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Biologische Verbrechen und Bioterrorismus

Biologische Verbrechen und Bioterrorismus

RiViGene: Risikoviren in der Genomdatenbank

Die Verfügbarkeit der Erbgutinformation ganzer Genome hat die Vorgehensweisen, die in der Biologie für die Diagnose und Behandlung von Krankheiten Anwendung finden, revolutioniert. Genomprojekte haben gezeigt, dass die entschlüsselten Informationen entscheidend für die Analyse und den Vergleich biologischer Funktionen des Organismus und für die Bestimmung der Marker zum Auffinden von Krankheitserregermerkmalen sind. Im Zusammenhang mit biologischen Verbrechen und Bioterrorismus findet die Genomcharakterisierung ihre unmittelbare Anwendung in der Zurückverfolgung des pathogenen Bakterienstamms zu seinem Ursprung. Kenntnisse über das Erbgut sind auch unabdingbar, um Forschungsstrategien zu entwerfen, die zur Entwicklung von antiviralen Präparaten und Impfstoffen führen, mit denen infizierte Personen oder noch gesunde Kontaktpersonen nach der vorsätzlichen Verbreitung eines Virus behandelt werden können.

Alle Viren im Zusammenhang mit biologischen Verbrechen oder Bioterrorismus haben eines gemein: Sie werden ausschließlich in spezialisierten Hochsicherheitslaboratorienuntersucht. Herausragende Beispiele sind unter anderem die hämorrhagischen Fieberviren Ebola, Marburg, Lassa und Krim-Kongo (CCHF), die unter Bedingungen des biologischen Sicherheitsniveaus 4 (BSL-4)untersucht werden.
Gegenwärtig gibt es innerhalb der Europäischen Union lediglich sieben solcher Laboratorien und alle sieben nehmen am RiViGene-Projekt teil. Neben diesem Kreis gibt es weitere teilnehmende Laboratorien, die auf BSL-3-Niveau an ausgewählten Viren forschen. Hierzu gehören Partner, die mit dem SARS-Coronavirus, dem Vogelgrippevirus, Pockenviren, die mit dem ausgerotteten Variolavirus verwandt sind und anderen zoonotischen Viren, wie der Tollwut, dem Nipahvirus, dem Hantavirus, dem West-Nil-Virus, dem Gelbfiebervirus und den durch Zecken übertragenen Enzephalitis-Viren arbeiten.
Besonders erwähnt werden sollte die Teilnahme eines russischen Labors als Nicht-EU Partner: Russische Wissenschaftler haben sich schon seit weitaus längerer Zeit auf Krankheiten wie dem hämorrhagischen Krim-Kongo-Fieber und die durch Zeckenübertragenen Enzephalitis-Viren konzentriert und verfügen über eine umfangreichere Sammlung an Stämmen im Vergleich zu den europäischen Laboratorien. Diese Krankheiten treten vor allem in unseren östlichen und südlichen Nachbarländern auf. Ihrer Erforschung kommt in einer sich erweiternden Europäischen Union herausragende Bedeutung zu.
Zentrales Ziel von RiViGene ist es Erbgutinformationen aller Stämme der genannten Viren – soweit sie in den entsprechenden Sicherheitslaboratorien gehandhabt und aufbewahrt werden – zu vervollständigen, zu sortieren, zu kommentieren und zu verbreiten. Es erfolgt eine genetische Bestandsaufnahme der Stämme, indem existierende Erbgutinformationen und neue Virussequenzen, die zwar gesammelt, aber noch nicht analysiert wurden, zusammengeführt werden. Innerhalb dieser Arbeitsgemeinschaft werden die Daten dazu verwendet, molekularbiologische Typisierungswerkzeuge zu entwickeln, die ganz speziell jeden gelisteten Virusstamm identifizieren können. Die Technologie wird dezentral ausgewertet und an alle Partner verteilt. Als wichtiger, praktischer Satellitwird somit jedes teilnehmende Labor in der Lagesein, alle in RiViGene erfassten Virusstämme zurückzuverfolgen, wobei sie die Sicherheitslabors in den meisten EU-Mitgliedsstaaten mit abdecken.
Zusätzlich werden diese klassifizierten Erbgutinformationen zugunsten einer Priorisierung von Forschungsaufgaben, für Planungen im öffentlichen Gesundheitswesen und in der Festlegung der weiteren Politik verarbeitet. Es werden wissenschaftliche Abhandlungen zur Verfügung gestellt, die sich mit aktuellen Themen der antiviralen Forschung, der Impfstoffentwicklung und dem Erkennen von Viren beschäftigen, wobei der Schwerpunkt auf dem Bezug zum Bioterrorismus liegt. Die Verfasser jeder Abhandlung rekrutieren sich aus Komites europäischer Experten unseres Konsortiums, um die neuesten Erkenntnissein verständlichen Formaten zu kanalisieren. Koordinator des Projekts ist das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNI) in Hamburg/Deutschland. In den frühen achtziger Jahren war das BNI eines der ersten Institute in Europa, das über ein BSL-4-Labor verfügte. Zu seinen neuesten Errungenschaften zählt die primäre Identifizierung des auslösenden Virus für SARS– unterstützt von Kollegen in Deutschland, den Niederlanden und Frankreich. Das BNI arbeitet im Bereich Referenzierung und Erforschung hämorrhagischer Fieber eng mit der WHO zusammen.
Das Vereinigte Königreich ist im RiViGene-Projektdurch zwei Institutionen der Gesundheitsbehörde vertreten: das Zentrum für Infektionskrankheiten in London und das Bereitschaftszentrum für Notfallschutz in Porton Down. Beide Institute betreiben BSL-4- Labors.

drosten@virology-bonn.de

Foto: © Dr. Christian Drosten

L&M 2 / 2008

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 2 / 2008.
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