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China als Supermacht

Chinesische ­Impressionen

Mit dem Tode Mao Tse-Tungs am 9. September 1976 ­endete die ­zehn­jährige Kulturrevolution und es begann der erstaunliche ­Aufschwung Chinas, wohl der erstaunlichste Aufschwung eines Landes, den man je beobachten konnte. Die Wirtschaft erholte sich rasch, das gesell­schaftliche Leben wandelte sich grund­legend und in allen Schichten wurde alles daran gesetzt, den Wohlstand zu mehren. Innerhalb von 37 Jahren schaffte es ­China, Exportweltmeister zu werden. Auch in ­anderen Bereichen nimmt es Top­positionen ein:

Bewusst verfolgt die chinesische Regierung als Programm eine Politik, die das Erreichen von Toppositionen vorgibt, um damit die Größe und Bedeutung des Landes zu demonstrieren. Bei den wirtschaftlichen Erfolgen nimmt es China in Kauf, dass auf die Umwelt keine hinreichende Rücksicht genommen wird. Es gibt zwar eine Reihe ausreichender Gesetze, um die Verschmutzung zu verhindern oder zu reduzieren. Die Realisierung der gesetzlichen Vorschriften ist aber bisher unzureichend, sie bleiben oftmals ohne Wirkung.



Donghai-Brücke 
Quelle: Zhang 2008

China auf dem Weg zur Wissenschaftsmacht

Während die wirtschaftliche Situation hinreichend bekannt ist, ist das Wissen um die Situation von Wissenschaft und Bildung eher gering. Auch in diesem Bereich strebt China die Angleichung an die führenden Nationen an, auch wenn das selbst gesteckte Ziel noch entfernt liegt. Der ehemalige Staats- und Parteichef Hu Jintao hat seine Vorstellung von einem innovationsorientierten China so formuliert: „Wissenschaft und Technologie spielen eine große Rolle in der Förderung der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Ent­wicklung und in der Gewährleistung der Sicherheit des Staates. Die Fähigkeit zur Grundlagenforschung und der Forschung im ­wissen- schaftlichen Neuland muss sich ­be­trächt­lich erhöhen, und eine Reihe wissenschaftlicher und technologischer Errungenschaften von Weltklasse sollen erzielt werden.“ China ist auf dem besten Weg zu einer Wissenschaftsmacht. Massive öffentliche Investitionen in Forschung und Entwicklung und der große Pool an Wissenschaftlern und Ingenieuren ebnen den Weg an die Spitze. Diese Tendenz belegen die folgenden Zahlen:

// In der Zeit von 1980 bis 2010 ist die Zahl der Universitäten und Hochschulen um das Vierfache gestiegen, von 675 auf 2.358.
// Die Zahl der Studenten an Universitäten und Hochschulen ist von 1980 bis 2010 um das Zwanzigfache angestiegen, von 1,144 Mio. auf 22,318 Mio.
// Die Zahl der Dozenten an Universitäten und Hochschulen ist in der Zeit von 1980 bis 2010 um fast das Sechsfache gestiegen, von 247.000 auf 1,343 Mio.
// Die Zahl der Hochschulabsolventen stieg von 1980 bis 2010 um mehr als das Vierzigfache, von 147.000 auf 5,754 Mio.
// 2010 wurden an chinesischen Hochschulen 6,618 Mio. Studierende immatrikuliert, 285.000 absolvierten ein ­Auslandsstudium.

Ein Maß für den Anstieg der wissenschaftlichen Aktivitäten sind Publikationen, z.?B. in der Chemie. Ganz allgemein gilt für Asien, dass die Zahl der Publikationen ­zwischen 2004 und 2011 stark angestiegen ist und 2011 sogar die der Europäer übertraf. Im Hinblick auf China ist festzustellen, dass es bei fünf Chemiezeitschriften an erster Stelle steht: Chemistry – A European Journal, European Journal of Organic Chemistry, ChemSusChem, ChemCatChem, ChemPlusChem, in zwei Fällen an zweiter Stelle ­(European Journal of Inorganic Chemistry, ChemPhysChem) und in einem Fall an dritter Stelle (Angewandte Chemie), während Deutschland ebenfalls fünf erste Positionen und die USA zwei erste Positionen besetzen. Auch hier zeigt sich die rasante Entwicklung Chinas im Chemiebereich. Seit 1999 sind die F&E-Investitionen in China jedes Jahr um mehr als 20% gestiegen. Ganz bewusst wird ein System von 33 Eliteuniversitäten aufgebaut und die Academica Sinica, die Chinesische Akademie der Wissenschaft mit ihren Forschungsschwerpunkten, die zum großen Teil im Bereich der angewandten Forschung angesiedelt sind, fügt sich in dieses System ein. Dementsprechend wurde auch die Kapazität der Ausbildung von Studierenden erhöht. In welch hohem Kurs die deutsche universitäre Ausbildung in China steht, sieht man am Chinesisch-Deutschen-Hochschulkolleg in Shanghai (CDHK). Dieses Hochschulkolleg ist eine Einrichtung, die vom Auswärtigen Amt und vom Deutschen Akademischen Austauschdienst finanziert und gefördert wird. Es hat zum Ziel, Bachelor-Studenten zum Master in den Gebieten Elektrotechnik, Maschinenbau, Kfz-Technik, Wirtschaftswissenschaften und Recht zu führen und zwar nach deutschen Universitätsprogrammen mit Deutsch als Unterrichtssprache – ein Beleg dafür, dass das deutsche Diplom gerade in den Ingenieur- und Naturwissenschaften in China hohes Ansehen genießt. Da man davon auszugehen hat, dass fast jeder Studienanfänger nach der Regelstudienzeit auch die Universität mit einem Abschluss verlässt, ist in den nächsten Jahren mit 4 bis 5 Mio. Absolventen zu rechnen, die einen Platz auf dem Arbeitsmarkt suchen. Da nicht alle eine entsprechende Arbeitsstelle finden können, wurde die Phase des explosionsartigen Wachstums für beendet erklärt und die Zahl der Studienplätze eingefroren. Standen Anfang der 1990er-Jahre quantitative Gesichtspunkte im Vordergrund, ist heute der Grundsatz „Qualität statt Quantität“ maßgebend. Aufgrund der hohen Absolventenzahlen chinesischer Universitäten wird deutlich, dass China für seine Entwicklung über ein großes Potenzial gut ausgebildeter und motivierter junger Menschen verfügt.



Der Chinesische Pavillon von der EXPO in Shanghai 2010Quelle: Jing Daily



Tiefsee-Container-Hafen Yangshan Shanghai

Schlussbetrachtung

Kürzlich wurde ich in einem Seminar gefragt: „Die besseren Köpfe? – deutsche und chinesische Absolventen im Vergleich“. Ich habe dazu geäußert, dass nicht die einen oder die anderen die besseren Köpfe haben oder intelligenter sind, dass es aber zwischen Chinesen und Deutschen große Unterschiede gibt. Sicherlich sind beide Seiten gleichwertig, aber unterschiedlich aufgrund ihrer kulturellen Vielfalt und ihrer Erziehung. Vielleicht kann man das am besten mit einer Definition von Liu Zhengrong zum Ausdruck bringen: „Eine der Stärken der Deutschen ist das analytisch Strukturierte. Die große Stärke der Chinesen liegt in der Spontanität.“ Das sollte man immer bedenken, wenn man mit Chinesen zusammenarbeitet und feststellen muss, dass die Gedanken der beiden in verschiedene Richtungen gehen. Das kann man im täglichen Leben immer wieder beobachten. Beachten sollte man auch bei allen quali­tativen und quantitativen Angaben, dass sich China in einem permanenten Experimentierzustand befindet. Es ist ein großes Laboratorium, in dem man keine Scheu hat, gestern noch Gültiges komplett neuen Gegebenheiten anzupassen. In seinem Aufsatz hat Jürgen Bertram die Situation treffend beschrieben mit: „China im Orkan des Wandels“.

L&M 7 / 2013

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 7 / 2013.
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