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Metallorganische Gerüstverbindungen – Rekordhalter der Porosität

Die Suche nach der unendlichen Leere

Metallorganische Gerüstverbindungen haben in den letzten Jahren Rekordwerte in Bezug auf die spezifische Oberfläche erreicht. Über 7.000 m2/g sind erreichbar! Ihr modularer Aufbau und die große Zahl an Funk­tionalitäten, die ins Gitter eingebaut werden können, lassen sie für vielfältige Anwendungen interessant und viel­versprechend erscheinen.

Metallorganische Gerüstverbindungen – der Lego-Baukasten für Anorganiker

Bestechend einfach ist der Aufbau der metall­organischen Gerüstverbindungen (MOFs). Man nimmt einfach eine Di- oder Tricarbonsäure, z. B. Terephthalsäure, und setzt mit Übergangs­metallsalzen um, z.B. Zink- oder Kupfer­nitrat. In Lösung bilden sich dann die anorganischen Cluster, z.B. Zn4O-Cluster oder Cu2(OOC-)4-Schaufelräder (Abb. 1) [1–3], die als Knotenpunkte fungieren und die Carbonsäuremoleküle an die Ecken von sehr symmetrischen Polyedern (Oktaeder, Quadrate) positionieren. Durch den bi- oder trifunktio­nellen Aufbau der Carbonsäuren (Linker-Moleküle) können nun die Cluster in drei Dimensionen unendlich vernetzt werden. Dieses Strukturprinzip, federführend von Omar Yaghi, Susumu Kitagawa sowie Gérard Férey entdeckt, hat zu einer Vielzahl neuer Verbindungen geführt, die extrem hohe Porösitäten, maßgeschneiderte Poren­größen sowie funktionelle Gruppen auf der inneren Oberfläche aufweisen, welche für unterschiedliche Anwendungen genutzt werden können [4]. So sind heute über 10.000 metall­organische Gerüstverbindungen bekannt. Rekorde liegen bei ca. 7.000m2/g innere Oberfläche (BET) – damit übersteigen die Werte deutlich die von klassischen Adsorbentien (Aktivkohlen und Zeolithen) realisierten spezifischen Oberflächen.


Abb.1 Modularer Aufbau von MOFs am Beispiel von Cu3(BTC)2

Die ersten Materialien wurden Ende der 1990er-Jahre synthetisiert. Heute kann man sagen: Die Zahl der metallorganischen Gerüstverbindungen ist nahezu explodiert. So kristallisieren sich nach ca. 15 Jahren akademischer Forschung nun die ersten potenziellen Anwendungen in unterschiedlichen Bereichen heraus: Energiespeicherung, Gastrennverfahren, Katalyse etc. Ebenso haben sich bereits erste kleine Firmen gegründet, welche metallorganische Gerüstverbindungen für Forschungszwecke oder auch als Muster für die Industrie anbieten.

Anwendungsfeld Energiespeicherung

Schon früh wurden MOFs als Energiespeicher für Gase wie z.B. Wasserstoff und Methan pos­tuliert [5]. Wasserstoff jedoch kann nur bei nie­drigen Temperaturen gespeichert werden (77 K). Daher gelten Wasserstoffspeicher, basierend auf MOFs, als Langfristforschungsthema. Im Gegensatz dazu kann Methan (Erdgas) bei Raumtemperatur und Drücken zwischen 30 und 100 bar [6–10] gespeichert werden. Hierbei ergeben sich deutliche Vorteile in Bezug auf die Kapazität. So können bis zu dreifach größere Mengen Methan in einem MOF-basierten Speicher im Vergleich zu einer leeren Druckgas­flasche (Abb. 2) adsorbiert werden. DUT-49 gehört dabei zurzeit weltweit zu den Rekordhaltern in Bezug auf die gravimetrische Methanspeicherkapazität (Abb. 3) [7]. Trotzdem gibt es noch eine Reihe von Herausforderungen, bevor derartige MOF-Speicher in den Markt kommen können. So entstehen beim Tanken große Wärme­mengen (Adsorptionsenthalpie), die abgeführt werden müssen. Hierzu sind geeignete Wärme-Management-Konzepte zu entwickeln. Zudem sind Massenmärkte schwierige Einstiegsmärkte für neue Materialien aufgrund des hohen Preisdrucks. Federführend wird die Kommerzialisierung derzeit bei BASF vorangetrieben, wo man bereits Modellfahrzeuge mit derartigen Erdgasspeichern, basierend auf MOF, entwickelt hat. Besonders attraktiv sind dabei Märkte, die eine Verteilerstruktur im mittleren Druckbereich (60 bar) avisieren. In Nordamerika sind zudem Erdgas getriebene Fahrzeuge auf dem Vormarsch, da die Schiefergasförderung zu niedrigen Gaspreisen geführt hat.


Abb.2 Methanentladungskurven von MOF-gefüllten Tankflaschen (bei 20°C)


Abb.3 Multimodale Porenstruktur in DUT-49 (DUT = Dresden University of Technology) mit Angabe der Porengröße

Die große freiwerdende Wärme bei Adsorptionsprozessen kann jedoch auch zur Latentwärmespeicherung genutzt werden. Derartige Systeme werden bspw. in Klimaanlagen und Wärmepumpen eingesetzt (Abb. 4) [11–13]. Hier werden typischerweise Zeolithe und SiO2-Materialien eingesetzt. MOFs eignen sich jedoch auch hervorragend aufgrund ihrer hohen Wasseraufnahmekapazität. Zudem kann der Partialdruck (relative Luftfeuchte), bei der das MOF das Wasser aufnimmt bzw. abgibt, durch Einstellung von Porengrößen und die Integration von hydrophoben Gruppen auf der inneren Oberfläche variabel eingestellt werden. Auf diese Weise kann der Energiebedarf stark optimiert werden.


Abb.4 Mit MOF beschichteter Wärmetauscher Bild: DECHEMA Roadmap MOF

Gase reinigen und trennen

Eine Stärke der MOFs ist die modulare Einstellung von Porengrößen und funktionellen Gruppen. Auf diese Art und Weise können aus Gasgemischen sehr selektiv bestimmte Moleküle entfernt werden [14]. Ein gutes Beispiel ist die Entfernung von schwefelhaltigen Komponenten (z.B. Thiophen) aus Kraftstoffen oder Schwefelwasserstoff aus Luft [15,16]. Derartige Trennverfahren sind für die Reinigung von Kraftstoffen, die Reinigung von Atemluft, aber auch für industrielle Verfahren von Bedeutung. So könnte man sich vorstellen, mittels MOF-Materialien auch anspruchsvollere industrielle Trennverfahren wie z.B. die Propan/Propen-Trennung zu bewerkstelligen, die industriell destillativ extrem energieaufwendig ist. Erste Arbeiten zeigen, dass bestimmte Materialien aufgrund der unterschiedlichen Geschwindigkeit der Aufnahme von Propen und Propan prinzipiell geeignet sind, derartige Trennungen zu bewerkstelligen [17–19]. MOFs können zudem in Gasfiltern für die Reinigung von toxischen Gasen eingesetzt werden. Hierzu werden MOFs in Textilien integriert, z.B. durch Elektrospinnen (Abb. 5).


Abb.5 Integration von MOFs in Fasern durch Elektrospinnen

MOF-Sensoren und Katalyse

Durch definierte Eigenschaftsänderungen wie z.B. der Farbe bei der Aufnahme von Molekülen, aber auch die Gewichtsänderung eignen sich MOFs sehr gut für die Integration in Sensoren [20, 21]. Sie können so für die Überwachung von Raumluft dienen oder auch die Langzeit-Feuchtemonitorierung innerhalb von industriellen Umgebungen unterstützen. Schon früh wurden von Forschungsgruppen MOFs als Katalysatoren eingesetzt. Die Möglichkeit, unterschiedliche Metalle in den Größenstrukturen zu verankern, führt zu zahlreichen potenziellen Anwendungen im Bereich der Katalyse. So wurden heute bereits rhodiumhaltige MOFs publiziert [22], die für Hy­drierungen geeignet sind. Ebenso existieren palladiumhaltige MOFs. Trotz dieser naheliegenden Anwendungen ist zu sagen, dass das Verständnis der katalytischen Aktivität noch in den Kinderschuhen steckt. Ein wirkliches Ver­s­tändnis der Aktivität und damit auch der gezielten Nutzung katalytisch aktiver Zentren in MOFs ist nur erreichbar, wenn man die Defektchemie dieser Materialien verstehen und nutzen kann. So ist davon auszugehen, dass in MOFs zahlreiche Defekte durch fehlende Metallzentren vorliegen, aber auch Metallzentren, die Abweichungen von der idealen Geometrie aufweisen, gebildet werden können. Problematisch ist auch, dass Metalle, welche katalytisch aktiv sind, häufig ihre Koordinationssphäre im Laufe eines Katalysezyklus ändern. Sind sie Teil eines rigiden Netzwerks, so ist dies nicht möglich. Wenn sie andererseits ihre Koordination ändern, bricht das Netzwerk zusammen. Auch dieses inhärente Problem zeigt, dass katalytisch aktive Zentren nur als defekte Fehlstellen oder Fremdatome eingebaut werden können. Ein alternatives Konzept nutzt die funktionellen Gruppen von Linkern zur Koordination weiterer Metalle. Auf diese Weise wurden z.B. hochselektive und auch sehr aktive enantioselektive Katalysatoren generiert [23].

Die Aufskalierung von MOFs ist heute als beherrschbar anzusehen. Anfang des Jahrtausends wurden MOFs in Milligrammmengen in Form von Einkristallen synthetisiert (Abb. 6). Mittlerweile kann man viele MOFs im 10-kg-Maßstab synthetisieren und auch die Formgebung wurde bereits entwickelt (Kugeln, Monolithe etc.) [24]. Zwar sind die Preise aufgrund der geringen produzierten Mengen noch relativ hoch, es ist aber abzusehen, dass der Preis unter 100 EUR/kg gesenkt werden kann, wenn die Synthesen in größeren Maßstäben durchgeführt werden.


Abb.6 Aufskalierung von MOF-Produkten in Dresden bis in den 10 kg-Maßstab

MOF-Schalter

Die faszinierendste Eigenschaft von MOFs ist jedoch, dass sie ihre Porosität auch schalten können [25]. So existieren eine Reihe von Materialien, die in Abhängigkeit vom jeweiligen Druck ihre Poren entweder auf- oder zumachen. Sie werden auch als atmende MOFs bezeichnet. Dabei schalten alle Elementarzellen in einem MOF gleichzeitig von einer porösen offenen Struktur in eine geschlossene Struktur bzw. umgekehrt (Abb. 7). Durch Schalten gelangt man so von einem Material, das unporös ist, zu einem Material mit einer spezifischen Ober­fläche von bis zu mehreren 1.000m2/g des Materials. Getriggert werden diese Schaltvorgänge durch kleine Moleküle bei einem ganz bestimmten Partialdruck. Dieses druckinduzierte Schaltverhalten ist einzigartig und wird auch als „gating“ oder „atmen“ der MOFs bezeichnet [25, 26].


Abb.7 Schaltbare MOFs können reversibel ihre Struktur von einem geschlossenen zu einem offenen Zustand ändern.

Ausblick

Die Welt der MOFs entwickelt sich geradezu exponentiell. Während in den ersten Jahren die MOF-Synthese und grundlegende Eigenschaften im Fokus standen, geht der Trend heute stärker in Richtung Systemintegration und Produktentwicklung. Aktuelle Trends zielen auf die Integration in elektronische Systeme ab [27, 28]. Zu dieser Thematik wurde 2015 ein neues DFG-Schwerpunktprogramm bewilligt. Hierzu wird es nötig sein, auch Bandstrukturen, Ladungstransportmechanismen und magnetische Eigenschaften intensiver zu beleuchten. Der modulare Aufbau hat aber auch Organiker und Polymerchemiker inspiriert, nach Wegen zu suchen, metallfreie dreidimensionale Netzwerke nach dem Lego-Prinzip aufzubauen. Die Suche nach neuen porösen Materialien und ihren Eigenschaften scheint keine Grenzen zu kennen. Es gibt noch viel Neues zu entdecken!

Literatur
[1] Chui, S. S.-Y. et al. (1999) Science, 283, 1148
[2] Meek, S. T. et al. (2011) Adv. Mater. 23, 249
[3] Kaskel, S. (2005) Nachr. Chem. 53, 394
[4] Furukawa, H. et al. (2013) Science, 341
[5] Rosi, N. L. et al. (2003) Science 300, 1127
[6] Senkovska, I. & Kaskel, S. (2008) Microporous Mesoporous Mater. 112, 108
[7] Stoeck, U. et al. (2012) Chem. Commun. 48, 10841
[8] Gándara, F. et al. (2014) J. Am. Chem. Soc. 136, 5271
[9] Peng, Y. et al. (2013) J. Am. Chem. Soc. 135, 11887
[10] He, Y. et al. (2014) Chem. Soc. Rev. 43, 5657
[11] Jeremias, F. et al. (2013) Dalton Trans. 42, 15967
[12] Henninger, S. K. et al. (2012) Eur. J. Inorg. Chem., 2625
[13] Kaskel, S. et al. (2014) Positionspapier metallorganische Gerüstverbindungen (MOFs), DECHEMA Frankfurt, M.
[14] Barea, E. et al. (2014) Chem. Soc. Rev. 43, 5419
[15] Müller, U. et al. (2006) J. Mater. Chem. 16, 626
[16] Nickerl, G. et al. (2014) Inorg. Chem. Front. 1, 325
[17] Hara N. et al. (2014), J. Membr. Sci. 450, 215
[18] Li, K. et al. (2009) J. Am. Chem. Soc. 131, 10368
[19] Liu, D. et al. (2014) J. Membr. Sci. 451, 85
[20] Hu, Z. et al. (2014) Chem. Soc. Rev. 43, 5815
[21] Kreno, L. E. et al. (2011) Chem. Rev. 112, 1105
[22] Nickerl, G. et al. (2014) J. Mater. Chem. A 2, 144
[23] Ma, L. Q. et al. (2009) Chem. Soc. Rev. 38, 1248
[24] Materials Center www.metal-organic-frameworks.eu
[25] Schneemann, A. et al. (2014) Chem. Soc. Rev. 43, 6062
[26] Férey, G. & Serre, C. (2009) Chem. Soc. Rev. 38, 1380
[27] Talin, A. A. et al. (2014) Science 343, 66
[28] Stavila, V. et al. (2014) Chem. Soc. Rev.43, 5994

L&M 7 / 2015

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 7 / 2015.
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