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Süßes Salz

Unser Energielieferant: Zucker

In den Industrienationen ist heute Zucker ein allgegenwärtiges, leicht verfügbares Produkt, das uns fast überall in Nahrungsmitteln begegnet. Dabei ist es noch gar nicht so lange her, dass Zucker zu den Luxusprodukten zählte, ein teures Vergnügen war und dessen Genuss ganz besonderen Ereignissen vorbehalten blieb. Der erste den Menschen zugängliche Zucker war der Bienenhonig. In keinem anderen Naturprodukt ist er so hoch angereichert. Er war früher den Herrschaften vorbehalten und wurde später in Apotheken als Mittel gegen „Gram und Bitterkeit“ verkauft. Dies änderte sich dann aber grundlegend, als der Rohrzucker aus der Karibik und danach Rübenzucker in Europa in reiner Form zur Verfügung standen.

Rohrzucker, Rübenzucker, Sucrose sind Synonymefür die Saccharose, einem Disaccharid aus Glucose und Fructose, das in vielen Pflanzen in kleinen Mengen vorkommt. Größere Zuckergehalte findet man praktisch nur im Zuckerrohrund in der Zuckerrübe. Das zu den sog. C4-Pflanzen gehörende Zuckerrohr (Saccharumofficinarum, Poaceae) stammt aus Melanesien und verbreitete sich über China und Indien bisin den arabischen Raum. Während der Kreuzzüge erfuhren die Europäer vom „süßen Salz“. Christoph Kolumbus brachte dann das Zuckerrohr nach Amerika. Das Zuckerrohr entwickelt4–6 m hohe und 4–6 cm starke, markige Halme mit einem Saccharosegehalt von 15–20 %.

Der Saft der Runkelrübe

Das marktbeherrschende Zuckermonopol der Kolonialmächte brach, als 1747 der Chemiker Andreas Sigismund Marggraf den hohen Zuckergehalt in der Runkelrübe (Beta vulgaris saccharifera, Chenopodiaceae) entdeckte. Sein Schüler Franz Carl Achard pflanzte sie dann im heutigen Berlin-Kaulsdorf an, stellte daraus den ersten Rübenzucker her und schuf die Grundlagen der industriellen Zuckerproduktion. Die Zuckerrübe ist eine zweijährige Pflanze, die im ersten Jahr Zucker für das weitere Wachstum und die Blüte im folgenden Jahr anreichert. Um 1850 enthielt die Zuckerrübe nur 5–6 % Saccharose, heute liegt der Gehalt bei den weiter gezüchteten Sorten zwischen 17–20 %.
Zuckerrüben enthalten neben etwa 77 %Wasser ca. 16.5 % Saccharose (Abb. 1), 1.1 %Proteine, Aminosäuren, Hydantion und Betain,0,1 % Rohfett, 1,2 % Pektine, 2,9 % Stickstoff freie Substanzen wie Saponine, Oleanolsäure- Derivate, Ferulasäure (Abb. 2), Raffinose, Kestose und Enzyme sowie 0,8 % anorganische Bestandteile an Kalium, Natrium, Calcium und Phosphor. Aus 100 kg Rüben erhält man etwa 110-120 l Rohsaft. Durch Zugabe von Kalkmilch oder gebranntem Kalk werden Säuren (Phosphorsäure, Oxalsäure, Citronensäure), Eisen- und Magnesiumsalze zusammen mit Eiweißkolloiden ausgefällt. Gleichzeitig entsteht dabei auch „Zuckerkalk“, der ebenfalls teilweise mit ausgefällt wird. Man leitet deshalb CO2 ein, um durch Fällung des Calciums als CaCO3 die Saccharose wieder zurück zu gewinnen.
Der Saft wird dann durch Filterpressen gepresst und liefert den sog. Dünnsaft, aus dem sich nach dem Eindampfen im Vakuum bei 70 °C eine zähe Masse aus Kristallen und Muttersirup mit 85 % Rohrzucker bildet. Der nach der Zentrifugation zurückbleibende Sirup kristallisiert erneut und liefert einen Zucker geringerer Reinheit. Weitere Raffinationsschritte liefern schließlich reinen, weißen Zucker. Im Zuckerrübensaft ist auch Raffinose vorhanden, im Zuckerrohr kommt sie dagegen nicht vor. In diesem Trisaccharid ist ein Galactosemolekül glykosidisch an die Saccharose gebunden. Da Raffinose die Kristallisation hemmt, hydrolysiert man sie mit Galactosidase zu Saccharose und Galactose und erhöht so die Ausbeute.

Zuckereratz : Süßstoffe

Zucker finden wir in fast allen Nahrungsmitteln, oft nehmen wir ihn zu uns, ohne zu ahnen, wo er überall hineingepackt ist. Ein prüfender Blick in die eigene Küche fördert zu Tage, dass der Energieprotz Zucker selbst in so harmlosen Artikeln wie Senf, Mayonnaise, Joghurt, Kondensmilch, Ketchup oder alkoholfreiem Bier enthalten ist. Natürlich wissen wir, dass Nudeln und Brot Kohlenhydrate enthalten – und essen doch beides mit Genuss. Es gilt also das rechte Maß und den Überblick zu behalten, um nicht in die Zuckerfalle mit den bekannten Folgen Karies, Übergewicht und Folgekrankheiten wie Diabetes zu geraten. Für viele sind Süßstoffe ein Mittel oder im Falle von Diabetes der einzige Weg, sich das Überangebot an Zucker vom Leib zu halten. Süßstoffe sind natürliche oder synthetisch gewonnene Substanzen, die als energiefreier Zuckerersatzdienen und eine wesentlich höhere Süßkraft als Saccharose besitzen. Zurzeit sind in der EU acht Süßstoffe zugelassen (Tabelle, Abb. 3).

Der ADI-Wert

Die Zulassung von Süßstoffen ist durch EG-Richtlinien geregelt und setzt die Überprüfung der gesundheitlichen Unbedenklichkeit voraus. In der BRD ist dafür verantwortlich die Senatskommission zur Beurteilung der gesundheitlichen Unbedenklichkeit von Lebensmittelnder DFG. Bei der gesundheitlichen Bewertung werden „akzeptable tägliche Aufnahmemengen“ (Acceptable DailyIntake) festgelegt, die sich auf Tierexperimente stützen. Daraus ergibt sich ein Wert, der mit einem Sicherheitsfaktorversehen, die Menge festlegt, die lebenslang aufgenommen werden kann, ohne dass unerwünschte Nebenwirkungen zu erwarten sind. ADI-Werte sind keine toxikologischen Grenzwerte; es bestehen deshalb auch keine Bedenken, wenn die Mengen gelegentlich überschritten werden. Wichtig ist, dass auch die Etikettierung der mit Süßstoff hergestellten Produkte EU-weit geregelt ist. Das gilt natürlich besonders für Aspartam, denn Menschen mit Phenylketonurie dürfen die Aminosäure Phenylalanin nicht aufnehmen.

Süßstoffe – ein Gesundheitsrisiko?

Über die Langzeitwirkung von Süßstoffen auf die Gesundheit liegen bis heute keine Studien vor. Ein Zusammenhang zwischen Süßstoffkonsum und Krebsrisiko ist nach einer Studie von M. R. Weihrauch et al. (Med. Klin. 2001; 670–675; Annals of Oncology 2004, 1460–1465) statistisch nicht signifikant. Im Falle von Aspartam konnte ein Zusammenhang mit Wirkungen wie Kopfschmerzen, Allergien, neuroendokrinen Veränderungen oder Epilepsie nicht bestätigt werden. Auch eine mögliche Tumorauslösende Wirkung konnte durchzahlreiche Studien ausgeschlossen werden. Zwar wird im Körper aus Aspartam durch Hydrolyse Methanol freigesetzt und dieses zu Formaldehyd oxidiert, die dabei entstehende Menge ist z. B. um ein Vielfaches geringer als die beim Verzehr von Zitrusfrüchten oder Tomaten aufgenommene Menge Methanol.
Bei Saccharin wurde in Tierexperimenten festgestellt, dass bei sehr hohen Gaben (bis zum Hundertfachen des ADI Wertes)Blasenkrebs entstehen kann. Für Menschen scheint Saccharin kein Gefährdungspotenzial zu besitzen: Hierfür spricht, dass Diabetiker trotz überdurchschnittlichen Konsums nicht vermehrt Blasenkrebs entwickeln. Auch Cyclamat geriet in den Verdacht, die Entstehung Blasenkrebs zu begünstigen und wurde deshalb in den USA verboten. Aber auch bei diesen Tierexperimenten wurde mit extrem hohen Dosen gearbeitet, sie würden umgerechnet auf den Menschen einer täglichen Aufnahme von4.000–5.000 Süßstofftabletten entsprechen.
Es scheint also ein geringfügig erhöhtes Blasenkrebs-Risiko für Personen zu bestehen, die besonders viel Süßstoff zu sich nehmen. Sicher scheinen Acesulfam-K, Neohesperidin, Thaumatin oder Sucralose zu sein, denn bisher wurde in tierexperimentellen Studien kein erhöhtes Krebsrisiko festgestellt. Epidemiologische Aussagen über eine mögliche Gefährdung sind allerdings derzeit noch nicht verfügbar.

Foto: © Dr. Gerhard Schilling

L&M 2 / 2008

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 2 / 2008.
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