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Wirkstoffscreening und Detektion von Mikroorganismen über zellbasierte Assays

Das angeborene Immunsystem im Reagenzglas:

Zellbasierte Testsysteme wurden in den vergangenen Jahren vor allem in der pharmazeutischen Forschung und bei der Entwicklung neuer Medikamente verstärkt eingesetzt. Dieser Wachstumstrend beruht auf den Vorteilen, welche die Verwendung von vitalen mammalischen Zellen als diagnostisches Mittel ermöglichen.

Mammalische Zellen, insbesondere humane Zelllinen, spiegeln einen kleinen Ausschnitt des menschlichen Körpers wider, sodass hier Testverfahren an Modellsystemen in vitro umgesetztwerden können, welche die in vivo adressierten Zielmoleküle in ihrer natürlichen Umgebung beinhalten.
Am Fraunhofer IGB haben wir eine Palette verschiedener zellbasierter Testsysteme etabliert, die ein breites Anwendungsspektrum wie zum Beispiel das Screening nach antimikrobiellen und antiviralen Substanzen, Detektion von Pyrogene, so genannten pathogenassociated molecular patterns (PAMPs) und Screening nach pathogen-recognition-Rezeptor (PRR) Agonisten und Antagonisten zum Ziel haben (http://www.igb.fraunhofer.de/www/gf/molbiotech/screening/start.html). Diese Testsysteme sind über fotometrische Auswertungsverfahren HTS (Hochdurchsatz) fähig. Diese Testsysteme sind nach GLP (Good Laboratory Practice) für „zellbasierte Testsysteme zur Bestimmung biologischer Parameter“ zertifiziert. Nachfolgend sind zwei Beispiele für zellbasierte Assays aufgeführt, die bei uns etabliert sind.

Screening nach neuen antimikrobiellen Substanzen

Die letzten Jahrzehnte haben gezeigt, dass Infektionskrankheiten keineswegs als besiegt gelten können, sondern dass vielmehr kontinuierlich neue Infektionskrankheiten von AIDS bis Schweinegrippe entstehen. Zudem treten auch mehr und mehr Resistenzen bei bekannten Krankheitserregern gegen gebräuchliche Medikamente auf.
Neue Wirkstoffe sind also essenziell, um diese Infektionen im Zaum zu halten. Die Herausforderung für einen erfolgreichen klinischen Einsatz eines antiinfektiösen Medikaments sind dessen Wirksamkeit und Verträglichkeit. Viele Substanzen, die in frühen präklinischen Tests gut abgeschnitten haben, zeigen eine sehr geringe Verträglichkeit in späteren Phasen der Entwicklung. Ein kombinierter Aktivitäts-Selektivitätstest ist deshalb eine vorteilhafte Methode, um selektive Leitstrukturen zu finden, die nur das entsprechende Pathogen, nicht aber die körpereigenen Zellen schädigen [1]. Mit dem hier etablierten automatisierbaren Screeningverfahrens können Substanzbibliotheken schnell und effizient auf antimikrobielle Substanzen mit einer verbessertenVerträglichkeit und einem breiten Spektrum getestet werden. Bei diesem Verfahren werden humane Wirtszellen in der Gegenwart der entsprechenden Substanz und des Pathogens wie beispielsweise Viren, Bakterien oder Pilzen inkubiert (Abb. 1). Damit bildet das Testsystem die kleinste Einheit einer natürlichen Infektion nach [2]. Üblicherweise entwickelt der Erreger unverzüglich sein pathogenes Potenzial und tötet die human-Zelle. Wenn allerdings eine der Testsubstanzen die Vermehrung des Pathogens hemmt oder dessen Virulenz-Mechanismen blockiert, bleibt die humane Zelle vital. Analog zu Tiermodellen („lethal challenge“) wird nach der vorgesehenen Inkubationszeit die Vitalität der Zellen ermittelt. Die Vitalität humaner Zellen kann man auf einfachem Weg fotometrisch durch metabolisierbare Farbstoffe ermitteln. Dadurch werden toxische Substanzen, die die Vitalität der Humanzellen beeinflussen, ausgeschlossen.
Das Verfahren ist sensitiv, robust, zeitund kosteneffizient und vor allem effektiv als Screeningsystem, um identifizierte Wirksubstanzen zu Leitstrukturen zu optimieren (hit-to-lead Optimierung). Dieses Testsystem maximiert damit die Chancen für die erfolgreiche Entwicklung von Antiinfektiva. Neue Leitstrukturen für Antimykotika wurden bereits in Zusammenarbeit mit EMC Microcollections GmbH entwickelt und sind bereits patentrechtlich geschützt (neue Benzimidazol-2-yl-alkylamine und ihre Anwendung als mikrobizide Wirkstoffe (WO002009019014A1).

Zellbasiertes Testsystem zur Bestimmung von pyrogenen Rückständen: das angeborene Immunsystem im Reagenzglas

Eine der ersten Barrieren für Pathogene sind Bestandteile des angeborenen Immunsystems wie phagozytierende Immunzellen, die eindringende Mikroorganismen zerstören. Dabei erkennen sie definierte, konservierte Bestandteile z.B. von Bakterien, Viren und Pilzen, die so genannten Pyrogene oder pathogen-associated molecular patterns (PAMPs), über spezifische-, den pattern recognition- Rezeptoren (PRRs). Der Körper reagiert auf diese Pyrogenen mit der Produktion von endogenen Botenstoffen (Zytokine), welche die Entzündungskaskade aktivieren und Fieber auslösen. Im schlimmsten Fall wird durch übermäßige Stimulation dieser Kaskaden eine Sepsis ausgelöst. Sepsis wird als eine der schwersten Komplikationen in Krankenhäusern angesehen und manifestiert sich durch eine Summe an lebensbedrohlichen Symptomen und pathophysiologischen Veränderungen, die letztendlich zu Multiorganversagen führt. Die Übertragung von pyrogenen Stoffen in den Blutkreislauf ist deshalb unbedingt zu verhindern.
Aus diesem Grund müssen medizintechnische Produkte wie Operationsbesteck, Katheder, Implantate, aber auch intravenös verabreichte Medikamente auf die Abwesenheit von pyrogenen Stoffen untersucht werden. Momentan sind drei kommerziell erhältliche Methoden zur Detektion von Pyrogenen vorhanden – LAL-Test, Kaninchentest und IPT-Test –, die jedoch entweder sehr teuer oder limitiert auf spezifische Pyrogene sind. Am Fraunhofer IGB wurde ein zellbasiertes Testsystem entwickelt, das die Detektion und Differenzierung von PAMPs mithilfe ihrer natürlichen pattern- recognition-Rezeptoren (PRRs) wie z.B. den Toll-like-Rezeptoren (TLRs), NOD-like- Rezeptoren (NLRs) oder den Dectinen über einen einfachen Reporter-Assay ermöglichen [3]. Der am IGB entwickelte Assay besteht aus einer Reihe von einfach zu kultivierenden Zelllinien (NIH3T3 Fibroblasten), die einzelne Rezeptorkomplexe (z.B. TLR2/6, siehe Abb. 2) stabil exprimieren und damit spezifisch die An- oder Abwesenheit der entsprechenden Liganden/Pyrogene anzeigen können. Die Aktivierung, am Beispiel von TLR2/6 durch den spezifischen Liganden (Pam2CysSK4) gezeigt, führt zur Aktivierung des Transkriptionsfaktors NF-?B, der die Expression eines Reportergens, einer sekretierten alkalische Phosphatase (SEAP) induziert (Abb. 2). Pyrogene, die in der Analyselösung vorhanden sind, können somit spezifisch durch die Expression des Reportergens über eine fotometrisch auslesbare Farbreaktion nachgewiesen werden. Dieses zellbasierte Testsystem kann direkt in Assay-Platten verschickt werden und ist ohne Zellkultur-Labor einsetzbar. Gegenwärtig sind über 10 verschiedene Rezeptorzelllinien und Kombinationen davon etabliert, die bereits einen bedeutenden Teil des angeborenen Immunsystems im Reagenzglas nachbilden (TLR4/CD14, TLR1/TLR2, TLR2/ TLR6, TLR1, TLR2, TLR4, TLR5, TLR6, TLR9, Dectin-1, Dectin-2). Dieses System lässt sich nicht nur als diagnostisches System zur Detektion von Pyrogenen, sondern auch zum Screening auf PRR-Rezeptor-Agonisten und -Antagonisten verwenden. Die Modulation der Aktivität von PRR-Rezeptoren kann insbesondere bei der Behandlung von Allergien oder pathologischen Veränderungen der Haut wie z.B. der Schuppenflechte oder Neurodermitis eine wesentliche Rolle spielen. Insbesondere bei Allergien führt eine fälschliche oder übermäßige Aktivierung der PRR-Rezeptoren zur Ausschüttung von Zytokinen, die Gewebeveränderungen vom Juckreiz bis hin zur Gewebeschädigung verursachen können. Dieses zellbasierte Testsystem ermöglicht somit das Screening nach definierten TLR-Modulatoren, die in der Dermatologie eingesetzt werden können. Eine Erweiterung dieses PRR-basierten Detektionstests um alle bekannten PRRs wird kontinuierlich weiterverfolgt, um letztendlich so das angeborene Immunsystem im Reagenzglas nachzustellen.

> steffen.rupp@igb.fraunhofer.de

Abb. 1 Beispiel für eine Pilzinfektion: Raster-Elektronenmikroskopische
Aufnahme der Infektion eines aus Darmzellen bestehenden Testmodells
mit C. albicans.

Abb. 2 Prinzip des zellbasierten Pyrogen-Detektionssystems: Nach Ligandenbindung an den Rezeptor aktiviert eine intrazelluläre Signalkaskade den Transkriptionsfaktor NF-?B und induziert die Expression des Reportergens (sekretierte, alkalische Phosphatase, SEAP.

Literatur
[1] Kleymann, G., and Werling, H. O. (2004) A generally applicable, high-throughput screening-compatible assay to identify, evaluate, and optimize antimicrobial agents for drug therapy, J Biomol Screen 9, 578-587.
[2] Rupp, S., and Sohn, K., (Eds.) (2009) Host-Pathogen Interactions, Vol. 470, Humana Press, New York.
[3] Burger-Kentischer, A., Abele, I. S., Finkelmeier, D., Wiesmuller, K. H., and Rupp, S. (2010) A new cell-based innate immune receptor assay for the examination of receptoractivity, ligand specificity, signalling pathways and the detection of pyrogens, J Immunol Methods.

L&M 6 / 2010

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 6 / 2010.
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