unterschiedlichsten Bedingungen angereichert und isoliert. Als erste Arbeitsgruppe in diesem Gebiet benützen wir etwas andere Kultivierungsmethoden: Der überwiegende Teil unserer verwendeten -Medien ist nicht kommerziell erhältlich und speziell für die Anreicherung von Spezialisten konzipiert worden. Da die meisten extraterrestrischen (potenziellen) Lebensräume nur winzige Spuren von Sauerstoff oder gar keinen enthalten, versuchen wir u.a. Anaerobier anzuzüchten. Anaerobier sind Mikroorganismen, die ohne Sauerstoff wachsen können – für manche von ihnen ist Sauerstoff sogar tödlich.
Da aber nur ca. 1?% aller Mikroorga-nismen im Labor züchtbar sind, werden die Wischproben auch auf ihren DNA-Gehalt hin untersucht: Die DNA wird isoliert und mittels domänen-spezifischer Polymer-asekettenreaktion (PCR) analysiert. Das prokaryontische 16S rRNA Gen wird dabei amplifiziert und anschließend genauer untersucht. Damit schätzen wir auch die Menge der vorhandenen Mikroorganismen ab (quantitative PCR).

Erste Ergebnisse

Im Rahmen eines von der Europäischen Weltraumbehörde (ESA) finanzierten Projektes haben wir Reinräume in Friedrichshafen (Deutschland), auf dem ESTEC- Gelände in Noordwijk (Niederlande) und am Weltraumzentrum in Kourou (Französisch Guyana) beprobt. Zum Zeitpunkt der Probenahme in Europa befand sich in diesen Reinräumen das Weltraumteleskop „Herschel“, welches ebenfalls in die Analysen miteinbezogen wurde. Herschel unterlag zwar keinen Planetary Protection Einschränkungen, gab uns aber die Möglichkeit unter realistischen Bedingungen für die ExoMars Mission zu „üben“.
Allgemein lässt sich sagen, dass das Raumfahrzeug selbst verhältnismäßig wenig kultivierbare Kontaminanten trug, während die Reinräume selbst relativ hohe Zellzahlen aufwiesen (bis zu 105 kultivierbare Mikroben pro m2). Die meisten kultivierten Mikroorganismen stammten vom Menschen (z.B. Staphylococcus). Das zeigt uns, dass der Mensch die Hauptkontamina-tionsquelle und damit auch der Überträger für mögliche Biokontaminationen ist. Andererseits sind besonders Keime aus der Umwelt an schwierigere Bedingungen angepasst und haben dementsprechend Überdauerungsstrategien entwickelt (z.B. sporenbildende Bacillen).
Interessant gestaltete sich die Analyse der Anaerobier: Mikroorganismen der Gat-tungen Staphylococcus, Bacillus, Clostridium, Paenibacillus, Propionibacterium und -Enterococcus konnten erfolgreich aus den Reinräumen isoliert werden [2]. Von allen Sauerstoff-unabhängigen Mikroorganismen waren 85?% Menschen-assoziierte Keime, alle strikt anaeroben waren sogar opportunistische Pathogene (Clostridium perfringens, Propionibacterium avidum, Propionibacterium acnes und Corynebacterium pseudogenitalium). Schätzungsweise sind bis zu 50?% aller kultivierbaren Mikroorganismen in solchen Reinräumen zur anaeroben Lebensweise fähig. Viele unserer kultivierten Anaerobier zeigten weitere Besonderheiten: Manche sind fähig zur autotrophen Lebensweise (d.h. sie können CO-2 in der Gasphase als Kohlenstofflieferant benützen und sind damit unabhängig von organischen C-Verbindungen), andere können Stickstoff aus der Luft fixieren und gelten damit als Primärproduzenten.

Dank an – die europäische Weltraumbehörde ESA für die Finanzierung des Projektes sowie an Gerhard Kminek, Michaela Stieglmeier (beide ESA) und Reinhard Wirth (Uni Regensburg).

christine.moissl-eichinger@
biologie.uni-regensburg.de

Foto: © Dr. Christine Moissl-Eichinger

Literatur
[1]
Planetary Protection policy, http://cosparhq.cnes.fr/Scistr/Pppolicy.htm
[2]
Stieglmeier, M., R. Wirth, G. Kminek and C. Moissl--Eichinger (2009):Cultivation of strictly and facultatively anaerobic Bacteria from spacecraft associated clean rooms. Appl. Env. Microbiol 75: 3484-3491.

Stichwörter:
Mikrobiologie, Dekonatmination, Raumfahrt

L&M 3 / 2009

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 3 / 2009.
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