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Einblicke in die molekularen Grundlagen der Widerstandskraft der Wildtomate Solanum pennellii

Das Geheimnis wilder Tomaten

Stresstoleranz und Widerstandskraft von Nutzpflanzen kommt vor dem Hintergrund der durch den ­Klimawandel bedingten Risiken eine zunehmende Bedeutung zu. Bei der Tomate (Solanum lycopersicum) sind Resistenzen gegen Schädlinge, Krankheiten und Trockenheit durch Domestizierung und intensive Züchtung verloren gegangen. Die aus den Anden ­stammende Wildtomate Solanum pennellii zeichnet sich hingegen durch eine enorme Stresstoleranz aus. Das Verständnis der zugrunde liegenden molekularen Mechanismen eröffnet den Weg für eine zukünftig schnellere und effizientere Züchtung unserer ­Kulturpflanzen und damit für eine Verbesserung unserer wichtigsten Nahrungsquellen.

Die Tomatenspezies Solanum pennellii

Die ursprüngliche Tomatenart Solanum pennellii kommt, wie die kultivierte Tomate (Solanum lyco­persicum) auch, aus Südamerika. Allerdings ist Solanum pennellii, auch wenn diese Art der kultivierten Tomate sehr ähnlich sieht (Abb.1), nicht wirklich zum Anbau geeignet, da diese Art nur kleine, grüne und zudem klebrige Früchte hervorbringt. Allerdings handelt es sich bei dieser Art um eine ursprüngliche, wilde Verwandte der kultivierten Tomate und so ist sie z.B. auch relativ trockenstressresistent. Damit nicht genug, konnte das Labor von Dr. Fernie bereits vor ­einiger Zeit zeigen, dass diese Art sehr starke Änderungen in den Metabolitkonzentrationen ihrer Früchte aufweist und so möglicherweise großes Potenzial in einer Anpassung des Geschmackes hat [1].


Abb.1 Früchte von Solanum pennellii. Pflanzen der Wildtomaten bringen kleine, wenige Früchte hervor, die auch im reifen Stadium grün bleiben.
Bild mit freundlicher Genehmigung von Marie Bolger

Da diese wilde Verwandte diese und viele weitere interessante Merkmale aufweist und ­eine natürlich vorkommende Art ist, ist es sehr interessant, sich diese Merkmale züchterisch zunutze zu machen, ohne jedoch negative Merkmale mit einzubringen. Gerade in der Euro­päischen Union sind solche konventionellen Züchtungsansätze noch immer akzeptierter und manches Mal können nur so neue interessante Allele und/oder Gene gefunden werden.

Eine Introgressionlinienpopulation

Prof. Dani Zamir (Hebräische Universität Jeru­salem, Israel) hat daher schon vor einiger Zeit aus dieser Wildtomate durch Kreuzungen mit der kultivierten Tomate (Kultivar M82) eine sogenannte Introgressionslinienpopulation generiert [2,3]. Bei dieser wurden einzelne, kleine chromosomale Regionen (z.B. ein kurzes Stück von Chromosom 3) dieser Wildtomate durch Kreuzungen und Rückkreuzungen in das Genom der kultivierten Tomate eingeführt. Hierbei entstanden insgesamt fast 80 Linien, die jeweils einen anderen Teil des Genoms der Wildtomate in dem der kultivierten Tomate tragen. Somit haben diese Introgressionslinien größtenteils die Merkmale der bekannten Tomate und nur jeweils einige Gene und phänotypische Merkmale der Wildtomate. Da die eingebrachten Stücke wohldefiniert sind, lässt sich diese Population hervorragend zur Studie von quantitativen Trait Loci (QTL) nutzen, was auch bisher in großem Umfang geschah, sodass mithilfe dieser Population schon mehrere Tausend QTL definiert worden sind [4,5]. Alleine bei der Feststellung, welche Gene betroffen waren, gab es Probleme, da zwar das Genom der kultivierten Tomate (wenn auch von dem Kultivar Heinz und nicht M82), nicht aber jenes von Solanum pennellii bekannt war und jedes eingebrachte Stück immer noch häufig mehrere Hundert Gene enthielt.

Das Genom von Solanum pennellii

Aus diesem Grund wurde das Genom von Solanum pennellii von einem internationalen Forscherteam unter der Leitung von (ehemaligen) Forschern der Max-Planck-Gesellschaft aufgeklärt. Da aufgrund der bisherigen Analyse davon auszugehen war, dass diese Wildtomate erhebliche Unterschiede zu der kultivierten Tomate zeigen sollte, wurde das Genom „de-novo“ sequenziert, also nicht auf das bereits analysierte Genom der kultivierten Tomate zurückgegriffen, um auch wirkliche Neuheiten und Auffälligkeiten zu finden. Hierzu wurden am Max-Planck-Institut in Tübingen in der Gruppe von Prof Weigel ca. 179 Gigabasen an Sequenzdaten erzeugt und aus diesen wurde am Max-Planck-Institut in Golm und dann später an der RWTH Aachen ein sehr gutes Genom assembliert, bei dem die Hälfte des Genoms in Stücken der Größe von 1,7 Megabasen oder mehr zu finden war, was bei einer Gesamtgröße des Genoms von 1,2 Gigabasen als guter Wert anzusehen ist. Bei einzelnen Genen und Familien zeigten sich allerdings häufig erst einmal nur kleine Änderungen. Interessanterweise schien das Genom von Solanum pennellii allerdings mehr und jüngere trans­ponierende Elemente zu umfassen, was von französischen Partnern am Institut National de la Research Agronomique (INRA) in Versailles herausgefunden wurde. Dieses erklärt vermutlich auch teilweise, warum das Genom der Wildtomate merklich größer ist als jenes der kultivierten ­Tomate, welches weniger als eine Gigabase misst [6].

Da die Population von Prof. Zamir jedoch auf den Kultivar M82 und nicht auf den bereits sequenzierten Kultivar Heinz zurückgriff, wurde, um ganz sicherzugehen, dass Änderungen nicht bereits in den verschiedenen kultivierten Tomatenkultivaren vorkamen, der Kultivar M82 anhand des be­kannten Kultivars Heinz resequenziert, wobei das bekannte Heinz-Genom als Blaupause benutzt wurde.

Überraschungen

Hierbei stellte sich heraus, dass wie auch bei dem Heinz-Genom [6] sehr wahrscheinlich Teile des Solanum pimpinellifolium-Genoms eingekreuzt wurden. Bei Solanum pimpinellifolium handelt es sich um eine weitere Wildtomatenart, diese ist allerdings der kultivierten Tomate sehr nahe verwandt und produziert rote, wohlschmeckende Früchte. Dieses schien auch an anderen Stellen des Genomes von M82 als in Heinz der Fall zu sein. Da Solanum pimpinellifolium selbst kaum von der kultivierten ­Tomate zu unterscheiden ist und von Liebhabern auch kultiviert wird, war dieses jedoch fast zu erwarten.

Spannend wurde es dann bei potenziell stressinduzierten Genen. Es fand sich eine Assoziation von Änderungen in deren Expression in der Wildtomate in Bezug auf die kultivierte ­Tomate mit mobilen, transposablen Elementen. Häufig waren „Stressgene“ in der Wildtomate anderes exprimiert, was deren Stressresistenz erklären könnte und dieses schien in der Tat häufig durch transposable Elemente („springende Gene“) bedingt zu sein. Natürlich wird hier mehr Forschung notwendig sein. Es ist aber durchaus naheliegend, dass eine Anpassung an abiotischen Stress (z.B. Trockenstress) in der Wild­tomate durch die Transposition von mobilen Elementen und deren Aktivität in jüngerer Zeit stattfand. Solche Mechanismen der Expressionskontrolle wurden in letzter Zeit auch bei anderen Systemen festgestellt [7]. Einmal mehr zeigt dieses die bahnbrechenden Ideen von Barbara McClintock [8] auf, die die „kontrollieren­den Elemente“ in Mais untersuchte und dafür den Nobelpreis bekam.

Ebenso wurde von Forschern an der Cornell Universität (USA) gezeigt, dass sich die Lipid­zusammensetzung des Blattes von Solanum pennellii deutlich von jener unserer kultivierten Tomate unterscheidet, was ebenfalls bei einer Anpassung an Trockenheit eine wichtige Rolle spielen könnte (Abb.2). Hier war dieses jedoch erst einmal nicht auf transposable Elemente, son­dern vermutlich häufig auf andere Genexpres­sionsregulationsmechanismen zurückzuführen.


Abb.2 Blätter von Solanum pennellii. Pflanzen von S. pennellii haben dicke fleischige Blätter (ein typisches Merkmal an die Wüste angepasster Pflanzen) mit dichtem Stand in jungem Stadium und zunehmender Wachsschicht.
Bild mit freundlicher Genehmigung von Raimund Knauf und Alexander Vogel

Und was nun?

Trockenstress ist natürlich eine sehr interessante und nützliche Eigenschaft, die sich gerade in Bezug auf einen Klimawandel bei Tomaten ausnutzen lassen könnte. Ebenso werden Forschern nun die Daten an die Hand gegeben, auch andere wichtige und nützliche Eigenschaften eingehend zu untersuchen. In der Tat wurde das gerade erschienene Genom bereits für eine Arbeit gebraucht, die sich mit Naturstoffen in Tomaten beschäftigt [9].

Literatur
[1] Schauer, N. et al. (2006), J. Exp. Bot. 56, 297–307
[2] Eshed, Y. & Zamir, D. (1995), Genetics 141, 1147–1162
[3] Zamir, D. (2001), Nat. Rev. Genet. 2, 983–989
[4] Schauer, N. et al., (2006) Nat. Biotechnol. 24, 447–454
[5] Lippman, Z.B. et al. (2007), Curr. Opin. Genet. Dev. 17, 545–552
[6] Tomato Genome Consortium (2012), Nature 485, 635–641
[7] Rebollo, R. et al. (2012), Annu. Rev. Genet. 46, 21–42
[8] McClintock, B. (1956), Cold. Spring. Harb. Symp. Quant. Biol. 21: 197–216
[9] Kim, J. et al. (2014) The Plant Cell, DOI:10.1105/tpc.114.129460

Bilder: © istockphoto.com| ariwasabi, Okea

Stichwörter:
Introgressionlinienpopulation, Metabolitkonzentrationen, Chromosom, Genexpres­sionsregulationsmechanismen,

L&M 1 / 2015

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 1 / 2015.
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