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Ein Labor für morgen (Laborbau)

Grundlagen und Lösungsansätze im Laborbau

Laborgebäude und Laborarbeitsplätze sollen das bautechnische Abbild der experimentellen Naturwissenschaften sein. Unter dieser Prämisse haben sich insbesondere die Laboreinrichtungen im Laufe der Jahrhunderte zu einer an manuelle Arbeitsweisen bestmöglich angepassten Form entwickelt. Allerdings löst sich das Arbeitskonzept der Wissenschaftler derzeit von den überlieferten Verfahren. Die Arbeitsweisen in den Lebenswissenschaften scheinen sich mit zunehmender Geschwindigkeit zu verändern.

Foto: © Andrejs Pidjass

Anforderungen/Bedarfsbestimmung

Derzeit sind neue Standards im Laborbau noch nicht erkennbar. Dennoch muss das Labor als Objekt aus Gebäude und Ausstattung die jeweils aktuellen Anforderungen abdecken, d.h., es muss den derzeitigen Bedarf erfüllen und an den kommenden anpassungsfähig sein. Ersteres ist relativ leicht durch Befragung der Nutzer zu erreichen. Da aber niemand die Zukunft voraussagen kann, ist der Planer der Bauaufgabe gezwungen, Annahmen hinsichtlich der späteren Erfordernisse zu treffen. Der Planer wird sich fragen, welche Einflussfaktoren für die Laborarbeit änderungswirksam sein könnten. Da wären z.B.: Die Spezialisierung der Individuen nimmt zu, damit professionalisiert sich die Arbeitsweise. Das Zeitkontingent für die einzelnen Laborprozesse nimmt ab und wird als wachsende Beschleunigung wahrgenommen. Die Voraussetzung zur Bewältigung dieser Prozesse der Differenzierung, der Individualisierung und der Beschleunigung ist eine Zunahme der Kommunikation und der Kooperation bzw. der Teamarbeit. Neben diesen grundsätzlichen Trends entwickelt sich die Methodik in den an den Lebenswissenschaften beteiligten Fachgebieten weiter.

Einige Beispiele mögen diese Annahme begründen

Die Pharmazie zerfällt als Folge einer funktionellen und einer strukturellen Differenzierung in theoretische und experimentelle Fachgebiete. Die Reproduzierbarkeit von Versuchsergebnissen gewinnt an Bedeutung, wenn weltumspannende Teams an einem Thema arbeiten. Die Prozesse in der Analytik sind bereits wesentlich von der Robotik beeinflusst, nun lässt auch die Entwicklung repetitive Tätigkeiten zunehmend von Automaten ausführen. Die Toxikologie und die Pharmakokinetik ersetzen Tierversuche vielfach durch reale bzw. virtuelle Gewebematrizen oder digitale Modelle menschlicher Organe. Die Mathematik entwickelt Methoden zur Berechnung der Erfolgswahrscheinlichkeit, indem sie die Wirkung des Moleküls auf die Gene und das Gewebe berechnet, die wechselseitigen Abhängigkeiten darstellt und am Modell sichtbar macht. Die Informationstechnik bietet Animations- und Simulationsverfahren an, sodass das Labor und das Experiment zunehmend vierdimensionale Darstellungen am modifizierten Büroarbeitsarbeitsplatz sein werden. Als Grundlage für die mathematischen Berechnungen und die computergestützten Simulationen liefert die Lebenswissenschaft anhand der gesammelten Forschungsberichte digitale Beschreibungen des menschlichen Gewebes bzw. Körpers. Die Automationstechnik erweitert die Laborgeräte um die Telematik (Telediagnose, Teleoperating). Die Synthese- und Analysegeräte werden modularisiert und die einzelnen Komponenten bedarfsgerecht kombinierbar sein, dabei gibt die MikroSystem- Technik entscheidende Impulse. Letztendlich mutiert der mit Analysekomponenten optimierte MST-Syntheseautomat durch Multiplikation zur Herstellungsstraße. Die notwendige Verringerung des Zeitbedarfs bei der Markteinführung eines neuen Produktes kann zur Einführung von Projektlaboren führen, in denen aus dem vorher erforschten Wirkstoff ein handelsfähiges Produkt entwickelt wird. In den Projektlaboren wechseln die Mitarbeiter, die Teilthemen und die Methoden in kürzeren Zeitabständen, während in den Prozesslaboren, die der Entwicklung oder der Compliance gewidmet sind, mit relativ gleich bleibenden Abläufen und Belegschaften gerechnet werden kann. Die wachsende Spezialisierung der Arbeitsweisen führt aber nicht unbedingt zu einer durchgängigen Differenzierung der Labore. Viele spezialisierte Labore bedienen sich der gleichen Grundlagen, denn z.B. die ergonomischen Anforderungen weichen nur in engen Grenzen voneinander ab. Aber immer müssen mindestens Teile der technischen Ausstattung an die wechselnden Methoden anpassbar oder gegen besser geeignete Einheiten austauschbar sein.

Lösungsansätze

Solche – zugegebenermaßen zum Teil waghalsigen – Spekulationen können das Raster für die Entwicklung von Gestaltungsideen bilden, die bei der Planung und dem Bau eines Labors neben dem aktuellen Bedarf auch die zukünftigen Möglichkeiten berücksichtigen. In die Baukonzepte müssen neben der Bedarfsdeckung der Labornutzer die möglichen Lösungen nach dem Stand der Technik und deren Weiterentwicklung einbezogen werden. Einige Beispiele sollen Lösungsansätze für ein wandlungsfähiges Labor aufzeigen: Sowohl die Bautechnik (Roh- und Ausbau) wie auch die Gebäudetechnik (Technische Gebäude Ausrüstung) setzen zunehmend auf stärkere Modularisierung und industrielle Vorfertigung. Die Montage-, Transport- und Anschlussbedingungen sowie die Kombinationsmöglichkeiten der einzelnen Module werden bestimmt und standardisiert. Eine Voraussetzung ist die modulare Gliederung des Gebäudes wie der TGA in Funktionsbausteine, die aus einzelnen Submodulen bestehen. Beispielsweise lassen sich beim Gebäude die Funktionsbausteine Tragwerk, Außenhaut und Erschließung unterscheiden. Die Ausstattung könnte in die Funktionsbausteine Ausbau, Arbeitsplatz, Service und Technik gegliedert sein. Während der Funktionsbaustein Arbeitsplatz aus den Submodulen Experimentierbox, Dokumentierbox, Theoretisierbox und Diskutierbox bestehen könnte, die sich wiederum aus diversen Bauelementen zusammensetzen. Die Vorteile dieser Modultechnik liegen u.a. in einer erzielbaren Kostensenkung, dem Zeitgewinn bei der Montage, der Steigerung der Ausführungsqualität und der Austauschbarkeit der Module. Die modulare Strukturierung bewirkt somit eine höhere Anpassungsfähigkeit des Bauwerks an Nutzungsvarianten. Ein nicht zu unterschätzender Einfluss auf die Planungsprozesse und die Nutzungsqualität erwächst aus der verbesserten Planungsmethodik: erfahrungsbasierte Entscheidungen werden abgelöst von wissenschaftlich untermauerten. So zum Beispiel lassen sich Luftvolumenströme berechnen und visuell darstellen, sodass sie bedarfsgerecht zu bemessen, zu steuern und gezielt einzusetzen sind. Auch die Energieeffizienz lässt sich heute mithilfe von Simulationstechniken berechnen und steigern. Ein Beleg dafür ist das CIB, das computerintegrierte Building, bei dem nicht nur die Gebäudetechnik gesteuert wird, sondern – mit dem Ziel der effizienteren Nutzung der Energie – die Laborautomaten mit der Gebäudeleittechnik Signale austauschen. Die Laboreinrichtungstechnik könnte über ihre selbst gezogenen Grenzen hinauswachsen und andere Ausstattungsgewerke integrieren. Denn der Schwerpunkt der Sicht auf den Laborarbeitsplatz verlagert sich: als Arbeitsplatz wird nicht mehr nur die Laboreinrichtung betrachtet, sondern der Arbeitsraum als Einheit einschl. der Labor- und der Büroeinrichtung, der (mobilen) Trennwände, Unterdecken und Versorgungssysteme. Die Zunahme der Bürotätigkeiten im Labor verlangt nach angemessenen Lösungen, das Büro im Labor zählt bereits zum Stand der Technik. Zum Labor im Büro scheinen noch hinreichende Entwürfe zu fehlen. Isolatoren mit Konditionierungsvorrichtungen könnten ein Schritt in diese Richtung sein, denn sie gewährleisten eine gleich bleibende Versuchsumgebung unabhängig vom übrigen Raumklima und die notwendige Sicherheit.

Laborstandard

Die Modulbauweise ist das geeignete Mittel zur Gewährleistung der notwendigen Anpassungsfähigkeit des Gebäudes und seiner Ausstattung an sich ändernde Nutzungen. Dabei ist es relativ unerheblich, ob die Ausführung modular erfolgt oder mangels industrieller Kapazitäten nur konzeptionell durchgeführt wird. Bei einer Planung, die mit Modulen und Funktionsbausteinen operiert, entstehen Strukturen, die in jedem Fall den Umbau des Labors erleichtern. Wenn also heute nach einem Standard für das „Labor für morgen“ gesucht wird, dann haben Konzepte mit hohem Entwicklungs- oder großem Veränderungspotenzial die besten Aussichten, sich durchzusetzen.

>> Gerd.Kuchenbecker@gmx.de

Foto: © Andrejs Pidjass

Stichwörter:
Laborbau

L&M 1 / 2010

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 1 / 2010.
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