Duftforschung - Spermien mögen Maiglöckchen
Duftforschung - Spermien mögen MaiglöckchenAlles über das Riechen und wie es unser Leben bestimmt
Prof. Dr. Dr. Dr. Hanns Hatt, Lehrstuhl für Zellphysiologie, Ruhr-Universität Bochum
Ohne ihn können wir kein exzellentes Essen oder einen herrlichen Wein genießen oder würden nicht vor verdorbenen oder giftigen Nahrungsmitteln gewarnt werden, ohne ihn wäre die Menschheit sogar längst ausgestorben. Oft verwendete Sätze wie „Ich kann Dich nicht riechen“, „Die Chemie muss stimmen“, zeigen die besondere Bedeutung des Geruchssinns, der entscheidend an Sympathie und Antipathie beteiligt ist und in uns sekundenschnell in längst vergangene Erinnerungen und Gefühle erwecken kann. Unsere Nase schläft nie, 24 Stunden sendet sie über Duftstoffe in der Atemluft in unser Riechhirn, das einen direkten Zugang zu den ältesten Teilen des Gehirns, dem Limbischen System und dem Hippocampus hat. Hier liegen wichtige Zentren für Gefühle, Triebe, Erinnerungen, aber auch hormonelle Steuerung. Nur ein kleiner Teil der Information fließt durch den Thalamus, das „Tor zum Bewusstsein“. Mit der Entdeckung der großen Genfamilie der Riechrezeptoren (1991) durch Linda Buck und Richard Axel [1], die hierfür 2004 den Nobelpreis erhielten, begann ein neues Zeitalter im Verständnis der Funktion unserer Nase. Weltweit startete ein Wettkampf vieler großer Forschungslabors um die Entschlüsselung der Rezeptoren. Im Genom des Menschen findet man ca. Tausend Gene, die zur großen Genfamilie der Riechrezeptoren gehören und eine hohe Homologie (50–99 %) in ihrer Nukleotidsequenz aufweisen.
Abb. 1: Zentrale Verschaltung der Duftinformation
Allerdings weisen nur noch ein Drittel dieser Gene, ca. 350, eine intakte Sequenz auf und stehen zur Expression zur Verfügung. Sie stellen aber weiterhin die größte Genfamilie im menschlichen Genom überhaupt dar, ein wichtiger Hinweis auf die Bedeutung des Riechens auch für den Menschen. die etwa 320 Aminosäuren lange Kette der Rezeptorproteine durchspannt an sieben Stellen die Zellmembran. In diesen „Trans-mem-bran“-Bereichen vermutet man auch die Bindetasche für die aktivierenden Duftmoleküle. Die Gene für die verschiedenen Rezeptoren sind beim Menschen nahezu über alle Chromosomen verteilt, jede Riechzelle aktiviert allerdings nur eines dieser Gene und trägt deshalb auch nur einen Rezeptortypen an der Oberfläche. Als erstes Labor weltweit konnten wir 1999 den Rezeptor Nr. 40 von Chromosom 17 charakterisieren, der auf den Duft von frischer Meeresbrise (Helional) antwortete [2]. Einige Jahre später (2003) gelang uns dies auch für einen zweiten menschlichen Rezeptor hOR17-4, der maiglöckchenähnliche Moleküle (Bourgenoal, Cyclamal, Lilial) erkennt [3].
Abb. 2: Molekulare Struktur eines menschlichen Riechrezeptors A und seiner hypthetischen Bindestelle B
Inzwischen sind erst vier weitere Rezeptoren weltweit hinzugekommen, zwei aus unserem Labor (Veilchenduft und süße Früchte). Nach einer vollständigen Entschlüsselung aller Rezeptoren hätte man ein komplettes Abbild der menschlichen Nase.
Abb. 3: Umsetzung eines Duftreizes in eine elektrische Zellantwort
Riechrezeptoren außerhalb der Nase
Mithilfe von molekularbiologischen und elektrophysiologischen Methoden konnten wir bereits 1994 zeigen, dass menschliche Spermien einen durch cAMP-aktivierbaren Kanal besitzen, der große Ähnlichkeit hat mit dem Kanal in Riechsinneszellen [4]. 2003 konnten wir dann den Nachweis erbringen, dass ein Riechrezeptor (hOR17-4), der Maiglöckchen riechen kann, in menschlichen Spermien funktionsfähig vorliegt [5]. Folgerichtig lassen sich menschliche Spermien durch Maiglöckchenduft „erregen“. Die Kalziumkonzentration steigt an und beeinflusst dadurch die Schwimmbewegung. Verhaltensexperimente zeigten, dass Spermien sich entlang eines Maiglöckchenduftkonzentrationsgradienten bewegen, zur Duftquelle schwimmen (positive Chemotaxis) und sogar die Schwimmgeschwindigkeit dabei verdoppeln. Durch Analysen der die Eizelle umgebenden Flüssigkeit konnte gezeigt werden, dass sich dort ein Maiglöckchen ähnliches Duftmolekül befindet und dieser Lockstoff ein guter Kandidat ist, um den Spermien den langen Weg zur Eizelle zu weisen. Der für den Rezeptor von uns erstmals entwickelte Antiduft (Undecanal) [5] sollte auch in der Lage sein, die Duftwahrnehmung der Spermien zu blockieren und damit eine empfängnisverhütende Wirkung auszu-üben.
Abb. 5: Calcium-Imaging an menschlichen Prostatazellen
Foto 1: © photocase.de | emma75 |
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