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Biopharma: XL-Proteine

Fusionsproteine - Verlängerung der Wirkdauer therapeutischer Proteine

Verbesserte Biopharmazeutika mit verlängerter Zirkulationsdauer Prof. Dr. Arne Skerra, Lehrstuhl für Biologische Chemie, Technische Universität München Die meisten biologischen Medikamente zeigen eine enttäuschend kurze Plasma-Halbwertszeit von bloß wenigen Stunden. Zunehmend wird deshalb die Konjugation mit dem chemischen Polymer PEG eingesetzt, um ihre Nierenfiltration zu verlangsamen, was allerdings mit Nachteilen verbunden ist. Die Biosynthese neuartiger Fusionsproteine mit einem Polypeptid aus den Aminosäuren Pro, Ala, Ser (PAS) eröffnet eine viel versprechende Alternative, um die Wirkdauer therapeutischer Proteine erheblich zu verlängern.

Kurze Plasma-Halbwertszeit – das Problem vieler Biologics

Viele Biopharmazeutika, die heute schon erfolgreich in der Humantherapie eingesetzt werden wie z.B. Interferone, Erythropoetin, Hormone, Wachstumsfaktoren und rekombinante Antikörperfragmente sind relativ kleine Proteine. Ihre Molekülgrößen liegen erheblich unterhalb des Schwellenwertes der Nierenfiltration von etwa 70 kDa, was zur raschen Entfernung aus dem Blut führt. Entsprechend besitzen diese therapeutischen Proteine meist eine äußerst kurze Plasma-Halbwertszeit von bloß wenigen Stunden im menschlichen Körper. Dies schränkt den therapeutischen Nutzeffekt erheblich ein, und meist sind wiederholte Injektionen in kurzen Zeitabständen und hohen Dosierungen nötig, um die gewünschte Wirkung zu erzielen. Eine derzeit anerkannte Strategie zur Verlängerung der Plasma-Halbwertszeit von Biopharmazeutika besteht in der chemischen Konjugation mit dem wasserlöslichen und physiologisch weitgehend inerten Polyethylenglycol (PEG), wodurch der hydrodynamische Radius des Proteintherapeutikums über die Porengröße der Nierenglomeruli vergrößert wird. Die kovalente Kopplung mit aktivierten Derivaten von PEG erfolgt entweder zufällig über Lysin-Seitenketten des gentechnisch produzierten Proteins oder spezifisch über einen zusätzlich eingeführten Cysteinrest. Seit einigen Jahren finden sich bereits mehrere PEGylierte Biopharmazeutika erfolgreich in der klinischen Anwendung: z.B. Pegasys bzw. PegIntron, d.h. PEGylierte Versionen von Interferon alpha, oder Pegfilgrastim, ein PEGyliertes G-CSF. Allerdings ist die PEGylierung von therapeutischen Proteinen mit erheblichem Aufwand und hohen Kosten verbunden: Geeignete PEG-Derivate mit hohem Reinheitsgrad sind teuer, die Kopplung mit dem Protein hat meist niedrige Ausbeute (< 50 %) und macht weitere Downstream- Reinigungsschritte erforderlich, wobei die Produktheterogenität zusätzliche Probleme bereitet. Darüber hinaus ist PEG nicht biologisch abbaubar, und bei andauernder Anwendung kann sich höhermolekulares PEG in der Leber anreichern und zum makromolekularen Syndrom führen. Auch Vakuolenbildung in der Niere ist als Nebenwirkung bekannt. Schließlich wird durch die chemische PEGylierung die Aktivität des Proteins herabgesetzt. Dieser Effekt ist umso ausgeprägter, je näher die PEGylierung am aktiven Zentrum stattfindet. So weist z.B. Pegasys nur noch 7 % der antiviralen Aktivität des unmodifizierten Interferons auf. Der die Zirkulationsdauer verlängernde Effekt von PEG ist auf dessen makromolekulare Eigenschaft als hydrophiles Polymer zurückzuführen, was zur Ausbildung von Zufallskonformationen in wässriger Lösung und damit einem drastisch erhöhten hydrodynamischen Volumen führt. Ausgehend von dieser Erkenntnis entstand die Idee, ein ähnlich strukturell ungeordnetes, biologisches Aminosäurepolymer zu entwerfen, um einen vergleichbaren Effekt zu erzielen, jedoch unter Vermeidung der oben genannten Nachteile.

„PAS“-Polypeptide aus Prolin, Alanin und Serin

Ein grundsätzliches Problem bei der Entwicklung solch konformationell ungeordneter Polypeptide bestand darin, dass die meisten Aminosäuresequenzen ohne reguläre Sekundär- oder Tertiärstruktur im wässrigen Milieu Aggregate bilden. Selbst Polymere der einfachsten Aminosäure Glycin, mit denen wir die ersten Experimente durchgeführt haben, zeichnen sich durch mangelnde Löslichkeit aus. Die Einführung von gleichsinnig geladenen Aminosäuren kann zwar – unter Beibehaltung einer expandierten Konformation – die Löslichkeit erhöhen, jedoch führt dies zu extremen Werten für den isoelektrischen Punkt des Fusionsproteins, was die optimale Verteilung im Organismus beeinträchtigen kann. Überraschenderweise hat sich gezeigt, dass Polymersequenzen aus bestimmten Kombinationen der kleinen ungeladenen Aminosäuren Prolin, Alanin, Serin (also „PAS“-Sequenzen) stabile Randomcoil-Konformation mit großem hydrodynamischen Volumen und gleichzeitig hoher Löslichkeit in physiologischem Puffer aufweisen. Darüber hinaus lassen sich solche Sequenzen mit mehreren hundert Resten in Fusion mit therapeutisch relevanten Proteinen problemlos in Escherichia coli herstellen. Bemerkenswerterweise wird dabei weder die Faltung noch die biochemische Aktivität des Fusionspartners beeinträchtigt. Ein wesentlicher Vorteil dieser neuen Strategie gegenüber der PEGylierung besteht darin, dass das Aminosäurepolymer bereits bei der gentechnischen Produktion an den N- oder C-Terminus des Proteintherapeutikums fusioniert wird und damit aufwändige nachfolgende Modifizierungsschritte entfallen. Aufgrund der biologischen Zusammensetzung aus körpereigenen Aminosäuren sind toxische Effekte durch den Polymeranteil zudem nicht zu befürchten. Wir haben bereits eine Reihe von rekombinanten therapeutischen Proteinen (Fab-Fragmente von Antikörpern, Interferon alpha-2b, Interleukin-1 Rezeptor-Antagonist, menschliches Wachstumshormon usw.) mit PAS-Sequenzen aus 200 bis 600 Resten fusioniert. Diese Proteintherapeutika ließen sich alle in E. coli in löslicher und aktiver Form produzieren. Die so erhaltenen Fusionsproteine waren jeweils homogen, wie durch Massenspektrometrie gezeigt werden konnte, was ein wesentlicher Aspekt für die kostengünstige Produktion unter GMP-Bedingungen ist.

Vergrößertes Proteinvolumen und verlängerte Plasma-Halbwertszeit durch PASylierung

Alle produzierten Fusionsproteine zeigten unter physiologischen Pufferbedingungen stabile Zufallskonformation für das PASAnhängsel, wobei die Faltung des biologisch aktiven Proteinpartners erhalten blieb. Bei der biophysikalischen Analyse durch Größenausschlusschromatographie ergab dies drastisch vergrößerte hydrodynamische Volumina von mehr als 0,5 MDa, wohingegen die tatsächliche Masse des Proteins um höchstens 50 kDa (bei 600 PAS-Resten) erhöht war. Untersuchungen der Plasma-Halbwertszeit in Mäusen und Ratten, welche bislang vor allem für entsprechende Fusionsproteine mit einem Fab-Fragment und humanem Interferon alpha-2b durchgeführt wurden, zeigten eine beträchtliche Verlängerung der Plasma-Halbwertszeit um einen Faktor 10–100. Weiterhin wiesen die PAS-Sequenzen Resistenz gegen Serumproteasen auf und zeigten keine nachweisbare immunogene Wirkung in der Maus. Dagegen wurden sie bei Inkubation mit einem Enzymextrakt aus Nierengewebe rasch abgebaut, so dass eine Organakkumulation wie bei PEG mit diesen biologischen Polymeren nicht zu befürchten ist. Diese Resultate zeigen, dass durch PASylierung von therapeutischen Proteinen ähnliche pharmakologische Eigenschaften wie mit der PEGylierung erzielt werden können.

Anwendung der PASylierung für die biopharmazeutische Wirkstoffentwicklung

Zur Weiterentwicklung der PAS-Technologie für den Einsatz in der Humantherapie wurde im Jahr 2009 die XL-protein GmbH gegründet. Das Biotech-Startup-Unternehmen hat seinen Sitz im Innovations- und Gründerzentrum Biotechnologie (IZB) Freising-Weihenstephan (http://www. xl-protein.com). Exklusive Lizenzrechte an dem von der Technischen Universität München weltweit angemeldeten Patent wurden von der Bayerischen Patentallianz GmbH erworben. Die Marktreife der PAS-Technologie im Hinblick auf die Entwicklung entsprechender Proteinwirkstoffe wird durch mehrere präklinische Datenpakete, die inzwischen vorliegen, verdeutlicht. Diese Technologie zur Verlängerung der Plasma- Halbwertszeit ist auf alle rekombinanten Proteine anwendbar, bei denen der N- oder C-Terminus der Polypeptidkette frei zugänglich und nicht direkt an der Wechselwirkung mit dem medizinisch als Target relevanten Rezeptor, Wachstumsfaktor o.ä. beteiligt ist. Dies ist bei mindestens 50 % aller zugelassenen Biopharmazeutika der Fall, wodurch sich ein enormes Marktpotenzial ergibt. Zwar erscheint die Anwendung der PAS-Technologie auf dem im Moment besonders lukrativen Gebiet der monoklonalen bzw. humanisierten Antikörper weniger sinnvoll, da diese selbst schon eine lange Zirkulationsdauer besitzen; allerdings sind derzeit zahlreiche Antikörperfragmente (Fab, scFv, dAb usw.) und so genannte alternative Bindungsproteine (Adnectine, Anticaline, DARPins usw.) in der Entwicklung, welche alle kurze Plasma- Halbwertszeit aufweisen und deshalb von der PAS-Technologie profitieren können. Hinzu kommen interessante Vermarktungsperspektiven beim „Life Cycle Management“ von bereits erfolgreichen, klassischen Biopharmazeutika (siehe die oben erwähnten Beispiele), deren Patentschutz in Kürze ausläuft und deren Wirkprofil sich mittels einer verlängerten Plasma-Halbwertszeit wesentlich verbessern lassen dürfte.

Stichwörter:
Biopharma, Fusionsproteine, Wirkdauer, Plasma-Halbwerszeit, PAS

L&M 1 / 2010

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 1 / 2010.
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