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Wenn Pollen Verbrecher entlarven

Wenn Pollen Verbrecher entlarven

Wo und wann hat das Verbrechen stattgefunden? War der Verdächtige am Tatort?
Woher stammen illegale Drogen? Wurde Safran zu teuer gekauft? Antworten auf solche Fragen kann die „forensische Palynologie“ geben. Ihr Werkzeug sind Pollen und Sporen.

Begonnen hat alles am 22. November 1958, als Walter P. als vermisst gemeldet wurde. Als die Polizei erfuhr, mit wem Walter P. zum Zeitpunkt seines Verschwindens unterwegs war, gab es auch sofort einen Verdächtigen, den polizeibekannten Friedrich B. Eine nächtliche Hausdurchsuchung bei Friedrich B. brachte eine Pistole und andere Waffen zum Vorschein. So in die Enge getrieben, gestand Friedrich B., seinen Freund erschossen zu haben, was zu seiner Verhaftung am 23. November 1958 führte. Er beteuerte jedoch, dass es ein bedauerlicher Unfall gewesen wäre. Die Antwort, ob Unfall oder Mord, konnte nur die Leiche geben. In den folgenden Monaten führte Friedrich B. die Polizei immer wieder zu Orten im Großraum von Wien, von denen er behauptete, hier die Leiche vergraben zu haben. Die Suche blieb allerdings erfolglos. Es sollte bis Mai 1959 dauern, bevor die Leiche ans Tageslicht kam. Auf die Spur brachte die Polizei Prof. Dr. Wilhelm Klaus, seines Zeichens Geologe und später Paläobotaniker an der Universität Wien. Er untersuchte die Schuhe des Tatverdächtigen auf Pollenspuren. Er fand Picea (Fichte), Salix (Weide), Filipendula (Mädesüß) und ein fossiles Pollenkorn der Hickorynuss. Diese Pollenzusammensetzung und im Speziellen das fossile Pollenkorn deuteten auf eine Stelle 20 km nördlich von Wien, in die Donau-Au bei Spillern. Als man den Verdächtigen mit dieser präzisen Angabe über einen möglichen Fundort konfrontierte, brachte er die Polizei schließlich zur Stelle, wo er Walter P. vergraben hatte – es war in der Au bei Spillern. Das war weltweit der erste Fall forensischer Palynologie, die Pollen und Sporen zur Aufklärung von Verbrechen nutzt.

Was ist der Pollen und was macht ihn zu diesem hervorragenden Tool für die Forensik?

Im Lebenszyklus einer Blütenpflanze sind Pollenkörner der Entstehungsort und der Transportbehälter für das männliche Erbgut (Spermazellen). Dieses kann beim Transport zu den weiblichen Blütenteilen verschiedensten Umwelteinflüssen ausgesetzt sein. Geschützt wird es durch die Pollenwand, die sowohl strukturell als auch chemisch äußerst stabil und widerstandsfähig ist. Das führt dazu, dass Pollenkörner (genau gesagt deren Pollenwände) selbst nach Jahrmillionen nahezu unversehrt aus Gesteinsschichten isoliert werden und so Geschichten längst vergangener Zeiten erzählen können. Strukturell kann die (äußere) Pollenwand mit einem Haus verglichen werden, in den meisten Fällen bestehend aus Tectum (Dach), Columellae (Wände), Footlayer (Fußboden), Endexine (Estrich) und Intine. Chemisch gesehen besteht sie vorwiegend aus Sporopollenin(en), einem Biomolekül, das Kochen in diversen Säuren (konz. Salz-, Schwefel-, Flusssäure) unbeschadet übersteht. Pollenwandzerstörend sind Bodenbakterien und -pilze sowie Ozon, Feuer und starke Laugen. Die Ornamentierung der Pollenwand ist eine der wichtigsten Eigenschaften für forensische Untersuchungen. Die Muster auf den Pollenoberflächen (z.B. Stacheln, Leisten, Netze) erlauben uns eine Zuordnung des Pollenkorns zu einer bestimmten Pflanzengruppe. Die Formenfülle ist dabei enorm (für mehr Informationen lohnt sich ein Besuch der weltweit größten Pollendatenbank PalDat unter www.paldat.org). Eine weitere sehr wichtige Eigenschaft ist die Kleinheit der Pollenkörner. In der österreichischen (mitteleuropäischen) Flora reicht das Spektrum von 1/5 mm Durchmesser beim Kürbispollenkorn bis 1/200 mm beim Vergissmeinnicht. Durch diese Kleinheit sind Pollenkörner für Täter nahezu unsichtbar und selbst durch intensives Waschen lässt sich Pollen nicht restlos von Oberflächen und Kleidungsstücken entfernen.
Forensisch hoch relevant ist auch, ob es sich beim Pollenkorn, das an einem verdächtigen Gegenstand oder einer Person gefunden wird, von einer windblütigen Pflanze (z.B. Gräser, Pinien) stammt oder ob es sich um eine tierblütige Pflanze (z.B. Lilien, Sonnenblumen) handelt. Letztere können nur durch Direktkontakt mit der Pflanze auf den verdächtigen Gegenstand gekommen sein, während windblütiger Pollen mehr oder weniger weit durch die Luft getragen wird.

Pollen ist überall

Pollen ist überall und kann aus Haaren, Hausstaub und Honig genauso isoliert werden wie aus Kleidungsstücken, Mageninhalten und Autos. Im einfachsten Fall wird das zu untersuchende Material gewaschen, der Pollen zusammenzentrifugiert und danach acetolysiert. Die Acetolyse ist eine Methode, bei der alles vom Pollenkorn entfernt wird, was nicht aus Sporopollenin besteht. Das heißt also, am Ende der Prozedur bleiben die gereinigten, braun gefärbten Pollenwände übrig, die anschließend im Lichtmikroskop untersucht werden können. Dazu wird ein Präparat hergestellt, das bei 40-facher Vergrößerung durchgescannt wird. So oft ein Pollenkorn im Blickfeld auftaucht, wird es identifiziert und gezählt. Sind 300 Pollenkörner gezählt, wird die Probe statistisch ausgewertet und die entsprechenden Schlussfolgerungen können gezogen werden.

Was uns Pollen erzählt

Das Spektrum der Einsatzmöglichkeiten von Pollenkörnern als Detektive ist sehr breit. Wer z.B. billigen Safran kauft, könnte bei mikroskopischer Kontrolle durchaus Überraschungen erleben. Safranfäden sind die weiblichen Teile (Narbenlappen) der Blüten von Crocus sativus. Eine beliebte Methode, das „Gold unter den Gewürzen“ mit einem Kilopreis von bis zu 15.000 Euro zu verfälschen, sind Ringelblumen. Die eingetrockneten Zungenblüten sehen den echten Safranfäden täuschend ähnlich. Sieht man bei der Kontrolle im Mikroskop jedoch stacheligen Pollen, ist man der klassischen Safranfälschung zum Opfer gefallen.
Auch bei Honig ist nicht immer das im Glas, was auf dem Etikett angekündigt wird. So sollte etwa echter burgenländischer Blütenhonig nicht nur süß schmecken, sondern muss Pollen aus der entsprechenden österreichischen Region beinhalten, was anhand des Pollenspektrums relativ einfach festgestellt werden kann. Des Weiteren fällt auch die Überprüfung der Sortenreinheit eines Honigs in das Gebiet der „Pollendetektive“. In einem sortenreinen Sonnenblumenhonig sollte dann eben auch Sonnenblumenpollen dominieren.
Pollen erzählt uns aber auch über Klima und Vegetation längst vergangener Tage und verrät uns die Essgewohnheiten früherer Generationen. So wissen wir z.B. aus Pollenbefunden, dass die heute völlig kahle Osterinsel einst dicht mit Sträuchern und Bäumen bewachsen war. Und von Ötzi, der weltweit berühmtesten Mumie, wissen wir dank des Pollens aus seinem Verdauungstrakt, wo er die letzten Stunden seines Lebens verbracht hat [2]. Zusammenfassend sei noch allen Pollenallergikern zum Trost gesagt, dass ihre „Feinde“ Verbrecher zum Stolpern bringen, gefälschte Antiquitäten entlarven helfen, Cannabisplantagen aufspüren, den Ursprung gefälschter Medikamente orten und vieles mehr. Vielleicht stehen sie ja diesen fantastischen Mikrostrukturen im kommenden Frühling dadurch ein wenig versöhnlicher gegenüber.

Literatur
[1] Flenley, J.R. & King, S.M. (1984) Nature 307, 47-50.
[2] Oeggl, K. et al. (2007) Quaternary Science Reviews 26, 853-861.

Foto: © Ao Univ.-Prof. M Martina Weber

L&M 3 / 2012

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 3 / 2012.
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