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L&M-2-2013 > Schillings Ecke

Schillings Ecke

Was riecht denn da?
Schöne wohl riechende Welt: Wir leben heute in einer Gesellschaft, in der Körpergeruch geradezu verpönt ist. Während für unsere frühesten Vorfahren Duftmarken sehr wahrscheinlich von Vorteil waren, leben wir nun umgeben von Wohlgerüchen, die Deos, Parfüms, wohl riechende Cremes und duftende Ingredienzien verströmen und den ureigenen Körpergeruch aus unseren Nasen verbannen.

Schwitzen muss sein

Die ekkrinen Schweißdrüsen, die über den ganzen Körper verteilt sind, können täglich einige Liter Schweiß produzieren. Das zunächst praktisch geruchlose Sekret besteht zu über 95 % aus Wasser, der Rest setzt sich zusammen aus Salzen (Na+, K+, Mg2+, Cl-, PO4 3-), Fettsäuren, Aminosäuren, Ammoniak, Harnstoff, Harnsäure, Milchsäure und Glucose. Die Haut scheidet ständig Schweiß aus, wobei die Menge und Zusammensetzung von individuellen Faktoren bestimmt wird, wie sie etwa bei Sport und Arbeit, in Ruhe, bei Erregung, Angst oder bestimmten Gemütszuständen beobachtet werden. Der Mensch schwitzt ständig geringfügig und regelt über die Verdunstung seine Körpertemperatur. Der pH-Wert von Schweiß ist leicht sauer, eine stabile Säurekonzentration erschwert Bakterien und Pilzen, sich unkontrolliert zu vermehren. Die überall auf der Körperoberfläche angesiedelten Bakterien sind es, die uns den unangenehmen Geruch verpassen, indem sie die ausgeschiedenen Substanzen zu kurzkettigen Carbonsäuren abbauen, vor allem zu den beiden streng riechenden Substanzen Buttersäure und Ameisensäure. Der Körper entsorgt über den Schweiß aber auch Stoffwechselprodukte aus Genuss- und Nahrungsmitteln.

Körperdüfte

Wichtigster Hort für den typischen individuellen Körpergeruch sind vor allem die Achselhöhlen. Hier befinden sich außer den ekkrinen die so genannten apokrinen Schweißdrüsen, die ein öliges, farblos bis gelblich milchiges Sekret absondern. Auch in der Kopfhaut, im Genitalbereich, an Händen und Füßen befinden sich diese Sekretionsdrüsen.

Androgene Steroide

Die ersten als „Duftmoleküle“ identifizierten Substanzen stammen aus der Gruppe der Steroide. Androstenon und Androstenol wurden in männlichen Achselhöhlen identifiziert und werden selbst in minimalen Konzentrationen noch wahrgenommen. Während Androstenol moschusartig riecht, scheint die individuelle Geruchsempfindung von Androstenon – individuell nach Urin oder süßlich nach Vanille riechend empfunden – vom genetischen Code des Geruchsrezeptors anzuhängen.
Sind die beiden Substanzen zusammen mit einer weiteren Komponente, dem Andro stadienon, menschliche Pheromone? Die Konzentrationsunterschiede im Achselschweiß bei Männern und Frauen sind jedenfalls erheblich –1134 pmol/24 h gegenüber 13 – 39 pmol/24 h. Eine positive Antwort scheint es darauf zu geben, nachdem in den letzten Jahren die Wirkung von Androstadienon auf Laune, kognitive Fähigkeiten etc. intensiv untersucht wurde (z. B. C.Wyart et al.; J. Neurosci. 2007, 1261 – 1265). Es ist bemerkenswert, dass Androstenol und Androstenon als Pheromone im Speichel des Ebers vorkommen, der damit Bachen bezirzt.

An der Wahrnehmungsgrenze: Carbonsäuren und Thioverbindungen

Schweiß enthält eine komplexe Mischung von flüchtigen kurzund längerkettigen Kohlenwasserstoffen, Alkoholen, Carbonsäuren, Ketonen und Aldehyden. Der Arbeitsgruppe um den Schweizer A. Natsch gelang es, im Achselschweiß in geringsten Mengen vorkommende Carbonsäuren zu identifizieren (J. Biol. Chem. 2003, 278 5718 – 5727). Außer der schon früher bekannten 3-Methyl-2-hexensäure isolierten sie auch die 3-Hydroxy-3-methylhexansäure. Die menschliche Nase nimmt diese Substanz, obwohl sie wegen ihrer Wasserlöslichkeit wenig flüchtig ist, noch in der geringen Konzentration von 0,0044 ng/L wahr. Beide Verbindungen sind neben einer Vielzahl weiterer Carbonsäuren, darunter auch der für den Geruch von Ziegen und Ziegenkäse verantwortlichen 4-Ethyloctansäure, die Hauptgeruchskomponenten (A. Natsch; Ch. i. u. Z. 2012, 110 –116). In noch geringerer Konzentration kommen Thioverbindungen vor. Wahrgenommen werden sie bei dem außergewöhnlich geringen Schwellenwert von etwa 1 pg/L. Neben der Hauptkomponente 3-Methy-3-thiohexanol wurden auch die beiden Enantiomeren 3-Thiohexanole identifiziert. Das an Grapefruit erinnernde R-Isomere ist als Bestandteil vieler Weißweine bekannt, während das S-Isomere schweiß- und zwiebelartig riecht. Wegen ihres analogen Kohlenstoffgerüsts dürften die Thioverbindungen wohl aus den gleichen Vorläufermolekülen wie die Carbonsäuren stammen. Das aus den apokrinen Drüsen stammende Sekret, aus dem die Substanzen stammen, ist weitgehend geruchsfrei. Erst Coryne- Bakterien setzen enzymatisch aus Vorläufermolekülen – Glutaminsäureamide bzw. Cystein-Glycin-Addukte – die eigentlichen Duftstoffe frei.

Der individuelle Körperduft

Jeder Mensch besitzt seinen eigenen, unverwechselbaren Körperduft, der ihn so unverwechselbar macht wie ein Fingerabdruck. Daran ist das Immunsystem wesentlich beteiligt, denn die so genannten MHC-Gene (Major Histcompatibility Complex) codieren exakt dieselben Proteine für jede Zelle eines Individuums. Bei ihrem Zerfall gelangen die Abbauprodukte auch in die Schweißdrüsen und erzeugen dabei den individuellen Duftcocktail. Die Gruppe um D. J. Penn vom Konrad Lorenz Institut für Ethnologie in Wien gingen dieser Frage in einer aufwändigen Studie nach und sammelten den Schweiß von 197 Erwachsenen eines Bergdorfs (J. R. Soc. Interface 2007, 4, 331 – 340). Von den bei der GC/MS-Analye festgestellten 4941 flüchtigen Komponenten blieben 373 über die gesamte Untersuchungszeit konstant. 44 Substanzen konnten Alkoholen, Aldehyden, Ketonen, Estern und Kohlenwasserstoffen zugeordnet werden, z.B.: 2-Phenylethanol, a-Terpineol, Geraniol, Eugenol, Isoeugenol, Tridecanol, Geranial, Undecanal, Tridecanal, Lilial, Jasmon, a-Ionon, Benzophenon, a-Terpinylacetat, Acetylzimtsäure, Hexenylacetat, Dodecyl-, Tridecyl- Tetradecylbenzoat, 4-Phenyltridecan, 3-Methyloktadecan. Sie liefern ein individuell unterschiedliches, reproduzierbares und geschlechtsspezifisches Duftprofil. Damit war zum ersten Mal nachgewiesen, dass der Schweiß eine individuelle chemische Signatur besitzt. Offen bleibt dabei, ob der Geruch durch die Eiweißabbaustoffe des AMC-Systems entsteht oder das Immunsystem die Bakterienflora der Haut bestimmt und darüber individuelle Duft mischungen erzeugt werden. Antitranspirantien und Desodorants enthalten Aluminiumsalze und antimikrobielle Substanzen, um den Schweißfluss einzudämmen und den Mikroben Einhalt zu gebieten. Der individuelle Körperduft verschwindet und der Verstand und das Gefühl müssen heute entscheiden, ob man jemand „riechen kann“ oder nicht.

Foto: © Dr. Gehard Schilling

L&M 2 / 2013

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 2 / 2013.
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