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Hochleistungs-LEDs in der Mikroalgenforschung

Algen unter künstlicher Sonne

Heutzutage steht einer Handvoll Algen, die kommerziell genutzt ­wird, eine Vielzahl von noch ­nicht charakterisierten und unbestimmten Algenarten gegenüber, die ein hohes Potenzial für ­zukünftige biotechnologische ­Anwendungen in sich trägt. Mit neuen LED-Technologien ­lassen sich diese Mikro­algen nun besser im Labor­maßstab screenen und für eine Anwendung im groß­technischen ­Maßstab untersuchen und optimieren. Die Kombination aus unterschiedlichen LEDs bringt hier den ­Vorteil, dass verschiedenste ­globale Bestrahlungsszenarien im ­Labor ­simuliert werden können.

Warum Mikroalgen?

Algen werden schon lange von den Menschen als Nahrungsmittel und Viehfutter verwendet oder finden ihre Anwendung in der Medizin. Die volkstümlich als „Algen“ bezeichneten ­Orga­nismen, die jedermann vom letzten Strandbesuch kennt, sind dabei meist Makroalgen wie der Seetang. Im Gegensatz zu diesen, zum Teil bis über 50m langen Organismen, ­kommen ­Mikroalgen meist als Einzeller mit Größen zwischen einigen Mikrometern bis zu maximal ­wenigen 100µm vor. Mikroalgen sind somit ­mikroskopisch kleine Einzeller, die genau wie Makroalgen und Landpflanzen photosynthetisch aktiv sind und demnach nur mit Licht, CO2 und wenigen Nährsalzen komplexe organische Strukturen aufbauen können. Heute werden Mikroalgen vor allem als Nahrungsergänzungsmittel und als Wirkstofflieferanten für Kosmetika industriell eingesetzt. Beispiele hierfür sind die Astaxanthin-Produktion mittels der Grünalge Haematococcus pluvialis oder die Herstellung von Nahrungsergänzungsmitteln aus Chlorella vulgaris [1].

Unter speziellen, meist nährstofflimitierenden Bedingungen können Mikroalgen auch bis zu 50% ihres Trockengewichtes an langkettigen Kohlenhydraten und Ölen bilden. Durch höhere Wachstumsraten als bei Landpflanzen bieten sie in Zeiten knapper werdender Rohölreserven ­eine auf lange Sicht interessante neue Ressource als Lieferanten für „grüne“ Treibstoffe [2].


Abb.1 In 24-Well-Mikrotiter-Platten werden Umweltisolate in verschiedensten Nährmedien ­angezogen.

Algenforschung an der TUM

Im Verbundprojekt AlgenFlugKraft werden am Fachgebiet Industrielle Biokatalyse der TU München von Prof. Brück neue Algenstämme gesucht und auf ihre Verwendbarkeit in der ­Produktion von Biokraftstoffen gescreent. Die weiteren Projektpartner, der Lehrstuhl für Bioverfahrenstechnik unter Prof. Weuster-Botz, ­sowie der Lehrstuhl Technische Chemie 2 von Prof. Lercher vervollständigen die wissenschaftliche Seite des Projektes. Über Industriepartner wie die Airbus Group, die Clariant und Conys sollen gewonnene Konzepte in eine schnelle wirtschaftliche Umsetzung überführt werden. Für eine wirtschaftlich-ökologische Umsetzung wird über Life-Cycle Analysen von Bauhaus Luftfahrt-Group der Projektverbund beraten. Für die technische Auslegung wird momentan auf dem Gelände der Airbus Group in Otto­brunn bei München ein Versuchsgebäude für Mikroalgenforschung mit 1.500m2 Versuchs­fläche gebaut, in dem in drei parallelen Standortsimulationen unterschiedliche Produktionsverfahren entwickelt werden können. Mit einer eigenen Salzwasseranlage und angeschlossenen CO2-Versorgung kann über eine die Luftfeuchte und Temperatur eine globale Klimasimulation durchgeführt werden.

Um am Standort Deutschland Klimaszenarien der ganzen Welt simulieren zu können, muss neben der Lufttemperatur und Luftfeuchtigkeit auch das Sonnenlichtspektrum an den jeweilig zu untersuchenden Ort angepasst werden ­können. Die Kombination neuer Hochleistungs-LEDs, die von den Berliner LED-Spezialisten von Futureled geliefert wird, ermöglicht eine Abbildung der gesamten Bandbreite des sichtbaren Sonnenlichtspektrums. In der großtechnischen Auslegung im neuen Algentechnikum der TU München kann das aktuelle Sonnenspektrum gezielt um die Wellenlängenbereiche und Lichtintensitäten ergänzt werden, die einen deutschen Sonnentag von z.B. einem kalifornischen unterscheiden.


Abb.2 Selektionierte und isolierte Umwelt­isolate werden in 6-Well-Platten auf größere ­Volumina angezogen.


Abb.3 Im 3,7 l-LED-Photobioreaktor können unter kontrollierten Bedingungen Prozessparameter wie pH-Wert, Temperatur und Beleuchtung untersucht werden.


Abb.4 In dem neuartigen Beleuchtungstablar kann in 18 parallelen Beleuchtungsszenarien mittels Kombination verschiedener LEDs das komplette Sonnenspektrum abgebildet werden.

Vom Umweltisolat zum Produktionsstamm

Die großtechnische Anwendung wird vor allem in offenen Becken durchgeführt. Vorteil dieser Systeme sind ihre geringen Kosten und einfache Handhabbarkeit. Demgegenüber stehen die geringeren Produktivitäten und die Gefahr der Kontamination durch externe biotische wie ­abiotische Faktoren. Dazu gehören Staub, Bakterien und Pilze, aber eben auch andere Algenarten. Sind die Produktionsbedingungen aber spezifisch auf die gewünschte Algenart ­angepasst, die z.B. bei niedrigem pH-Wert oder sehr hohen Salzgehalten wächst, so ist es für andere Organismen sehr schwierig, sich dort auszubreiten und die Alge zu überwachsen [3].

Hier wird allerdings eine weitere Stärke der Algen ausgenutzt: deren hohe Anpassungs­fähigkeit. Sie finden sich nahezu auf allen Erdteilen und dort auch in sehr speziellen Habitaten. Saure Seen mit einem pH-Wert von 2 wie auch arktische Gebiete mit Temperaturen um den Gefrierpunkt gehören zu ihren Lebensräumen. Es sind vor allem diese Spezialisten, die für die großtechnische Anwendung interessant sind. Mit dieser Selektion wird ein stabiler ­Prozess garantiert und damit die Raum-Zeit-Ausbeute erhöht.

So ist ein erster essenzieller Bestandteil der Etablierung eines neuen Produktionsstammes für die industrielle Kultivierung die möglichst exakte Anpassung der Laborbedingungen an die Umweltbedingungen. Eine Reihe von Parametern wie den Salzgehalt, pH-Wert und die mittlere ­Gewässertemperatur lässt sich über Messungen vor Ort ermitteln und mit wenig operativem Aufwand im Labor nachstellen. Die Kultivierung mit diesen gemessenen Parametern geschieht dann zunächst auf einem Festmedium, von wo einzelne Kolonien in Mikrowellplatten überführt werden und dort mit einem hohen Parallelisierungsgrad angezogen werden. Hier kann bereits eine erste Medienoptimierung durchgeführt werden, um ein optimales Wachstum in den nachfolgenden Schritten gewährleisten zu können. In Schüttelkolben werden die Stämme dann in ­Volumina von bis zu 200ml angezogen. Bei ­diesem Maßstab ist es möglich, erste Aussagen über Produktbildung und biochemische Zusammensetzung der Stämme zu machen.


Abb.5 Baufortschritt des Algentechnikums der TU München am Ludwig-Bölkow Campus der Airbus Group im Ottobrunn im Februar (links) und im April (rechts) 2015 - das Gebäude ist fertiggestellt; der Innenausbau befindet sich in der Endphase.

Parallelisierte Inkubationsplattform mit Sonnenlichtspektrum

Eine Optimierung des Faktors Licht gestaltet sich hingegen schwieriger als bei den bisher ­angesprochenen Parametern. Wurden in der Vergangenheit vor allem Leuchtstoffröhren oder Halogenlampen verwendet, sind in letzter Zeit vorrangig einzelne LEDs die Bestrahlungsquelle der Wahl. Allen ist jedoch gemein, dass sie das vorhandene Sonnenspektrum und die entsprechenden Lichtintensitäten vor Ort nur unzureichend nachbilden können.

In Zusammenarbeit mit der Berliner Firma Futureled hat das Fachgebiet Industrielle ­Biokatalyse aus diesem Grund eine parallelisierte Inkubationsplattform entwickelt, um die laborseitige Hochskalierung neuer Algenstämme schneller vorantreiben zu können. Über eine Zusammenschaltung verschiedener LEDs ist es möglich, spezifische Sonnenlichtspektren über den kompletten Bereich der photosynthetisch aktiven Strahlung (PAR) von ca. 400 bis 700nm sehr genau abzubilden. Dieser Teil des Sonnenlichts ist für die Photosynthese besonders ­wichtig [4]. Mit einer Simulation verschiedener Spektren und Intensitäten lassen sich die Lichtbedingungen untersuchen, wie sie am ursprünglichen Fundort vorherrschten. Dazu können die Einstellungen wie Tag-Nacht-Zyklen oder Intensitätsgradienten für jeden Kolben individuell eingestellt werden. Die Erkenntnisse aus diesen Laborversuchen können dann für den letzten Schritt des Scale-ups verwendet werden. Aus der Schnittmenge an möglichen Produktionsstandorten mit jeweils spezifischen Lichtspektren und -intensitäten und der im LED-Tablar gewonnen Informationen zum Lichtbedarf der jeweiligen untersuchten Produktionsstämme lassen sich so geeignete Stämme für den Einsatz und Testlauf im großen Becken des Algentechnikums auswählen. Auf diesem Wege lassen sich geeignete Stämme schneller und unter ­wesentlich geringeren technischen Aufwand auf industriell relevante Eignung evaluieren.

Ausblick

Die Verwendung neuartiger Hochleistungs-LEDs im Bereich der Mikroalgenforschung ­bietet die Möglichkeit, sehr exakte Sonnenlichtspektren für spezifische Standorte sowohl im kleinen als auch im großen Maßstab zu simulieren. Durch die Kombination mehrerer spezifischer Dioden können auch sehr kleine Wellenlängenbereiche zugeschaltet oder verändert werden, was mit herkömmlichen Beleuchtungseinheiten bisher nicht möglich war.

Literatur
[1] Blunt, John W. et al. (2012) Nat. Prod. Rep 29 (2), 144
[2] Bhatnagar A. et al. (2011) Applied Energy 88, 3425–3431
[3] Mata, T. M. et al. (2010) Renewable and Sustainable Energy Reviews 14(1): 217–232
[4] Schulze, P. S.C. et al. (2014) Trends Biotechnol. 32, 8

Bild: © featuredcreature.com|Chris Van Wyk

L&M 5 / 2015

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 5 / 2015.
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