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Quality by Design in der HPLC – Visualisierung robuster Bereiche
Quality by Design in der HPLC – Visualisierung robuster Bereiche
Seit der Contergan-Katastrophe – das Medikament wurde von 1957–61 vertrieben – wird auf die Analytik der Zusammensetzung von Pharmaka größter Wert gelegt, insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass von ca. 100.000 Krankheiten erst ca. 20 % medikamentell behandelbar sind und wir daher auf die schnelle und sichere Entwicklung von zuverlässigen HPLC-Methoden mehr denn je angewiesen sind.
In der HPLC-Methodenentwicklung wird sehr oft die Auswahl der Arbeitsbedingungen durch zahlreiche Versuche variiert. Dabei wird häufig nach der Methode „Trial & Error“ verfahren. Deren Ergebnisse sind in der Regel wenig robust und erfordern zahlreiche Nachbesserungen, was viel Geld und Zeit kostet. Für die Aufsichtsbehörden sind Korrekturen Mehrarbeit, und sie ziehen es daher vor, die Methoden dahingehend zu prüfen, ob sie auf systematischer Arbeit beruhen (Design of Experi ments = DoE).
Den Geheimnissen der HPLC auf der Spur
1981, also vor 30 Jahren, begann ich in meinem Institut, das zunächst in Berlin Kreuzberg unter dem Dach eine Bleibe fand, mit der systematischen Entwicklung von HPLC-Methoden. Ich habe zu Beginn verschiedene Kurse für Reversed Phase Chromatographie (RPC) unter dem Titel „Experimentieren und Zeit gewinnen“ angeboten, die ich aus den Erfahrungen, die ich mit Csaba Horváth an der Yale University zw. 1975 – 77 gewonnen hatte [1], zusammengestellt hatte. 1986 begann ich eine Zusammenarbeit mit Lloyd Snyder und John Dolan aus San Francisco, USA, die sich unter dem Namen „LC-Resources“ 1982 ebenfalls selbstständig gemacht haben.
Man besuchte sich gegenseitig und hielt gemeinsame HPLC-Kurse ab. Irgendwann wurde die Idee geboren, die mathematischen Gesetze der HPLC als Software unter dem Namen „DryLab“ niederzuschreiben.
Der Hauptgedanke war dabei zunächst die Förderung der Trennsäulenforschung, wobei Jack Kirkland bis zu 1000 Trennsäulen bei DuPont, seinem damaligen Arbeitgeber, mit L.R.Snyder systematisch untersucht bzw. ausgewertet hatte. Es ging dabei im Wesentlichen um das bessere Verständnis der Bandenverbreiterung. Bald haben wir jedoch mit der Entwicklung einer Softwarekomponente begonnen, die berechnen konnte, wie die Selektivität einer isokratischen Trennung variiert werden kann, wenn der %B-Wert, d.h., der Anteil des organischen Lösungsmittels im Eluenten, systematisch verändert wird. Zu dem isokratischen Programm „DryLab I“ gesellte sich wenig später eine Version für die Gradientenelution unter dem Namen „DryLab G“, wobei erstmalig die grafische Darstellung der Chromatogramme möglich wurde [2].
Mit der Entwicklung der Windows-Betriebssysteme wurden Veränderungen auch an DryLab notwendig. Zunächst war man bestrebt, die Geheimnisse der HPLC durch systematische Variation jeweils einzelner Messgrößen wie pH, Temperatur, %B oder Gradientenlaufzeit tG besser zu verstehen. Dabei konnte gleichzeitig auch die Säulengeometrie, d.h., Länge, Innendurchmesser, Teilchengröße sowie die Flussrate, variiert werden. Bei der Gradientenoptimierung erreichten wir, dass wir bis zu 10 Stufen modellieren und die Änderung der Selektivität beobachten konnten (s. www. molnar-institut.com/DryLab-Research). Eine Zusammenfassung ist unter [3] zu finden.
Präzise Vorhersagen für die Praxis
Um eine Methode zu entwickeln, die den Empfehlungen der FDA entspricht, ist es heute erforderlich, sich mit der Nomenklatur des sog. Quality by Design (QbD)-Konzeptes, wie z.B. Design Space, Critical Quality Attributes (kritische Qualitätsanforderungen) in der HPLC, u.v.m. aus einander zusetzen. Was bedeutet „Design Space“? Es ist die multidimensionale und gleichzeitige Kombination von den in der Abbildung 1 gezeigten Eingangsgrößen und Prozessparametern, die die Qualität der HPLC-Analysen beeinflussen. Man erkennt, dass die Unter suchung von nur einem Faktor, z.B. von einer Linie entlang einer Kante, wenig über die Auswirkung der anderen Faktoren besagt. Die Kombination von zwei Faktoren, z.B. Temperatur T und Gradientenlaufzeit tG wie in Abbildung 1, stellt eine Fläche dar, jedoch verbleibt in dem gesamten, würfelförmig umfassten Raum dennoch viel Volumen ohne jegliche Kontrolle. Daher haben wir uns entschieden, die kritische (= kleinste) Auflösung von drei Faktoren gleichzeitig zu untersuchen bzw. sie in einem Würfel darzustellen
(Abb. 2 und 3), wobei die Messwerte (Retentionszeiten und Peakflächen aus Chromatogrammen) die Ecken des Würfels bilden. Weitere 8 Faktoren werden rechnerisch ermittelt [4].
Die Behörden erkannten die Vorteile dieser systematischen Arbeit, denn dadurch wird die Kommunikation über HPLC-Methoden gefördert und eine Inspektion wesentlich vereinfacht. Die Präzision der Vorhersagen ist exzellent, sofern man zuverlässig reproduzierbare Daten eingibt. Die Globalisierung hat die Verbreitung der Software erheblich gefördert, denn die jeweilige HPLC-Methode eines pharmazeutischen Produktes wird in allen Ländern überprüft und muss daher übertragbar und leicht verständlich sein. Die Analysenmethode begleitet das Produkt und ist somit quasi ein Bestandteil desselben. Das wichtigste Werkzeug im DryLab ist die Karte der kritischen Auflösung oder „ Resolution Map“ (s. Abb. 2). Sie ist eine Grafik, mit der man den jeweils kleinsten Auflösungswert zwischen den beiden am engsten benachbarten Peaks in Abhängigkeit von Arbeitsparametern, auch „Faktoren“ genannt, darstellt. Wir unterscheiden zwischen 1-, 2- und 3-dimensionalen Resolution Maps. Die Karte der kritischen Auflösung im obigen Beispiel in Abb. 2. wurde mit 3 Versuchen bei zwei Temperaturen (20 und 50 °C) und bei zwei unterschiedlich steilen Gradienten, die sich um den Faktor 3 unterscheiden, erstellt. Die Karte
beinhaltet ca.10.000 mögliche Versuche, aus welchen sich der beste Versuch mit der höchsten kritischen Auflösung von Rs:1.97 in Rot mit einem Blick finden lässt. Dadurch werden Versuche geringer Qualität (die nicht die besten sind), eingespart, die Arbeit wird insgesamt effizienter. In einem weiteren Schritt kann der Gradientenverlauf durch Stufen virtuell weiter bearbeitet und die Analysenzeit durch Kürzung zu großer Peakabstände verkürzt werden. Die zwei-dimensionalen, so genannten tG-T-Modelle (s. Abb. 2) haben allerdings nur zwei experimentelle Größen in ihrem kombinierten Einfluss erfasst, weitere 7 – 8 andere Faktoren lassen sich rechnerisch ermitteln bzw. modellieren. Eine weitere Stufe in der Entwicklung von DryLab war die Berechnung der kritischen Auflösung in einem 3-dimensionalen Raum, in einem Würfel, wobei wir in der Lage sind, mit nur 12 Experimenten mehr als 100x100x100 = eine Million Bildpunkte, d.h., Chromatogramme, zu modellieren (Abb. 3).
Der Resolution-Würfel
Der eigentliche Anlass zur Entwicklung des „Würfels“ war die Verknappung des Acetonitrils bzw. dessen hoher Preis vor 3 Jahren. Wir überlegten, 3 tG-T-Modelle hintereinander zu legen und berechnen zu können, wobei die vordere Ebene des Würfels die Methanol-Ebene, die hintere Seite des Würfels die Acetonitril-Ebene sein könnte. Diese Vision ist heute Wirklichkeit. Mit dem Mausrad können wir im Inneren des Würfels hin und her fahren, die beste Trennung finden, um auf diese Weise die Betriebskosten durch mehr MeOH anstelle von AN erheblich zu reduzieren. Als dritte Achse lassen sich auch der pH-Wert oder die Konzentration von weiteren Faktoren (Puffer-, Ionen-Paar-Bildner, etc.) darstellen. Insgesamt lassen sich 10 – 11 Messgrößen gleichzeitig variieren und die korrespondierenden Chromatogramme präzise berechnen. Die robusten Bereiche sind unterschiedlich groß. Natürlich möchte man, dass die Methoden auch bei kleinen Schwankungen aller anderen Variablen insbesondere in der Gradientenelution robust bleiben. Durch die Auswahl verschiedener Arbeitspunkte lassen sich verschiedene Möglichkeiten erproben. Abb. 4 zeigt einen 3-DResolution-Raum tG-T-tC, wobei tC ternäre Konzentration bedeutet. Das Modell Gradientenlaufzeit-Temperatur und ternäre Zusammensetzung des Eluenten B zwischen Methanol und Acetonitril zeigt die robusten Bereiche aus unterschiedlichen Blickwinkeln. „A“ ist die Normalansicht von vorne links, „B“ und „C“ sind Ansichten von hinten, „D“ ist die Sicht von oben. Der Körper lässt sich mit der Maus in allen Richtungen drehen und betrachten. Die Präzision der DryLab-vorhersagen
ist in der Literatur von zahlreichen Autoren als exzellent beschrieben (http://www.molnar-institut.com/HP/Research/DryLab_Research.php). Die Präzision einzelner Arbeitspunkte im Würfel wurde von Melvin Euerby und Gesa Schad an 5 verschiedenen Positionen überprüft. Die Retentionszeiten hatten eine mittlere Übereinstimmung zwischen Vorhersage und Experiment mit besser als 99,8 % [5]. In der Abbildung 4 lassen sich verschiedene robuste Bereiche, die als irreguläre geometrische Körper in roter Farbe (Rs,crit>1,5) dargestellt sind, erkennen. Bild A: Normalansicht von vorn links mit Eluent B: 100 % Acetonitril, als hintere Scheibe und 100 % MeOH als vordere Scheibe des organischen Elutionsmittels (Eluent B). In diesem Beispiel ist die
Basislinientrennung also sowohl mit MeOH als auch mit AN – dies erkennt man in Bild B und C noch deutlicher – möglich. Bild B (rechts oben) zeigt den Würfel von hinten links, also von der Seite des steilen Gradienten. Bild C zeigt die Verhältnisse von rechts hinten, von der Seite des flacheren Gradienten und Bild D erlaubt einen Blick von oben in den Würfel. Vorteilhaft ist, die relative Größe von robusten Bereichen zu vergleichen und darauf basierend zu entscheiden, in welchem Bereich eine Trennung sinnvoll, d.h., robust ist, wobei gleichzeitig die Darstellung der Chromatogramme bei den jeweils gewählten Arbeitspunkten als visuelle Hilfe gute Dienste leistet. Da die experimentelle Prüfung der Kombination von lediglich 5 Faktoren mit jeweils 3 Werten (Levels) bereits langwierige theoretisch 243 Chromatografie-Versuche bedeutet (es geht allerdings auch mit einer reduzierten Anzahl von Versuchen), ist die Richtigkeit der Position des Arbeitspunktes von entscheidender Bedeutung in der Feststellung der Robustheit der HPLCMethode. Letztendlich sollen dabei Zeit und Geld gespart werden. DryLab führt die 243 Läufe in ca. einer Minute aus. Die Präzision ist auch mit UPLC [6] bzw. UHPLC-Anlagen exzellent [7].
Der unterschiedlichen Selektivität der Trennsäulen wird in DryLab durch eine Datenbank Rechnung getragen, bei der ca. 500 Reversed Phase-Trennsäulen aufgelistet sind, deren Eigenschaften nach 5 säulenspezifischen Beiträgen klassifiziert sind. Damit ist eine Art „Säulen-Design-Space“ definiert, das es erlaubt, Säulen mit jeweils vergleichbarem Selektivitätsfaktor („äquivalente“ Säulen) zu definieren und sie damit in einer validierten Methode austauschbar zu machen. Dadurch wird die Flexibilität in der Routine erheblich gesteigert.
Die Umwelt profitiert
Die Methodenentwicklung in der HPLC ist durch Modellierung wesentlich einfacher und effizienter, wenn die Anzahl der misslungenen Experimente minimiert wird. Die Nutzung von Modellierungstools wie DryLab ist eine großartige Hilfe, um die komplexen Zusammenhänge einer Trennung zu demonstrieren und zu begründen. Robuste Methoden können besser visualisiert und dadurch besser verstanden werden. Trennsäulen können durch die Säulendatenbank in der Routine leichter ausgetauscht werden, um die Arbeit zu flexibilisieren. Auf diese Art und Weise können Analysenverfahren für neue Medikamente schneller entwickelt werden. Auch die Umwelt profitiert von DryLab: Es kann unter Einsparung und Selektion der besten organischen Lösemittel am wahrscheinlichsten grüne HPLC durchgeführt werden.
Literatur
[1] Cs.Horváth, W.Melander, I.Molnár, J.Chromatogr. 125 (1976) 129. s.also I. Molnár and K.E. Monks, Chromatographia 73, 1 (Suppl.) (2011), 5–14.
[2] L.R.Snyder, J.W.Dolan, D.C.Lommen, J.Chromatogr., 485 (1989) 65-112.
[3] I. Molnár, J. of Chromatogr. A, 965 (2002) 175.
[4] I. Molnár, H.-J. Rieger, K.E. Monks, J.Chromatogr. A, 1217, (2010) 3193-3200.
[5] Melvin Euerby, Gesa Schad, Imre Molnár, Kate Monks, Chromatography Today, December 2010.
[6] Sz.Fekete, J.Fekete, I.Molnár, K.Ganzler, J.Chromatogr. A, 1216 (2009) 7816–7823.
[7] I. Molnár, K.E. Monks, H.-J. Rieger, B.-T. Erxleben, LCGC, 7, 5 (2011), 2–8 (“The Column”).
Foto: © Dr. Imre Molnár
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L&M 1 / 2012
Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 1 / 2012.
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