Alternative DNA-Strukturen eröffnen neue Angriffspunkte
Alternative DNA-Strukturen eröffnen neue AngriffspunkteDNA im Visier
Viele Krankheiten lassen sich unmittelbar auf die Mutation einzelner Gene oder auf parasitäre DNA mit einer dadurch einhergehenden Bildung inaktiver oder meist schädlich wirkender Proteine zurückführen. Ein möglicher Therapieansatz besteht in der äußeren Regulation des zellulären Informationsflusses, wobei als Ziel in aller Regel Proteine als Endprodukte der Genexpression, aber auch transkribierte mRNA oder genomische DNA in Betracht kommen. Da Letztere als Speicher der Erbinformation die oberste DNA in doppelhelikaler Form ist Ziel der meisten DNA-bindenden Wirkstoffe
Bei der in zellulärer Umgebung vorherrschenden, doppelhelikalen B-DNA erzeugen die helikale Anordnung der beiden antiparallelen Polynukleotidstränge und die direkt auf der Helixachse liegenden Watson-Crick Basenpaare auf der DNA-Oberfläche eine kleine und eine große Furche ähnlicher Tiefe, über die die Nukleobasen von außen zugänglich werden. Die Art und Anordnung von in den Furchen exponierten Funktionalitäten mit Wasserstoffdonoren und Wasserstoffakzeptoren hängt von der Basenpaarabfolge ab und ist damit für eine sequenzspezifische Erkennung für Liganden von erheblicher Bedeutung. Tripelhelikale DNA steht im Fokus vielfältiger Anwendungsmöglichkeiten
Generell unterliegt die Sekundärstruktur der DNA in vivo dynamischen Veränderungen, wobei intermediär strukturelle Übergänge in andere alternative DNAFormen auftreten können. So sind vielfach in regulatorischen Genabschnitten spiegelbildlich angeordnete DNA-Sequenzwiederholungen von Homopurin- bzw. Homopyrimidinbereichen in der Lage, tripelhelikale Strukturen, so genannte H-DNA, auszubilden. Quadruplexe: neue medizinische Erkenntnisse beschleunigen die Entwicklung von quadruplexspezifischen Wirkstoffen
Die Enden der menschlichen Chromosomen (Telomere) bestehen aus sich wiederholenden guaninreichen Sequenzmotiven. Die Erhaltung dieser Telomer-Enden ist essenziell für die Stabilität des Chromosoms und wird durch das Enzym Telomerase, eine reverse Transkriptase, sicher gestellt. Von Interesse ist dabei die Beobachtung, dass sich diese guaninreichen DNA-Abschnitte in eine zusätzliche alternative DNA-Struktur, einen sog. G-Quadruplex, falten können (Abb. 1, 3). Eine Stabilisierung der sich bildenden Quadruplexe könnte somit die Funktion der reversen Transkriptase inhibieren. Dies stellt einen besonderen Ansatz für die Krebstherapie dar, da die sich schnell teilenden Krebszellen auf eine hohe Telomerase-Aktivität angewiesen sind. Daneben werden solche GC-reichen DNA-Abschnitte aber auch in einigen, die Genexpression regulierenden Promotorregionen gefunden. Ob diese alternative DNA-Struktur wichtige regulatorische Funktion in vivo besitzt, ist noch strittig, es wird ihr aber eine Rolle in der Meiose und der DNA-Rekombination zugeschrieben. Quadruplexspezifische Liganden können Quadruplex-Strukturen stabilisieren und damit potenziell in verschiedene biologische Prozesse eingreifen. Was bringt Wirkstoffe dazu, an DNA zu binden? Die spezifische Anbindung von Liganden an eine DNA-Struktur wird durch eine vorteilhafte freie Enthalpie der Assoziation ermöglicht. Der Beitrag von energetisch günstigen Wechselwirkungen in einem DNA-Ligand-Komplex wie beispielsweise Wasserstoffbrücken lässt sich zumindest qualitativ mithilfe einer dreidimensionalen Struktur erfassen und bietet den Rahmen für eine rationale Optimierung des Wirkstoffs bezüglich seiner Geometrie, der Ladungsverteilung sowie der Orientierung verschiedener Funktionalitäten. Allerdings wird die Bindungsaffinität oft zu einem erheblichen Teil von zusätzlichen Desolvatationseffekten und der Freisetzung von Ionen und Wassermolekülen während des Assoziationsprozesses bestimmt. Ein beobachteter, vollständiger Verlust der Assoziationsfähigkeit eines typischen DNA-Interkalators in nichtwässrigen Lösungsmitteln unterstreicht eindrucksvoll die Bedeutung des wässrigen Mediums auf die DNAErkennung [6]. Es ist deshalb für ein umfassenderes Verständnis der Ligand-DNA-Wechselwirkung im Rahmen eines nationalen Wirkstoffdesigns wichtig, strukturelle Informationen mit detaillierten thermodynamischen Daten aus spektroskopischen und insbesondere kalorimetrischen Untersuchungen zu verbinden. Fazit Insbesondere die Entwicklung von modular aufgebauten Liganden, die mehrere DNA-bindende Strukturelemente vereinen, hat in jüngerer Zeit zu erheblichen Fortschritten in der Erkennung doppelhelikaler DNA-Bereiche durch ein verlässliches Lesen auch längerer Basenabfolgen geführt. Es bleibt aber für die Zukunft eine Herausforderung, mit niedermolekularen Liganden eine ausreichende Sequenzselektivität zu erzielen, um beispielsweise die Ausschaltung einzelner Gene innerhalb des gesamten Genoms erzielen zu können. Andererseits können alternative DNA-Strukturen mit ihren teilweise sehr unterschiedlichen Struktureigenschaften als weitere, mögliche Ziele für ein Struktur-basiertes Wirkstoffdesign genutzt werden. Eine zunehmend detailliertere Charakterisierung von solchen nichtkanonischen DNA-Strukturen, ihrer sequenzabhängigen Bildung in der Zelle und ihrer möglichen biologischen Funktion, beispielsweise als Intermediate während eines bestimmten Zellstadiums, könnte somit in Zukunft neben dem potenziellen Ein- oder Ausschalten definierter Genabschnitte auch den direkten Eingriff in verschiedene biologische Aktivitäten ermöglichen.
andrea.eick@uni-greifswald.de
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