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Chemie 2015

Chemie 2015

Der Werkzeugkasten der Zellen für die Reparatur von DNA

Wie die Königliche Akademie der Wissenschaften in Stockholm am 7. Oktober dieses Jahres verkündete, teilen sich in diesem Jahr den Nobelpreis für Chemie drei Wissenschaftler: Tomas Lindahl, Paul Modrich und Aziz Sancar für ihre Arbeiten zur Aufklärung der molekularen Mechanismen der Reparatur von DNA-Schädigungen und die Sicherung der genetischen Information. Die Arbeiten der ausgezeichneten Wissenschaftler liefern fundamentale Kenntnisse darüber, wie lebende Zellen funktionieren, Kenntnisse, die etwa zur Ent­wicklung neuer Krebs­behandlungsmethoden führen können. Die Preisträger haben damit voll den im Testament vom Preisstifter Alfred Nobel formulierten Bedingungen für die Zuerkennung des Preises (die allerdings später modifiziert worden sind) entsprochen. Der Preis ist mit 8 Mio. Schwedischen Kronen (etwa 850.000 Euro) dotiert und wird zu einem Drittel an jeden der Preisträger vergeben.

Unsere DNA wird jeden Tag etwa durch UV-Strahlen, durch freie Radikale und andere krebserzeugende Substanzen geschädigt, aber auch ohne externe Einflüsse ist das DNA-Molekül von Natur aus unstabil. Täglich passieren Tausende von spontanen Änderungen in unseren Genen. Darüber hinaus treten jede Menge Defekte bei der Zellteilung (siehe Abb. 1) auf – ein Prozess, der jeden Tag millionenfach im menschlichen Körper stattfindet. Trotzdem ist die in den Genen gespeicherte Information bemerkenswert stabil. Der Grund dafür, dass unser genetisches Material nicht in kurzer Zeit im chemischen Chaos endet, besteht darin, dass eine ganze Schar von Molekülen in der Zelle kontinuierlich nach Fehlern in der DNA sucht und diese Fehler dann auch repariert. Die ausgezeichneten Laureaten haben etliche von diesen Reparatur­mechanismen auf molekularer Ebene aufgeklärt.


Abb.1 DNA-Replikation
(Originalabbildung)

Zu den Arbeiten der Laureaten:

DNA-Reparatur durch Ausschneidung von Basen

Bis in die frühen 70er-Jahre galt die DNA als ein extrem stabiles Molekül. Tomas Lindal demonstrierte als Erster, dass es damit nicht weither war. Er wies nach, dass der Träger der Erbinformation in einem Zeitfenster zerfällt, was die Entwicklung von Leben auf der Erde unmöglich macht. Bevor sich ein Organismus entwickeln könnte, sollte die dafür notwendige Informationsübertragung im Chaos enden. Das war aber offensichtlich nicht der Fall. Diese Einsicht führte bei Lindahl zur Entdeckung einer molekularen Maschinerie der DNA-Reparatur durch Ausschneidung von Basen (base excision repair), die andauernd dem Kollaps der DNA entgegenwirkt (siehe Abb. 2).


Abb.2 Reparatur durch Ausschneidung von Basen
(Originalabbildung)


Abb.3 DNA-Reparatur durch Ausschneidung von Nukleotiden
(Originalabbildung)

DNA-Reparatur durch Ausschneidung von Nukleotiden

Aziz Sancar entwickelte eine andere Methode, die DNA-Reparatur durch Ausschneidung von Nukleotiden (nucleotide excision repair, siehe Abb. 3), ein Mechanismus, der von Zellen genutzt wird, um UV-Schädigungen von DNA-Material zu beseitigen. Menschen, die mit einem Defekt dieses Reparatursystems geboren werden, erkranken nach ausgiebigem Sonnen­baden häufig an Hautkrebs. Die Zelle benutzt diesen Reparaturmechanismus nicht nur bei Strahlenschädigung. Er wird auch wirksam bei Schädigungen, die durch mutationsauslösende Substanzen hervorgerufen werden oder die noch andere Ursachen haben.


Abb.4 Reparatur von Fehlpaarungen in der DNA
(Originalabbildung)

Reparatur von Fehlpaarungen

Paul Modrich hat vor Augen geführt, dass die Zelle auch in der Lage ist, Fehler zu korrigieren, die bei der Replikation von DNA-Doppelhelices während der Zellteilung auftreten. Der Mechanismus – die Reparatur von Fehlpaarungen von Nukleotiden (mismatch repair, siehe Abb. 4) – reduziert die Fehlerfrequenz um den Faktor

1.000. Es ist bekannt, dass angeborene Fehl­paarungen z.B. zu Veränderung der Erbanlagen, aber zu Darmkrebs führen können.

JB


Tomas Lindahl, schwedischer Staatsbürger, wurde 1938 in Stockholm, Schweden geboren. Er promovierte 1967 am Karolinska Institut in Stockholm. Von 1978 bis 1982 war er Professor für Medizinische und Physiologische Chemie an der Universität Gothenburg. Heute ist er emeritierter Leiter am Francis Crick Institut und emeritierter Direktor von Cancer Research UK am Clare Hall Laboratorium in Herfordshire, UK.
Foto: © dpa


Paul Modrich, US-amerikanischer Staatsbürger, wurde 1946 geboren. Er promovierte 1973 an der Stanford University in Stanford, CA, USA. Er forscht jetzt am Howard Hughes Medical Institute und ist James B. Duke Professor für Biochemie und Biophysik an der School of Medicine der Duke University in Durham, NC, USA.
Foto: © dpa


Aziz Sancar, US-amerikanischer und türkischer Staatsbürger, wurde 1946 in Savur, Türkei geboren. Er promovierte 1977 an der University of Texas, Dallas, TX, USA. Er ist jetzt Graham Kenan Professor für Biophysik und ­Biochemie an der School of Medicine der University of North Carolina, Chapel Hill, NC, USA.
Foto: © dpa

Grafiken: © www.nobelprize.org
Fotot: © Jürgen Brickmann, Computergrafik

L&M 9 / 2015

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 9 / 2015.
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