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Dr. Thomas Strecker
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Influenza A/H1N1 2009 -Virologie
Influenza A/H1N1 2009 -VirologieErfolgreiche Reise um den Globus
Prof. Dr. Stephan Becker, Dr. Thomas Strecker, Dr. Markus Eickmann und Dr. Jennifer Uhlendorff, Institut für Virologie, Philipps-Universität Marburg Abb.: Anzucht und Vermehrung von A/H1N1 in Zellkultur Pandemie-Warnstufe 6 Um eine Ausbreitung der Grippe zu verhindern, ordneten die Behörden in Mexiko- Stadt die Schließung aller Theater, Museen, Büchereien, Schulen und Universitäten an. Sportliche und kulturelle Großereignisse wurden abgesagt, das öffentliche Leben kam praktisch zum Erliegen. Trotz der Eindämmungsversuche seitens der mexikanischen Regierung verbreitete sich das Virus anfänglich rasch aus, vor allem auf dem amerikanischen Kontinent. Die rasante Ausbreitung von Mensch zu Mensch und die damit einhergehende, schnell steigende Zahl von neuen Erkrankungen alarmierten die Weltgesundheitsorganisation WHO und Ende April 2009 warnte sie vor einer weltweiten Verbreitung (Pandemie). Influenza A/ H1N1 2009 war aber nicht mehr aufzuhalten. Infizierte Reisende verbreiteten das Virus innerhalb weniger Tage weltweit, eine Folge unseres globalen Reiseverkehrs. Länder rund um den Globus meldeten das Auftreten des neuartigen Grippevirus. Durch Geschichte und Kultur eng mit Mexiko und den Vereinigten Staaten verbunden, verwundert es nicht, dass Spanien bzw. Großbritannien die ersten bestätigten Fälle in Europa berichteten. Am 11. Juni 2009 rief die WHO die höchste Warnung aus: Stufe 6. Influenza A/H1N1 2009 wurde zur weltweiten Seuche erklärt. Zuletzt wurde die höchste Pandemie-Stufe im Jahr 1968 während der so genannten Hongkong-Grippe ausgerufen, bei der von 1968 bis 1970 weltweit über eine Millionen Menschen starben und die alleine in Deutschland über 30.000 Opfer forderte. Weltweit hat die WHO bislang 399.232 Infektionen mit über 4.735 Todesfällen registriert (Stand 11.10.2009, Quelle WHO). Die ersten importierten Fälle in Deutschland wurden Anfang Mai gemeldet. Die Gesamtzahl der zwischenzeitlich in Deutschland bestätigten Influenza A/ H1N1-Fälle beträgt 21.603 (Stand: 07.10.2009, Quelle RKI). Zwei Patienten verstarben an den Folgen der Erkrankung. Der überwiegende Teil der Erkrankungsfälle zeigt bislang einen milden Verlauf und die Patienten sind innerhalb weniger Tage genesen. Von schwereren Verläufen sind neben Schwangeren meist Personen mit Vorerkrankungen wie chronische Lungenkrankheiten, Asthma, Diabetes, Herzkreislauferkrankungen, neurologische Erkrankungen, Störungen des Immunsystems oder Stoffwechselerkrankungen betroffen. Was bedeutet A/H1N1 ? Influenzaviren gehören zu der Familie der Orthomyxoviridae, die membranumhüllte Viren mit einem einzelsträngigen, segmentierten RNA-Genom darstellen (Abb. 1 A und B).
Die Influenzaviren werden aufgrund serologischer Unterschiede der Nukleoproteine und Matrixproteine in die Genera A, B und C gegliedert. Die Antigenvariabilität der Oberflächenglykoproteine Hämagglutinin (HA) und Neuraminidase (NA) der Influenza-A-Viren führt weiterhin zu einer Unterteilung in verschiedene Subtypen. Zurzeit sind 16 serologisch unterschiedliche HAs (H1-H16) und 9 NAs (N1 bis N9) bekannt. Aufgrund dieser serologischen Unterschiede und der phylogenetischen Klassifizierung wurde das Schweinegrippevirus als H1N1 Influenzavirus identifiziert. Die Beschreibung der einzelnen Isolate setzt sich ferner der Reihenfolge nach aus dem Genus, der Wirtsspezies (entfällt bei humanen Isolaten), Ort, Nummer und Jahr der Isolierung zusammen. So wird z.B. ein Virus, das aus einem Patienten aus Kalifornien isoliert wurde, als A/California/ 4/2009 (H1N1) bezeichnet.
Wieso „Schweinegrippe“? Woher das Virus stammt und wo es geografisch seinen Ursprung hatte, ist bislang noch unklar. Es gibt allerdings die Vermutung, dass Influenza A/H1N1 2009 seinen Ausgangspunkt in einem kleinen Ort namens La Gloria im mexikanischen Bundesstaat Veracruz hatte. Ein vierjähriger Junge aus diesem Ort soll Behördenangaben zufolge der erste weltweit nachgewiesene Fall gewesen sein, der an Influenza A/H1N1 2009 erkrankt war („Patient null“). Ob eine in der Nähe befindliche Schweinemastanlage im Zusammenhang mit dem Ausbruch der Krankheit steht, ist Gegenstand kontroverser Diskussionen. Die Betreiberfirma Granjas Carroll de Mexico, die zur Hälfte dem US-Konzern Smithfield Foods und damit einem der weltweit größten Produzenten von Schweinefleisch gehört, spricht von einem „unglücklichen Zusammentreffen“. Der von den Medien verwendete und nun in der Öffentlichkeit verankerte Begriff „Schweinegrippe“ ist daher gehend irreführend, da das natürliche Reservoir aller Influenzaviren wildlebende Wasservögel darstellen. Ausgehend von diesen Wasservögeln werden die Viren zunächst auf Zuchtgeflügel und Schweine übertragen. Nur in seltenen Fällen konnte bislang eine direkt Übertragung auf den Menschen beobachtet werden, da die zuvor an den Vogel angepassten Viren nur selten eine effiziente Replikation im Menschen ermöglichen. Die Anpassung der Viren an den Menschen kann u.a. durch den Austausch einzelner Genomsegmente erfolgen. Dieser auch als Reassortierung (oder Neukombinierung) bezeichnete Austausch tritt auf, wenn eine Zelle eines Organismus mit mindestens zwei verschiedenen Influenzaviren infiziert wird. Die Genomsegmente beider Viren können dann während der Entstehung von Nachkommenviren kombiniert werden, sodass u.a. Influenzaviren mit Genomsegmenten beider parentaler Viren auftreten. Das Schwein stellt dabei einen optimalen Wirt für diese Reassortierung dar, da es sowohl von aviären Viren als auch von humanen Viren infiziert werden kann. Das A/H1N1-Virus der Schweinegrippe entstand durch eine solche Reassortierung von einem Virus, das bereits seit Längerem in Schweinen in Nordamerika zirkuliert und einem H1N1-Virus, das in Schweinen in Eurasien auftritt. Die Namensgebung „Schweinegrippe“ ist demnach vermutlich darauf zurückzuführen, dass die Entschlüsselung des Genoms von A/H1N1 ähnliche genetische Merkmale wie bereits zirkulierende Schweineinfluenzaviren zeigte. Vom Saatvirus zum Impfstoff Vor der Produktion des Pandemie-Impfstoffes gegen Influenza A/H1N1 2009 müssen die Viren zunächst angezüchtet und vermehrt werden. Erst auf Grundlage eines solchen Impfstoffreferenzvirus (so genanntes Saatvirus) kann dann die eigentliche Fertigung des Impfstoffs in größeren Mengen beginnen. Die Entwicklung eines Saatvirus aus einem unbekannten, möglicherweise hochpathogenen Virus erfolgt hierbei in Laboren der biologischen Sicherheitsstufen S3 oder S4. Diese Voraussetzungen sind am Institut für Virologie der Universität Marburg gegeben, das mit dem im Dezember 2007 eröffneten Hochsicherheitslabor eines der modernsten Labore Europas mit der höchsten biologischen Sicherheitsstufe besitzt. Im Marburger Hochsicherheitslabor werden normalerweise hochgefährliche Erreger wie Lassa-, SARS-, Ebola- und Marburg- Viren untersucht. Darüber hinaus kann die Marburger Virologie auf eine jahrzehntelange Expertise auf dem Gebiet der Influenzaforschung zurückblicken. Bei der Herstellung des Saatvirus arbeitete unser Haus eng mit Novartis Behring zusammen, um den Übergang in die Produktion möglichst zeitnah zu gewährleisten. Traditionell werden Impfstoffseren in bebrüteten Hühnereiern hergestellt. Eine in den letzten Jahren erfolgreich entwickelte Alternative hierzu stellt eine auf Zellkultur basierende Herstellungstechnologie von Impfstoffen dar. Diese Methode besitzt den Vorteil, dass das Saatvirus für die Vermehrung nicht zuvor an Hühnereier angepasst werden muss und somit die erforderliche Zeit bis zur Impfstoffproduktion um Wochen verkürzt werden kann, was gerade bei der Herstellung eines pandemischen Impfstoffes von enormer Bedeutung ist. Die Saatvirusgewinnung Die Saatvirusgewinnung begann zunächst mit der Vermehrung von Wildtyp- Viren (z.B. A/California/4/2009 (H1N1)), die von WHO-Referenzlaboren und dem CDC zur Verfügung gestellt wurden. Parallel zur Herstellung eines Saatvirus wurden Viren angezüchtet, die aus Patienten in Hamburg und Regensburg isoliert wurden. Sequenzanalysen ergaben, dass es sich bei diesen Isolaten um A/California/ 4/2009 (H1N1)-ähnliche Viren handelt und diese somit vermutlich vergleichbare antigene Eigenschaften aufweisen – eine wichtige Voraussetzung für die Herstellung eines Impfstoffes gegen das Pandemie-Virus. Rekomnninate Viren Da Wildtyp-Viren meist nur eine eingeschränkte Replikationsfähigkeit aufweisen, werden so genannte „rekombinante” Viren benötigt, d.h. Viren, die zum einen die genetischen Merkmale eines charakterisierten attenuierten Influenza-Impfstammes enthalten, um eine effiziente Replikation in den Hühnereiern oder in der Zellkultur zu gewährleisten. Zum anderen besitzen diese Viren aber die Hüllproteine Hämagglutinin und Neuraminidase des Pandemie-Virus, wogegen das menschliche Immunsystem schützende Antikörper herstellt. Ein klassisches Verfahren, um ein solch rekombinantes Virus herzustellen, ist die natürliche Reassortierung. Hierzu werden Säugetierzellen (oder bebrütete Hühnereier) sowohl mit A/H1N1 2009 als auch mit einem Influenzaimpfstamm infiziert. Durch die gleichzeitige Vermehrung beider Viren in einer Zelle kommt es nun durch zufällige Kombination der Genomsegmente zur Bildung von Reassortanten, die nun sowohl Eigenschaften von A/ H1N1 2009 als auch des Impfstammes besitzen. Das resultierende Saatvirus enthält im optimalen Fall die sechs Erbgutsegmente des Impfstammes, die ein optimales Wachstum in der Zellkultur sicherstellen und die beiden Genomsegmente, die für das Hämagglutinin und die Neuraminidase des Pandemie-Virus, kodieren. Die Herstellung eines Saatvirus mit dieser Methode ist aber ein zeitaufwändiges Verfahren, da in einem mehrwöchigen Selektionsprozess mithilfe neutralisierender Antikörper gegen die Hüllproteine des Impfstammes die Entstehung von Viren mit den Impfstamm-Oberflächenproteinen verhindert werden muss. Reverse Genetik Eine weitere, jedoch zielgerichtetere und effizientere Möglichkeit, maßgeschneiderte rekombinante Viren herzustellen, bietet der Ansatz der reversen Genetik (reverse genetics). Diese Methode ermöglicht nach dem Baukastenprinzip die Generierung von infektiösen Influenzaviren aus cDNA. Hierzu werden Plasmide verwendet, die für jeweils eines der acht Genomsegmente der Influenzaviren kodieren. Nach Einbringung der Plasmide in die Zellen durch Transfektion werden sowohl die viralen RNA-Segmente als auch die viralen Proteine synthetisiert, die zu vermehrungsfähigen Viruspartikeln zusammengebaut werden. Mithilfe dieser neuen Konzepte und Verfahren, insbesondere der zellkulturbasierten Herstellungstechnologie, ist man heute in der Lage, sehr viel schneller neuen Erregern wirksam entgegenzutreten. Ob A/H1N1 2009 in den kommenden Wintermonaten in einer zweiten Welle zurückkommt und sich vielleicht wie im Falle der Spanischen Grippe von 1918 durch schwerere Krankheitsverläufe auszeichnet, ist nicht abzusehen. Wir hoffen, dass es hierzu nicht kommen wird, gerüstet sind wir aber. |
L&M 5 / 2009Das komplette Heft zum kostenlosen Download finden Sie hier: zum Download Die Autoren:Weitere Artikel online lesenNewsSchnell und einfach die passende Trennsäule findenMit dem HPLC-Säulenkonfigurator unter www.analytics-shop.com können Sie stets die passende Säule für jedes Trennproblem finden. Dank innovativer Filtermöglichkeiten können Sie in Sekundenschnelle nach gewünschtem Durchmesser, Länge, Porengröße, Säulenbezeichnung u.v.m. selektieren. So erhalten Sie aus über 70.000 verschiedenen HPLC-Säulen das passende Ergebnis für Ihre Anwendung und können zwischen allen gängigen Herstellern wie Agilent, Waters, ThermoScientific, Merck, Sigma-Aldrich, Chiral, Macherey-Nagel u.v.a. wählen. Ergänzend stehen Ihnen die HPLC-Experten von Altmann Analytik beratend zur Seite – testen Sie jetzt den kostenlosen HPLC-Säulenkonfigurator!© Text und Bild: Altmann Analytik ZEISS stellt neue Stereomikroskope vorAufnahme, Dokumentation und Teilen von Ergebnissen mit ZEISS Stemi 305 und ZEISS Stemi 508ZEISS stellt zwei neue kompakte Greenough-Stereomikroskope für Ausbildung, Laborroutine und industrielle Inspektion vor: ZEISS Stemi 305 und ZEISS Stemi 508. Anwender sehen ihre Proben farbig, dreidimensional, kontrastreich sowie frei von Verzerrungen oder Farbsäumen. © Text und Bild: Carl Zeiss Microscopy GmbH |