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Forensik - DNA Typisierung

Massenspektrometrische DNA-Analyse zur Verbrechensbekämpfung

PD Dr. Herbert Oberacher, Prof. Dr. Walther Parson und Prof. Dr. Richard Scheithauer, Institut für Gerichtliche Medizin, Medizinische Universität Innsbruck

Die wissenschaftliche Untersuchung von DNA-Spuren ist nicht nur in Kriminalfilmen wichtig, sondern auch im gerichtsmedizinischen Alltag. Daher spielt die Verbesserung von Analyseverfahren eine wichtige Rolle im nationalen österreichischen KIRAS-Programm für Sicherheitsforschung, das vom Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie gefördert wird. Das KIRAS-Teilprojekt dnatox hat dazu entscheidende Beiträge geleistet. Im Rahmen dieses Projekts haben Innsbrucker Gerichtsmediziner eine Technologie erfolgreich weiterentwickelt, die Erbgut-Spuren durch „Abwiegen“ charakterisiert: die Massenspektrometrie.

Bedeutung der DNA-Typisierung für die Forensik

Die Einführung der DNA-Typisierung in der Mitte der 1980-iger Jahre bedeutete einen Quantensprung für die Forensik. Die dazu entwickelten molekularbiologischen Verfahren haben mittlerweile jenen Stellenwert übertroffen, den der gewöhnliche Fingerabdruck am Ende des 19. Jahrhunderts hatte. Die Polizei hält damit ein Instrument in der Hand, das die Ermittlung und Überführung von Straftätern nicht nur beschleunigt und „gerichtsfester“ macht, sondern gerade in schwierigen Fällen, wo es an konkreten Tatverdächtigen mangelt, eine Aufklärung erst ermöglicht (durch Treffer in der Nationalen Datenbank). Die DNA-Analytik wird aber in gleicher Weise auch zum Ausschluss von Verdächtigen verwendet. So zum Beispiel dient beim FBI jede dritte Untersuchung zur Aufklärung der Unschuld von tatverdächtigen Personen.

Prinzip des genetischen Fingerabdrucks

Der „genetische Fingerabdruck“ beruht auf der Tatsache, dass sich die DNA-Sequenzen aller Individuen – mit Ausnahme jener von eineiigen Zwillingen – unterscheiden. Aufbauend auf diese Erkenntnis wurden molekularbiologische Verfahren entwickelt, mit deren Hilfe es möglich wurde, diese Unterschiede, die als Polymorphismen bezeichnet werden, zu identifizieren. Am Tatort vorgefundene DNA-Spuren wie Blutstropfen, winzige Hautfetzen, Speichelreste (an Zigarettenkippen), Genitalsekrete oder Haare wurden damit über Nacht zu wichtigen Beweismaterialien und potenziellen Fahndungsmitteln.

Verwendete Marker

Zur Erstellung des genetischen Fingerabdrucks werden so genannte Mikrosatelliten (Short Tandem Repeats, englische Abk. STRs) verwendet. Als STRs werden sich wiederholende DNA-Sequenzmotive bezeichnet, die aus 2 bis 6 Nukleotiden bestehen und die bis zu 100-mal wiederholt vorkommen können. Um einen STR für forensische Applikationen verwenden zu können, muss die Anzahl der Wiederholungen innerhalb einer Population polymorph sein. STRs zeichnen sich durch ein sehr hohes Diskriminationsvermögen aus, wodurch die Untersuchung eines Sets von 9–15 Markern genügt, um einen Menschen, also auch einen Spurenverursacher, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu identifizieren.

Massenspektrometrische STR-Typisierung

Bei der herkömmlicherweise in der Forensik angewandten Analysenmethode, der Kapillarelektrophorese, werden STR-Allele anhand ihrer Länge unterschieden (Abb. 1).


Abb. 1 Zur Typisierung von STR-Markern werden standardmäßig elektrophoretische Verfahren eingesetzt. Dabei wird die Anzahl der Repeateinheiten durch Vergleich der Migrationszeit des entsprechenden Fragmentes mit den Migrationszeiten aller möglicher Längenvarianten (allelische Leiter) bzw. mit den Migrationszeiten von Längenstandards ermittelt.

Die Längeninformation von 9–15 Markern wird in der Folge zum genetischen Fingerabdruck zusammengefasst. Es wurde schon länger vermutet, dass zumindest ein Teil der STR-Marker neben der Längenvariabilität zusätzlich noch Nukleotidvariabilität zeigen könnte (Abb. 2).


Abb. 2 STR-Marker Längen- und Nukleotidvariabilität

Um diese Information der Forensik zugänglich zu machen, fehlte bislang allerdings ein Analyseverfahren, das geeignet war, in die Routine Eingang zu finden. Diese Lücke konnte mithilfe der Massenspektrometrie geschlossen werden.
Die massenspektrometrische Analyse von STR-Fragmenten ist ein zweistufiger Prozess (Abb. 3).


Abb. 3 Prinzip der massenspektrometrischen Typisierung von STR-Fragmenten

In einem ersten Schritt wird gezielt jener Abschnitt des Genoms mittels Polymerasekettenreaktion (englische Abk. PCR) vervielfältigt, in dem sich der zu analysierende Marker befindet. Dadurch erhält man eine große Menge von durch und durch identischen Molekülen, von denen in der Folge die molekulare Masse bestimmt wird. Die experimentell bestimmte molekulare Masse wird mit der für den untersuchten Genomabschnitt theoretisch berechneten molekularen Masse verglichen. Stimmen die beiden Werte innerhalb eines Toleranzbereiches nicht überein, liegt eine Sequenzvariation vor. Dabei kann aus der Differenz der beiden Werte auf die Art der Veränderung geschlossen werden. Sowohl Längen- als auch Nukleotidvarianten können so unterschieden werden. Wir haben mithilfe der Massenspektrometrie die in der Forensik verwendeten STR-Systeme hinsichtlich des Auftretens von Nukleotidvarianten untersucht. Es zeigte sich, dass das neue Typisierungsverfahren für eine Mehrzahl von STR-Markern eine höhere Auflösung lieferte. Je nach untersuchter Populationsstichprobe zeigten 11–19 von 21 untersuchten STR-Markern Nukleotidvariabilität [1-4].

Täterprofile genauer unterscheiden

Die simultane DNA-Fragmentlängen- und Sequenzunterschied-Bestimmung mittels Massenspektrometrie bietet entscheidende Vorteile gegenüber der Elektrophorese. Mit der doppelgleisigen Untersuchung wird das Diskriminationspotenzial bei Vorliegen partieller DNA-Profile aufgrund geringer DNA-Mengen (Mikrospuren) oder aufgrund qualitativ minderwertigen biologischen Materials (Degradation) trotz gleich bleibender DNA-Markerzahl erhöht. Insgesamt wird bei Beibehaltung etablierter DNAMarker eine Maximierung des Informationsgehalts erzielt. Damit erhöht sich die Erfolgsquote der Verbrechensaufklärungen sowie der Identifikationen nach Massen- Desastern. Trotz allem bleiben alle bisher in nationalen Datenbanken vorhandenen Daten weiterhin in vollem Umfang nutzbar, denn die Nukleotidinformation kann als optional verwertbare Zusatzinformation angesehen werden.

Zusammenfassung

Die Massenspektrometrie repräsentiert eine schnelle und zuverlässige Methode zur Charakterisierung von STR-Markern. Sie ermöglicht neben der Unterscheidung von Längenvarianten auch die Feinauflösung von Nukleotidvarianten. Damit kann die forensische Effizienz des genetischen Fingerabdrucks gesteigert werden, was vor allem bei der Interpretation von Typisierungsergebnissen von Proben mit wenig oder stark in Mitleidenschaft gezogener DNA eine Rolle spielen kann. Alles in allem hat die Massenspektrometrie das Potenzial, in Zukunft die Kapillarelektrophorese in der STR-Analytik zu ersetzen (Abb.4).


Abb. 4 Vergleich des genetischen Fingerabdrucks mit ein und derselben Probe, ermittelt mit der elektrophoretischen Typisierung bzw. der massenspektrometrischen Typisierung.



Literatur
[1] Oberacher, H. & Parson, W. (2007) BioTechniques 43, vii-xiii.
[2] Pitterl, F. et al. (2008) Electrophoresis 29, 4739 –4750
[3] Oberacher, H. et al. (2008) Hum. Mutat. 29, 427 –432
[4] Pitterl, F. et al. (2010) Int. J. Legal Med. 124, im Druck.

Stichwörter:
Forensik, DNA Typisierung, Short Tandem Reapeat Typisierung, STR-Typisierung, STR-Fragment, genetischer Fingerabdruck, MS, Massenspektrometrie

L&M 2 / 2010

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 2 / 2010.
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