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Forscher > Dr. med. Kurt Mosetter > Leistungsfähigkeit, Ernährungssteuerung und Regeneration

Leistungsfähigkeit, Ernährungssteuerung und Regeneration

Guter Zucker

Analyse und Interpretation von Creatinkinase-Werten, Harnstoff- und Harnsäurespiegeln sowie verschiedenen Elektrolyt- und Spuren­elementekonzentrationen im Serum wie Magnesium, Eisen, Kalium, Zink, Natrium und Calcium gehören zum etablierten Instrumentarium der Trainingssteuerung im ­Leistungssport. Auch die Durchführung einer Ausdauer­leistungs- diagnostik mit der Erhebung von Laktat­konzentrationen, Pulsfrequenzen oder VO2-max-Messungen gehören zum ständigen Repertoire.

Die Entleerung der Energiespeicher durch häufigen intensiven physischen Stress führt neben hohen Laktatkon­zentrationen auch zum Anstieg des kognitiv leistungshemmenden Ammoniaks [1]. In letzter Zeit gibt es aller­dings deutliche Hinweise, dass diese Parameter alleine nicht ausreichen, um innere Bremsen beim Erreichen des phy­sischen Optimums zu entdecken. In den Spielsportarten birgt außerdem der „Gruppenzwang“ weitere Gefahren, die eine individuelle Betrachtung der be­steh­enden Probleme erschweren.



Abb.1 Ein funktionierender und hochsensibler Insulinrezeptor garantiert die Aufnahme von ­Glukose über den insulinabhängigen Glukose-4-Transporter (GLUT 4) in die Zelle. Im Inneren der Zelle wird (im Zitratzyklus) ATP erzeugt oder es werden Glykogenspeicher angelegt. In den folgenden Schritten wird ATP verbraucht und recycelt. Erst im anaeroben Stoffwechsel steigen Laktat, Harnstoff und Ammoniak an [2]. Physical exercise stress führt im letzten Schritt zu ­oxidativem Stress und vermehrter Belastung durch freie Radikale

Einflussfaktoren der physischen Leistungsfähigkeit

Komplementär zu sportmedizinischen Leis­tungstests und Spielsportanalysen der jeweiligen sportartspezifischen Trai­ner­teams vermag eine detaillierte biochemische Beleuchtung der internistischen Blutbilder wertvolle zusätzliche Fakten in die Trainingssteuerung mit ein­zubringen. Über die Betrachtung einzelner Laborwerte und ihrer jeweiligen oberen und unteren Grenz­werte hinaus zeigen neue Erkenntnisse aus den Dis­ziplinen Neurochemie und Biochemie, dass die Vielzahl schein­bar isolierter Parameter in einem größeren gemeinsamen Wechselspiel zueinander steht. So können Leberwerte, Fettwerte, Laborparameter des Zuckerstoffwechsels, des Eisens, der Mineralstoffe und der Vitamine wertvolle Einsichten eröffnen. Das Verhältnis dieser Laborparameter untereinander erlaubt weit reichende Aussagen über Energiestoffwechsel, Stress­toleranz, Regenera­tionspotenzial, Verletzungsanfälligkeit und Leis­tungsfähigkeit bzw. Leistungsabfall. Steuer­ungen und Asymmetrien im Energiehaushalt, Homö­ostasestörungen sowie relative Zuckerverwertungsstörungen spie­geln sich schon sehr früh in relati­ven Laborwertschwankungen auch ohne Grenzwertüberschreitungen wider. Die Basisgleichung für die zellulären Pro­zesse im Leis­tungsstoffwechsel und in Regenerationsphasen sieht dabei wie folgt aus: Voraussetzung aller regelrechten und ökonomischen Abläufe im Stoffwechsel­ des Organismus ist ein effizienter Nähr­stofftransfer. Im Besonderen die Glukoseverwertung spielt eine entschei­den­de Rolle. Der zelluläre Energieträger ATP überträgt seine gespeicherte Energie in Form des dritten Phosphats auf andere Moleküle unter Bildung eines phosphorylierten Energieträgers bzw. Metaboliten (z.B. Glukose-6-phosphat, Fruktose-1-6-diphosphat u.a.) und kann sein Abbauprodukt ADP selbst immer ­wieder über Kreatinphosphat regenerieren. Dies ist die Voraussetzung für Muskelkontraktion. Bei hoher Leistungsanforderung kommt es jedoch zu einem sukzessiven Abbau zu Nukleotiden, die schließlich unter anaeroben­ und chronisch-ischämischen Bedingungen zu toxischen Endprodukten wie Ammoniak­ und Harnsäure ­führen. Ein weiteres Endprodukt ist das Superoxidradikal, das, im Überschuss produ­ziert wie z.B. durch falsche Ernähr­ung oder bei einer Infektion, die mole­ku­laren Strukturen der Zelle zerstört. Unter diesen Bedingungen eines Sauer­stoff­mangels springt der Hypoxia-inducible ­factor 1-alpha (HIF-1-alpha) ein (dieser neue Parameter könnte für die Trai­nings­steuerung bedeutsam werden), um das System­ so gut wie möglich zu schützen und den an­aeroben Extrembedingungen anzupassen [3].



Abb.2 Citratzyklus bei physiologischer Insulinstoffwechsellage.

1. Schritt

Ausgangspunkt für die ATP-Bildung sind die Stoffwechselwege Glykolyse und Fettsäure­abbau, die in den Zitrat­zyklus münden (Abb. 2) und die dabei entstandenen Re­duk­tions­äqui­valente NADH bzw. FADH in die Atmungs­kette einschleusen. Für die Bildung des Energieträgers ATP bei aku­tem­ Energiebedarf (Glykolyse) besteht die essenzielle Notwendigkeit, dass Glukose vom Äußeren der Zelle in ihr Inneres ge­langt. Dieser Schritt benötigt auf der Ober­fläche von Muskelzellen einen Insulinrezeptor, durch dessen Aktivierung im Inneren der Zelle eine Reaktionskaskade in Gang gesetzt wird, die schließlich den Glucose-4-Transporter (GLUT4) aktiviert. Jetzt kann Glukose in die Zelle aufgenommen werden [4]. Durch Überfrachtungen mit Kohlenhy­draten können bereits an dieser Schlüsselstelle des Energiestoffwechsels erhebliche Störungen einer Insulinresistenz-Sympto­matik auftreten [5].

2. Schritt

Regelmäßig wird in der Hochleistungs­sport­medizin ein großer Fokus auf die Glyko­gen­speicher gerichtet, deren darin enthaltene Glukose zur Energiegewinnung ab­gebaut wird (s.o.). Es wird dabei immer betont, dass gut gefüllte Glykogen­speicher ein Garant für Hochleistung sind. Die „Füllung“ dieser Energiespeicher und die spätere Mobilisierung der gespeicherten ­Energie sind jedoch abhängig von stabilen In­sulin­stoff­wech­sellagen mit funktionierenden Insulin­rezeptoren und freien Insulinsignalwegen ins Innere der Zelle. Der kritische Punkt einer Überschwemmung des Organismus mit Kohlenhydraten ist, dass nach einem Überschießen der Insulin­antwort und völliger Entfernung der Glukose aus dem Plasma eine Hypoglykämie folgt, die eine schnelle Nahr­ungsaufnahme mit konsekutiver Hy­per­­glykämie und über den Hypothalamus gesteuert erneut eine Insulinsekretion einleitet. Diese Wellenbewegung der In­sulin­antwort destabilisiert die gesamte Stoffwechsellage. Repetitiv erhöhtes Insulin aber verhindert den Abbau von Fettsäuren aus Fettzellen. Eine ketogene Stoffwechsellage , die nun die Energie für eine Dauerleistung bereitstellen könnte, wird so verhindert. Hyperglykämie, Hyperinsulinämie und partielle Insulinresistenz verhindern die regelrechte Anlage von Glykogenspeichern und das perfekte Timing der Glyko­­gen­mobilisatio­n (Abb. 3).



Abb.3 Insulinkaskade mit Glykogeneinlagerung bzw. -mobilisation.

3. Schritt

Der Abbau von ATP zu ADP und AMP spiegelt sich im Muskelsystem durch den Anstieg der Creatinkinase (CK) wider. Über Kreatinkontingente des Or­ganismus (ca. 150g) wird verbrau­ch­tes ADP aus dem Cytoplasma innerhalb der Mito­chondrien wieder zu ATP recycelt.

4. Schritt

Wenn ATP bei intakter Stoffwechsel­lage verbraucht wird, wird das entstehende ADP immer wieder regeneriert. Kommt es jedoch­ zu einer Ver­sor­gungskrise, wie es z.B. bei sehr häufigen intensiven Belastungen passiert, entstehen zahlreiche Metaboliten und Abbauprodukte. Dabei kommt es zu einer Verschiebung der Gleichung in Richtung leistungslimitierender Metabolik. Der Laktat/Pyruvat-Quotient ist ein wichtiger Indi­kator für das Verhältnis von aerob zu anaerobem Abbau von Glukose und Fettsäuren. Auch die leistungsbegrenzende Rolle von Ammoniak ist bekannt und beschrieben [6]. Ammoniak steigt im Steady-State der Laktatbelastung weiter an und wirkt subjektiv und messbar ­kognitiv limitierend [7]. Ein weiterer Metabolit im Leis­tungs­­energieverbrauch ist Harnstoff, der als Ausschei­dungsprodukt des im Abbau von Amino­säuren wie Glutamin anfallenden Am­moniaks dient.



Abb.4 Verlust der Glukose- und Insulinsensitivität führt zum Versagen der Verlagerung des ­Glukose 4 Transporters (GLUT 4) in die Zellmembran und zu dessen Funktionsverlust, während im Inneren der Zelle Glukose- und ATP-Mangelerscheinungen überhand nehmen. Im Zellinneren entsteht unter diesen Bedingungen vermehrt Laktat, Ammoniak, Harnsäure, oxidativer Stress und der HIF-1-alpha. Außerhalb der Zelle und im Blut belastet nicht verwertete Glukose die ­Leber, den Fettstoffwechsel und über Glycierungen die Hämoglobinwerte

5. Schritt*

Die Harnsäure ist dagegen das Abbau­pro­dukt von Nukleotiden wie ATP und dient als Anti­oxidans (s.o.). Harnstoff und Harnsäure steigen unter Bedingungen des anaer­oben Energiestoffwechsels sowie unter Glukose- und Fruktose-Überfrachtung an. Fruktose führt direkt zum Anstieg des Blut­drucks und der Harnsäure und hemmt die physiologischen Wir­kungen von Stickstoff­monoxid (NO). Stärke, Glukose und Fruktoseüberfrachtungen führen zu relativen In­­sulin­resis­tenz­be­dingungen mit reduzier­ten Aktivitäten des insulinabhängigen GLUT-4-­Transporters. Dies korreliert intrazellulär mit ­Energie- und ATP-Mangel­ und verändert die ­regelrechte Anlage von Glykogenspeichern. Gleich­zeitig findet sich hier die Ursache für steigende Fett­werte, vermehrt glykiertes Hämo­globin (HbA1c) und Stör­ungen des Leberstoffwechsels (γ-GT). 6. Schritt Kohlenhydrate schädigen Insulin produzie­rende Zellen durch oxidativen Stress. Die ultimativen Leistungs- und Regenerationsbremsen stellen in dieser Energiestoffwechsel-Basisgleichung die Endprodukte der freien Radikale (ROS) dar, allen voran das Superoxidradikal O2·– [8]. Es entsteht im Normalfall in geringem Maße (2–3%) in der Atmungskette beim Durchlaufen der Elektronen durch die Komplexe I–IV, bis sie korrekt auf Sauerstoff übertragen werden. Das Herausfallen aus dieser Kette und die direkte Übertragung auf Sauerstoff führen zur Bildung des Superoxidradikals. Das wird aber ebenfalls im Normalfall durch die SOD abgefangen. Eine Überschwemmung durch zu viele freie Radikale, wie sie z.B. bei zu viel schnell verfügbarer Nahrung wie kurzkettigen Kohlenhydraten auftreten kann, führt jedoch zu einer zusätzlichen und nicht mehr kontrollierbaren Radikalbildung­ und damit zu seiner Schädigung und Schwäch­ung [9]. Das Superoxidra­dikal entsteht unter intensivem physischen Stress und kann seine Schädigung im Gewebe fortsetzen, v.a. mit Eisen, das aus dem Abbau von Erythro­zyten stammen kann. Unter normalen Bedingungen kann es aber auch bei der Immunabwehr den Makrophagen beim Abtöten von Keimen helfen und hat daher ebenfalls eine den Organismus schützende Funktion.

7. Schritt

Reaktionen dieser Superoxidradikale mit NO, welches konstitutiv vorhanden ist und in physiologischer Dosierung gefäßerwei­ternd wirkt, führen zur Bildung von Peroxynitrat (OONO–), das zu den größten Zerstörern zellulärer Substrukturen und Ma­­kro­mole­külen zählt. Physiologisch nicht abgefangenes Superoxid (Abb. 4; Schritt 6) reagiert schließlich zu Wasserstoffperoxid, das mit Eisen (Fe++) zur Bildung des OH·–Radikals führt, welches als das aggressivste ­Radikal angesehen werden muss, gegen das es keine biologische Abwehr gibt. Diese anae­roben und ischämischen Stoffwechsel­be­ding­ungen­ rufen den HIF-1-alpha auf den Plan. Im Dienste eines akuten Schutzsystems kann er kurzfristige Anpassungen ermöglichen.

8. Schritt

Die Stoffwechselbelastungen dieses Schrittes entwickeln sich synchron am Regelkreis der ­Zuckerverwertung am Insulinrezeptor. Währ­end die Einschleusung der Glukose über den Glukosetransporter ins Innere der Zelle stockt, wird überschüssiger Zucker außerhalb in Fett um­gebaut und führt zur Glykier­ung wichtiger ­Enzyme, wird unter anderem belastend an Hämoglobin angehängt und schädigt den Leberstoffwechsel (γ-GTé, Cho­lesterin é, HbA1c é). Glykierungs­pro­dukte werden als AGE (Advanced Glycated­ Endproducts) bezeichnet und sind sehr gut mess­bar. Als Messparameter hierfür steht das gly­kierte Hämoglobin (HbA1c) zur Verfügung.

Fazit

Um Leistungs-, Energie- und Regenerations­stoffwechsel zu optimieren, leiten sich zwei Hauptziele ab: Je mehr ATP intrazellulär zur Verfügung steht bzw. je besser ATP reguliert wird und je weniger freie Radikale ­entstehen bzw. je effektiver sie entsorgt werden, umso ­stabiler und robuster ist der Organismus. Der ATP-Haushalt ist umso besser, je mehr Glukose bzw. freie Fettsäuren in der Zelle verfügbar sind. Je ökonomischer die Insulin­ausschüttung und der Insulinrezeptor arbeiten, umso stabiler zeigt sich das System und umso weniger­ kann eine zu hohe Plasmakonzentration an freier Glukose Zellwände, Membranen, Hämoglobin und andere Enzyme und Proteine mit „Glykierungen“ belasten. Bisher „unauffällige“ Normwerte für Diabetiker mit HbA1C-­Werten ab 6,1 sind veraltet. Für gesunde Menschen­ und vor allem Hochleistungssportler sind „jungfräuliche“ HbA1C-Werte von unter 5 anzustreben. Werte von 5,5 sind schon gleichbedeutend damit, dass die optimale Sauerstoffbindung und Abgabe­kapazität wesentlich beeinträchtigt ist, da aktive Zentren des Hb tatsächlich „verschmiert“ sind und der Energie­stoffwechsel belastet ist. Das bedeutet, dass bei Werten über 5 die Glukose­ver­wertung nicht optimal läuft. Es kann zu partiellen Insulinresistenzen und daraus resultierend zu Leistungsminderung und verzögerte ­Regeneration kommen [10].

Bild: © fotolia.com | baibaz

Stichwörter:
diagnostik, Leistungssport

L&M 5 / 2014

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 5 / 2014.
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