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Antibiotika - Alternativen

Auf der Suche nach phytogenen Futterzusätzen

Bis vor wenigen Jahren gab es seitens der Futtermittelindustrie kein ernsthaftes Interesse an Pflanzen als Quelle für bioaktive und leistungsfördernde Inhaltsstoffe in der Tierproduktion. Zur Steigerung der Lebendmassezunahme und der Milchproduktion sowie zur Verbesserung der Tiergesundheit und der Futterverwertung wurden bis vor kurzem chemisch-synthetische Leistungsförderer, insbesondere wachstumsfördernde Fütterungsantibiotika eingesetzt. Deren einfache Möglichkeit zur Gewinnung und schließlich auch der Schutz ihrer Verwertung durch Patente erschienen weitaus attraktiver als die aufwändige Isolierung wirksamer Prinzipien aus Pflanzen.

Vor dem Hintergrund des EU-weiten Verbots von Fütterungsantibiotika seit dem1. Januar 2006 ist das neuerliche Interesse der Pharma- bzw. Futtermittelindustrie an der Suche nach pflanzlichen Alternativengut nachvollziehbar. Die positiven Wirkungen pflanzlicher Zusatzstoffe werden auf die Futteraufnahme, die Sekretion von Verdauungsenzymen sowie auf entzündungshemmende, immunmodulierende, antimikrobielle und auf antioxidative Wirkungen zurückgeführt. Von phytogenen Futterzusatzstoffen erhofft man sich somit eine mit den Fütterungsantibiotika vergleichbare, jedoch für Tier und schließlich auch für den Verbraucher unbedenkliche Leistungssteigerung.

Der Natur auf die Finger geschaut

Analog zum Immunsystem höherer tierischer Organismen verfügen auch höhere Pflanzen über prä- und postinfektionelle Abwehrsysteme, d. h. sie verfügen bereits vor dem Befall bzw. sie synthetisieren unmittelbar nach dem Kontakt mit Phytopathogenen antibiotisch wirksame Abwehrstoffe. Die Bedeutung dieser zu den sekundären Pflanzenstoffen zählenden Substanzen wurde erst spät erkannt. Galten etwa phenolische Verbindungen, Glucosinolate, Saponine und Isoflavone als „Stoffwechselschlacken“der Pflanze mit toxischen bzw. antinutritiven Eigenschaften, so werden diesen sekundären Pflanzenstoffen neuerdings protektive bzw. gesundheitsfördernde Eigenschaften zugeschrieben(in Carle 1992, 2007). Vor diesem Hintergrund liegt es nahe, die pharmakologischen Eigenschaften phytogener Substanzen zu charakterisieren und deren Potenzial in der Ernährung für Mensch und Tier zu untersuchen. In dem von der Europäischen Union geförderten Projekt „SAFEWASTES“ forschen deshalb die Hohenheimer Lebensmitteltechnologen nach bioaktiven Substanzen pflanzlichen Ursprungs und an der Möglichkeit, inwieweit solche Pflanzenstoffe synthetische Futtermitteladditive bzw. leistungsfördernde Fütterungsantibiotika ersetzen können (www.safewastes.info).
Der innovative Ansatz dieses Forschungsprojektes liegt in der Verwendung von pflanzlichen Reststoffen aus der Lebensmittel- und Pharmaindustrie als Ausgangsmaterialien für das Wirkstoffscreening. Das Vorhaben verbindet somit das Bestreben nachhaltige Lebensmittelproduktion zu betreiben mit der Profilierung bioaktiver Inhaltsstoffe. In einer sog. „Bioassay guided fractionation“ werden mittels in vitro- Tests pharmakologischwirksame Inhaltsstoffe identifiziert (Abb. 1). Hierbei wird das Pflanzenmaterial mit Lösungsmitteln unterschiedlicher Polarität extrahiert und diese Fraktionen auf antioxidative, antimikrobielle, antiparasitäre und entzündungshemmende Eigenschaften getestet. Die aktiven Fraktionen werden weiter untersucht und einer weitergehenden Fraktionierung und phytochemischen Untersuchung unterzogen. Erste Untersuchungen wurden unter anderem mit Mangoschalen, Artischockentrestern, Mariendistel- und Thymianextraktionsrückständen durchgeführt.
Die Ergebnisse nach dem zweiten Projektjahr sind ermutigend. So erwiesen sich bisher als „Abfall“ betrachtete Pflanzenmaterialien als viel versprechende Quelle für bioaktive Substanzen. Mit den aussichtsreichsten Kandidaten werden derzeit Fütterungsversuche am Nutztier durchgeführt.

Mangoschalen als Reststoffe mit ungeahntem Potenzial

In Zuge der aktivitätsgerichteten Fraktionierung ist es dem Hohenheimer Forscherteam gelungen, zwei Naturstoffe mitstarken entzündungshemmenden Eigenschaften aus Mangoschalen zu isolieren, die in ihrer Wirkung in vitro den klinisch eingesetzten entzündungshemmenden Medikamenten Indomethacin und NS-398sehr nahe kommen (Tabelle 1). Diese antiinflammatorische Eigenschaft beruht auf der Hemmung der Isoenzyme CyclooxygenaseCOX-1 und COX-2, welche den geschwindigkeitsbestimmenden Schritt der Prostaglandinsynthese in der Arachidonsäurekaskade katalysieren. Diese Substanzen wurden eindeutig als 5-(8Z,11Z-Heptadecadienyl)resorcin (1) und 5-(11Z-Heptadecenyl)resorcin (2) identifiziert(Abb. 2), wobei letztere einen Naturstoff darstellt, der bisher weder im Tier – noch im Pflanzenreich beschrieben wurde. Während die Struktur des 2-fach ungesättigten Alkenylresorcins (1) mittels Tandem-Massenspektrometrie und Kernresonanzspektroskopieverhältnismäßig leichtzugänglich war, stellte sich die Strukturaufklärung und insbesondere die Lokalisation der Doppelbindung im Alkenylrest des 1-fach ungesättigten Homologs (2) als schwierig heraus. Zu diesem Zweck bedienten sich die Hohenheimer Forscher eines „Kniffs“: Durch Derivatisierung mit Dimethyldisulfid gelang es ihnen, die Doppelbindung im Alkylrest zu fixieren, um nach massenspektrometrischer Analysecharakteristische Fragmente zu erhalten, welche die ursprüngliche Position der Doppelbindung aufzeigten (Abb. 3 und4). Struktur-Wirkungsbeziehungen durch Vergleich mit synthetischen gesättigten Homologen ergaben, dass die hemmende Wirkung auf die Enzyme COX-1 undCOX-2 mit zunehmendem Grad der Ungesättigtheit dieser Naturstoffe zunimmt, wohingegen die Kettenlänge dieser Verbindungen nur einen geringen Einfluss hat (Knödler et al. 2007; Tabelle1).
Die am Beispiel der Mangoschale aufgezeigtenpharmakologisch wirksamen Verbindungen dürften gezeigt haben, dass die Natur ein interessantes Potenzial an bioaktiven sekundären Pflanzenstoffen aufweist, deren Evaluation noch nicht abgeschlossen ist. Inwieweit sich diese und weitere im Rahmen des „SAFEWASTES“- Projekts charakterisierten Inhaltsstoffe aus anderen pflanzlichen Nebenprodukten in isolierter, hochkonzentrierter Form als Futtermitteladditive eignen, ist noch nicht abschließend zu beantworten. Hierfür sind die Ergebnisse laufender Untersuchungen zum Nachweis der Wirksamkeit und Unbedenklichkeit in vivo abzuwarten.

carle@uni-hohenheim.de
mknoedle@uni-hohenheim.de

Foto: © Matthias Knödler / Prof. Dr. Reinhold Carle

L&M 2 / 2008

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 2 / 2008.
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