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L&M-4-2012 > Katalyse völlig neuartiger organischer Transformationen durch lösliche Goldkomplexe

Katalyse völlig neuartiger organischer Transformationen durch lösliche Goldkomplexe

Gold macht’s möglich

Erst kürzlich haben Goldkatalysatoren einen festen Platz im Arsenal der Katalyseforscher erhalten. Neben einer einzigartigen Aktivität zeichnen sie sich auch durch hochinteressante Intermediate im Katalysezyklus aus. Neben Vinylgoldverbindungen können sogar Gold-Carbenoide oder, wie jüngst gezeigt, Gold-Vinylidenverbindungen durchlaufen werden. Letztere sind sogar in der Lage, unaktivierte C-H-Bindungen in Alkylseitenketten, also notorisch unreaktive Gruppen, zur Reaktion zu bringen.

Seit prähistorischen Zeiten von Menschen hoch geschätzt, wurde Gold im Bereich der Katalyseforschung erst kürzlich eine ähnliche Aufmerksamkeit zuteil. Zwar gab es im Bereich der heterogenen Katalyse durch unlösliche Katalysatoren erste zaghafte Versuche schon 1973 durch Geoffrey Bond [1], doch erst 1986 wurde von Ito und Mitarbeitern über die erste wichtige Anwendung im Bereich der Homogenkatalyse berichtet [2]. Katalyse hat eine zentrale Bedeutung im Bereich der chemischen Produktion, mehr als 90 % aller industriell hergestellten Verbindungen durchlaufen bei ihrer Synthese zumindest eine, wenn nicht mehrere Katalysereaktionen. Diese immense Bedeutung der Katalyse wird z.B. dadurch dokumentiert, dass vier Chemienobelpreise der letzten Dekade an Katalyseforscher vergeben wurden.
Für diese Vernachlässigung von Gold in der Katalyseforschung und speziell in der Homogenkatalyse gibt es keine rationalen Gründe. Eine diffuse Mischung von Vorurteilen, z.B. den hohen Preis des quasi „unbezahlbaren“ Goldes betreffend und die chemische Inertheit von elementarem (metallischem) Gold mit generell fehlender Reaktivität gleichsetzend, dürften die wichtigsten Ursachen sein. Beides lässt sich jedoch leicht entkräften, selbst Rhodium, dass je nach Börsenkurs sogar teurer als Gold sein kann, wird im Bereich der Homogenkatalyse bei der Hydroformylierung eingesetzt, jährlich werden Megatonnen an Hydroformylierungsprodukten erzeugt.
Und bezüglich der Reaktivität gibt es selbstverständlich einen enormen Unterschied zwischen metallischem Gold und löslichen Goldsalzen und Komplexen, die eine ganz andere Elektronenkonfiguration aufweisen.

Die Katalysatoren

Bei den Katalysatoren handelt es sich um Komplexe des Goldes. Beide der stabilen Oxidationsstufen von Gold, Gold(I) und Gold(III), werden eingesetzt. Gold(I) weist eine lineare Koordinationsgeometrie auf, zwei Liganden sind auf den gegenüberliegenden Seiten des Goldkations gebunden. Die Synthese dieser Katalysatoren ist einfach. Um Kosten zu sparen, kann man hier sogar von einem kleinen in der Bank erworbenen Goldbarren ausgehen, den man zunächst in Königswasser (eine Mischung von Salpetersäure und Salzsäure) auflöst. Dieses als „klassisch“ zu betrachtende Vorgehen liefert eine Lösung von Tetrachlorgoldsäure (HAuCl4, eine Gold(III)-
Verbindung), durch Zugabe von Tetrahydrothiophen wird dann zum einen das Gold(III) zu Gold(I) reduziert und überschüssiges Tetrahydrothiophen lagert sich and das Goldzentrum an. Dabei entsteht das Tetrahydrothiophengold(I)-chlorid (THTAuCl), das zu einem etwas höheren Preis sogar auch kommerziell erhältlich ist. Diese Verbindung ist Dreh- und Angelpunk für die Synthese aller Gold(I)-Katalysatoren. Die Umsetzung mit Phosphanen wie z.B. dem unten gezeigten KITPHOS liefert dann durch eine einfache Ligandenaustauschreaktion sofort A in ausgezeichneter Ausbeute [3]. Alternativ kann man über eine völlig neuartige Eintopf-Reaktion N-heterocyclische Carben-Liganden (z.B. B), die zweite populäre Ligandenklasse, direkt am Gold aufbauen – hier hat die Goldkatalyse sogar neue Impulse für die Synthese dieser Liganden gegeben, die seit 20 Jahren durch z.T. langwierige mehrstufige Sequenzen hergestellt wurden [4]. Um nun zu einem aktiven Katalysator zu gelangen, muss noch ein freier Koordinationsplatz für das Substrat geschaffen werden. Dies gelingt z.B. durch das Entfernen des Chlorid-Liganden am Gold mit einem Silbersalz (Fällung des unlöslichen AgCl), dessen Anion den Goldkatalysator ausreichend stabilisiert, aber gleichzeitig durch das Substrat noch verdrängt werden kann. Hier hat sich das (F3CSO2)2N– bewährt [5]. Benötigt man aktivere Katalysatoren mit Anionen, die praktisch nicht mehr mit dem Goldkatalysator wechselwirken, muss man die Abspaltung des Chloridanions mit den entsprechenden Silbersalzen in situ, also in Anwesenheit des Substrates durchführen. Gold(III)-Katalysatoren haben eine eher untergeordnete Bedeutung, die oben schon erwähnte leichte Reduktion zu Gold(I) ist hierfür verantwortlich.

Nukleophile Additionen – ein Eldorado der Heterozyklen

Während polarisierte Mehrfachbindungen, z.B. in C=O-Doppelbindungen, bereitwillig mit Nucleophilen reagieren, ist dies bei nicht aktivierten C=C-Doppelbindungen oder C==C-Dreifachbindungen nicht der Fall. Hier sind die Goldkatalysatoren als weiche, carbophile Lewis-Säuren ideale Aktivatoren. Durch Koordination an den elektrophilen Goldkatalysator wird die C- C-Mehrfachbindung in C aktiviert und das Nucleophil kann nun rasch angreifen. Interessanterweise ist die Reaktionsgeschwindigkeit dabei viel höher als bei verwandten Katalysatoren wie Platin(II)-Katalysatoren. Durch aufwendige Rechnungen kann man heute den Reaktivitätsunter schied sogar erklären [6], die Molekülorbitale der Metall-Substrat-Komplexe passen im Fall des Goldes viel besser für den Angriff des Nucleophils als im Fall des Platins und anderer Metalle. Die Zwischenstufen sind Alkyl- oder Vinylgoldverbindungen (D). Vermeidet man die Anwesenheit von starken Elektrophilen, können diese sogar isoliert und durch Röntgen-Kristallstrukturanalysen charakterisiert werden. Mit Elektrophilen hingegen erfolgt eine rasche Reaktion, neben Protonen (meist aus dem Nucleophil) können hier Halogene [7] und sogar Palladium(II)- Zwischenstufen [8] für Kreuzkupplungen eingesetzt werden.
Wird ein intramolekulares Nukleophil verwendet, gelangt man zu Heterozyklen – der wichtigsten Verbindungsklasse im pharmazeutischen und agrochemischen Bereich. Aus der großen Zahl bekannter Beispiele [9] soll die Reaktion der N-Propargylcarboxamide E hier die Möglichkeiten aufzeigen. Während eine Zyklisierung zum Oxazol G auch mit sehr starken Basen bekannt war (dann aber aufgrund der drastischen Reaktionsbedingungen keine Toleranz gegenüber funktionellen Gruppen aufweist), können mit Gold(I)-Katalysatoren sogar hoch selektiv die zuvor synthetisch nicht zugänglichen Alkyliden-Oxazoline F generiert werden. Diese sind wunderbare Synthesebausteine, z.B. kann das Grundgerüst über Alder-En-Reaktionen erweitert werden.

Goldcarbenoide als Zwischenstufen – komplexe Syntheseplanung

Alternativ können jedoch auch völlig andersartige Reaktionswege von den Vinylgold-Zwischenstufen beschritten werden. Wenn elektrophile Gruppen im Molekül so angeordnet sind, dass der Angriff am anderen Ende der Vinylgruppe in H erfolgt, erhält man ein Gold-carbenoid I. Von diesen sind verschiedenste Reaktionen bekannt, sie können mit einem weiteren Nukleophil reagieren, sie können cyclopropanieren oder sogar, wie unten gezeigt, zu interessanten Vinylcarbenoiden J und diese dann sogar mit Carbonylgruppen, also sehr schwachen Nucleophilen, reagieren. In einer komplexen Reaktionskaskade entsteht anschließend über eine Valenztautomerisierung und eine regioselektive Ringöffnung ein Phenol K [10]. Für die Planung einer Synthese muss der Chemiker – vom Zielmolekül ausgehend – diese Sequenz „rückwärts denken“, was hier zu einmaligen retrosynthetischen Schnitten führt, die den Regeln der „klassischen“ Retrosynthese widersprechen. Damit bietet die Goldkatalyse für die Herstellung von Molekülen völlig neue und einzigartige Möglichkeiten. Deren effiziente Nutzung fordert vom Anwender aber die Beherrschung konzeptionell sehr schwieriger Planungsregeln.

Gold-Vinylidenzwischenstufen reagieren sogar mit nicht-aktivierten C-H-Bindungen

Neben weiteren interessanten Konzepten wie oxidative C-C-Bindungsknüpfungen [11] und der oxidativen Generierung von alpha-Keto-Carbenoiden als reaktive Intermediate [12], hat nun eine weitere Familie spektakulärer Reaktionen auf sich aufmerksam gemacht. In Substraten vom Typ L sind zwei der Katalysatormoleküle LAu+ für den neuen Reaktionsmodus notwendig, das erste wird über eine sigma-Bindung als Goldacetylid gebunden, das zweite aktiviert dann das pi-System der anderen Dreifachbindung (M). Über diesen „Dual Activation“ genannten Reaktionsweg bildet sich dann ein Gold(I)-Vinylidenkomplex N. Studiert man die Struktur dieses Intermediats, zeigen Berechnungen einen stark elektrophilen Charakter am Carben-Kohlenstoffatom, hier ist ein großer Orbitalkoeffizient des niedrigsten unbesetzten Molekülorbitals zu beobachten. Damit ist dieses Intermediat nicht nur in der Lage, das pi-System aromatischer Ringe anzugreifen und so letztendlich in intermolekularen Reaktionen selektiv beta-substituierte Naphtaline Q oder in intramolekularen Reaktionen sonst nur schwierig zugängliche Dibenzopentalene P zu erzeugen. Darüber hinaus gelingt in spektakulärer Weise sogar die Reaktion mit nicht aktivierten C-H-Bindungen, Benzofulvene O können erhalten werden [13]. Solche selektive Reaktionen mit Alkylgruppen stellen gewissermaßen die Königsdisziplin der Organometall-Katalyse dar.

Es bleibt spannend

Nach einem zaghaften Beginn und einer Phase des exponentiellen Wachstums des Gebietes homogene Goldkatalyse findet sich heute kaum noch eine Ausgabe der entsprechenden Forschungsjournale ohne eine Publikation aus diesem Bereich. Dasselbe trifft auf Vorträge und Poster auf den passenden Fachkonferenzen zu. Und nach wie vor gehen wichtige neue Impulse für das Gebiet auf Gold zurück. Es scheint sich abzuzeichnen, dass Goldkatalysatoren auch in den nächsten Jahren Schrittmacher der Katalyseforschung darstellen werden.

Literatur

[1] Bond, G.C. et al. (1973) Chem. Commun. 444-445.
[2] Ito, Y. et al. (1986) J. Am. Chem. Soc. 108, 6405-6406.
[3] Hashmi, A.S.K. et al. (2011) Adv. Synth. Catal. 353, 749-759.
[4] Hashmi, A.S.K. et al. (2010) Adv. Synth. Catal. 352, 3001-3012.
[5] Mézailles, N. et al. (2005) Org. Lett. 7, 4133-4136.
[6] Pernpointner, M. & Hashmi, A.S.K. (2009) J. Chem. Theory Computation 5, 2717-2725.
[7] Hashmi, A.S.K. et al. (2010) Aust. J. Chem. 63, 1619-1626.
[8] Hashmi, A.S.K. et al. (2009) Angew. Chem. 121, 8392-8395.
[9] Hashmi, A.S.K. & Rudolph, M. (2011) Chem. Commun. 47, 6536-6544.
[10] Hashmi, A.S.K. et al. (2008) Chem. Eur. J. 14, 3703-3708.
[11] Kar, A. (2008) Chem. Commun. 386-388.
[12] Ye, L. et al. (2010) J. Am. Chem. Soc. 132, 3258-3259.
[13] Hashmi, A.S.K. et al. (2012) Angew. Chem. 124, 4532-4536.

Foto: © Prof. Dr. A. Stephen K. Hashmi

L&M 4 / 2012

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 4 / 2012.
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