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Drei positive Eigenschaften durch Mikro- und Nanostrukturen

Ultraschwarz durch den Regenwald

Strukturfarben und selbstreinigende Eigenschaften sind in Natur und Technik schon lange bekannt. Die Mikrostrukturen auf der Haut der Westafrikanischen Gabunviper vereinen jedoch gleich drei ­positive Eigenschaften miteinander. Sie verleihen den Rückenschuppen nicht nur eine ultraschwarze Farbe, ­sondern sorgen zusätzlich für wasserabweisende und selbstreinigende Eigenschaften.

Die Westafrikanische Gabunviper (Bitis rhinoceros) besitzt eine lebhafte Färbung aus schwarzen, weißen, grauen, braunen und grünen ­Flecken. Im Gegensatz zu anderen schwarz gefärbten Schlangen, deren Schuppenoberflächen meist glänzen, haben die Schuppen dieser Viper eine tiefschwarze Farbe, die an schwarzen Samt erinnert. Unsere beiden Forschergruppen an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn haben die Oberflächen der schwarzen Schlangenschuppen mit dem Rasterelektronenmikroskop untersucht und einzigartige Strukturen entdeckt. Mithilfe der Spektrometrie haben wir gezeigt, dass diese ultraschwarze Färbung nicht nur auf Pigmenten basiert, sondern zusätzlich durch Mikrostrukturen auf den Oberflächen der Schuppen unterstützt wird [1]. Zudem konnten wasserabweisende und selbstreinigende Eigenschaften der Schuppen nachgewiesen werden [2].

Mikrostrukturen für Farbeffekte auf der Schlangenhaut

Viele Reptilien besitzen Mikrostrukturen auf ihren Schuppenoberflächen, die so genannte Mikro­ornamentation. Es handelt sich dabei um komplexe Strukturen, die während der regelmäßig stattfindenden Häutung an der Grenze von alter und neuer Epidermis-Generation gebildet werden. Auf der gehäuteten Haut, der Exuvie, bleiben die Strukturen erhalten. Mikroornamentation ist häufig artspezifisch. Das heißt: Auch eng verwandte Arten können unterschiedliche Oberflächenstrukturen besitzen. Darüber hinaus kann die Form der Strukturen an verschiedenen Körperstellen, etwa an Bauch und Rücken, variieren. Auch die Schuppenzwischenräume haben häufig auch eine abweichende Oberflächen­geometrie. Bislang konnte nur bei wenigen Arten die Funktion dieser Strukturen geklärt werden. So erhöhen die feinverzweigten haarförmigen Strukturen auf den Fußunter­seiten vieler Geckoarten die Adhäsion und ermöglichen den Tieren so das Klettern auf senkrechten Oberflächen. Der positive Einfluss von Mikroornamentation auf den Bauchschuppen der Schlangen für die Fortbewegung ist mittlerweile gut belegt [3]. Auch Mikroornamentation mit optischer Funktion wurde schon beschrieben. Die Indigonatter (Drymarchon couperi) besitzt auf ihren Rückenschuppen Zähnchenstrukturen, die wie ein Diffraktionsgitter funktionieren. Durch die Beu­gung einfallenden Lichts entstehen irisie­rende Farben [4]. Auch die schillernden ­Farben auf dem Rücken der grabenden Schildschwänze (Uropeltidae) werden durch mikro­skopische Grate mit dazwischen liegenden Höhlungen erzeugt [5]. Mikrostrukturen, welche die Farbwirkung einzelner Pigmentfarben auf der Haut der Schlangen verstärken, waren allerdings bislang nicht bekannt.



Abb.1 Mikroornamentation auf den Rückenschuppen der Westafrikanischen Gabunviper (Bitis ­rhinoceros) unter dem Rasterelektronenmikroskop. Die schwarz gefärbten Oberflächen haben eine ­hierarchische Struktur aus blattartigen Mikrostrukturen, die von Nanorippen bedeckt sind. In hellen Schuppenregionen ist die Mikroornamentation nur schwach ausgeprägt.

Besondere Mikrostruktur schwarzer Schuppen

Untersucht man eine schwarzweiß gefärbte Schuppe der Westafrikanischen Gabunviper ­unter dem Rasterelektronenmikroskop, zeigen sich zwei verschiedene Typen von Mikro­strukturen, deren Grenzen mit den Farbgrenzen auf der Schuppe übereinstimmen (Abb.1). Die schwarzen Regionen der Schuppen besitzen ­eine hierarchisch angeordnete Mikro- und Nano­struktur (Abb.1). Die Mikrostrukturen haben eine blattartige Form und eine Höhe von 30µm. Ihre Oberfläche ist von feinen Rippen bedeckt, die eine Höhe von 600nm haben, aber nur etwa 60?nm dick sind. Auch die Flächen zwischen den blattartigen Strukturen sind von Rippen bedeckt. Die hellen Bereiche der Exuvie zeigen dagegen nur flache Erhebungen von 10m ­Höhe (Abb.1). Die Nanostruktur ist nur schwach ausgeprägt und besteht aus kleinen Höhlungen (engl. pits). Sowohl die Tatsache, dass die blatt­artigen Mikrostrukturen auf die schwarz gefärbten Regionen beschränkt sind, als auch die Dimension der Nanostrukturen im Bereich der Wellenlängen des sichtbaren Lichts weisen auf eine farbunterstützende Funktion der Strukturen hin.



Abb.2 Auch nach der Beschichtung mit einer 15 nm dicken Gold-Palladium-Schicht erscheinen die schwarzen Schuppenregionen tiefschwarz.

Ultraschwarze Färbung durch ­Pigmente und Mikroornamentation

Die schwarze Zeichnung der Gabunviper bleibt auch auf ihrer gehäuteten Haut (der Exuvie) erhalten. Unter dem Lichtmikroskop zeigen Querschnitte der schwarzgefärbten Schuppenbereiche außen eine dünne, dunkle Pigmentschicht. Demgegenüber sind die hellen Schuppenbereiche transparent. Um den Einfluss dieser Pigmente auf die Färbung auszuschließen, wurde die Exuvie der Westafrikanischen Gabunviper mit einer dünnen Schicht von Gold-Palladium bedampft (Abb.2). Eine schwach strukturierte Oberfläche würde bei dieser Beschichtung metallisch glänzen. Tatsächlich sehen unter der Gold-Palladium-Schicht nur die hell gefärbten Hautregionen metallisch aus. Die schwarz gefärbten Bereiche der Exuvie mit den komplexen Oberflächenstrukturen behalten dagegen ihre tiefschwarze Färbung. Auch Reflexionsmessungen mit dem Spektrometer bestätigen diesen Effekt. Mit ihren ­Pigmenten und Mikrostrukturen reflektieren schwarze unbehandelte Schuppen der Schlange sichtbares Licht deutlich schlechter als helle Schuppen (Abb.3). Einfallendes Licht der Wellen­längen 400 bis 700nm wird im Vergleich zu hellen Schuppen sogar dreimal schwächer reflektiert. Nach der Beschichtung mit dem stark reflektierenden Metall wird der Reflexionsgrad der schwarzen Schuppen noch weiter verringert (Abb.3). Im Vergleich zu einem diffusen Poly­tetrafluorethylen-Reflexionsstandard reflektieren die Schuppen unter 5%. Damit kann sich diese Oberflächenstruktur durchaus mit kommerziellen ultraschwarzen Oberflächen messen. Der geringe Reflexionsgrad der schwarzen metallbeschichteten Schlangenschuppen belegt den Beitrag der Mikrostrukturen zur tiefschwarzen Färbung. Licht, das nicht an der Oberfläche reflektiert wird, wird durch das Material transmittiert oder absorbiert. Transmissionsmessungen an den hellen und schwarzen Schuppen der Viper zeigten, dass auch der Transmissionsgrad der schwarzen Schuppen geringer ist als der von hellen Schuppen. Der größte Anteil des sichtbaren Lichts wird demnach von den schwarzen Schuppen absorbiert. Dies geschieht durch die Pigmente in der äußersten Schicht. Die feinen Mikrostrukturen auf den schwarzen Schuppen verstärken diese pigmentbasierte Absorption durch ihre Eigenschaften. Die Blattstrukturen und Nanorippen wirken wie eine Lichtfalle, die das einfallende Licht gleich mehrfach reflektiert und streut. Bei jedem Ereignis kann ein Teil des Lichts von den dunklen Pigmenten absorbiert werden. Die Dimensionen der Nanostrukturen unterhalb der Wellenlängen des sichtbaren Lichts legen nahe, dass auch sie zum hohen Absorptionsgrad beitragen. Die ungerichtete Anordnung der Strukturen bewirkt, dass die Oberflächen unabhängig vom Betrachtungswinkel ultraschwarz erscheinen.



Abb.3 Prozentuale Reflexion der Vipernschuppen im Vergleich zu einem Reflexionsstandard. Schwarze Schuppen reflektieren senkrecht einfallendes Licht der Wellenlänge 400–700 nm dreimal schwächer als helle Schuppen. Durch die Metallbeschichtung beträgt die Reflexion unter 5% der Reflexion der Standardoberfläche.



Abb.4 Die weißen Hautregionen der Westafrikanischen Gabunviper werden von Wasser benetzt. Auf den schwarz gefärbten Oberflächen ­bildet sich Tropfen.

Sauber und trocken durch den Regenwald

Nicht nur die optischen, sondern auch die Reinigungs- und Benetzungseigenschaften eines Materials können durch Mikrostrukturen optimiert werden. Grundvoraussetzung hierfür ist, dass bereits das Material selbst leicht wasserabweisend (hydrophob) ist. Sind die Oberflächen­strukturen dann so fein, so hoch und so nah beieinander, dass das Wasser aufgrund seiner Oberflächenspannung nicht mehr die Basis der Strukturen benetzen kann, sondern nur noch ihre Spitzen, bildet das Wasser Tropfenformen, während die Hohlräume zwischen den Strukturen luftgefüllt ­bleiben [6]. In Kontaktwinkelmessungen zeigt sich, dass die hellgefärbten Haut­regionen der Schlange zwar von Wasser benetzt werden, das Grundmaterial der Schuppen aber leicht wasserabweisend ist. Auf den schwarz gefärbten Schuppen bildet das Wasser dagegen runde Tropfen (Abb.4). Schon bei ­verschlissenen Exuvien liegt der ­statische Kontaktwinkel ­zwischen den schwarzen Hautoberflächen und den ­Wassertropfen über 166°, was einer super­hydrophoben (wasser­ab­wei­sen­den) Ober­fläche entspricht. Da angenommen werden kann, dass die Material­eigen­schaften und die chemische Kom­position innerhalb einer Schuppe nicht wechseln, sondern in den hell und schwarzgefärbten Regionen ­iden­tisch sind, müssen die superhydrophoben Eigen­schaften durch die ausgeprägte ­Mikro- und Nano­strukturierung hervorgerufen werden. Tatsächlich stimmen die Dimensionen der Mikroornamentation der Schlange mit Modellen zur opti­malen Struktur von wasserabweisenden Oberflächen überein. Die Theorie und viele experimentelle Studien zeigen, dass Unbenetzbarkeit mit selbstreinigenden Eigenschaften einhergeht, wenn Wasser auf der Oberfläche nicht nur Tropfen bildet, sondern diese zusätzlich bereits bei geringer Neigung der Oberfläche abrollen [7]. In einem Kontaminationsexperiment lassen sich diese Eigenschaften auch für die schwarzen Schuppen der Westafrikanischen Gabunviper nachweisen. Eine Exuvie wurde mit hydrophoben Mikropartikeln bestäubt und anschließend in einer Kammer mit hoher Luftfeuchte bei 20° Neigung gelagert. Schon nach wenigen Minuten zeigte sich, dass die hydrophoben Partikel mit den Wassertropfen von den schwarzen Schlangenschuppen abrollen. Die hellen Hautregionen blieben dagegen kontaminiert (Abb.5).



Abb.5 Nach 30-minütiger Bedampfung mit Wasser bei einem Neigungswinkel von 20° sind schwarze Schuppen der Schlange wieder vollkommen partikelfrei. Auch eine rasterelektronenmikroskopische Aufnahme belegt dies (vorn: schwarz gefärbte Region; hinten: helle Region, von Partikeln bedeckt).

Perfekte Camouflage für eine große Giftschlange

Die Westafrikanische Gabunviper lebt im afrikanischen Regenwald und Buschland [8]. Durch die wechselnden Farben werden nicht nur die Körperkonturen der großen Schlange vor dem Hintergrund aufgelöst, sondern auch das Schattenspiel von Strukturen auf dem Waldboden imitiert. Die geometrische Form ihrer Rückenzeichnung ähnelt dabei den geraden Konturen des Pflanzenmaterials. Dadurch ist die große Viper aus dem afrikanischen Regenwald hervorragend getarnt (Abb. 6). Eine gute Tarnung ist für die gedrungene, 1,50?m lange Schlange sehr wichtig, da sie als bodenbewohnender Lauerjäger des Regenwalds auf Vögel und Säugetiere wartet und nur zubeißen kann, wenn sich das Beutetier in unmittelbarer Nähe befindet. Nur in diesem Fall genügt eine einzelne schnelle Bewegung, um das Tier mit einer Giftinjektion zu töten. Durch die beiden verschieden Mikrostrukturen auf den Rücken­schuppen wird der Camouflage-Effekt der Pigmentfarben verstärkt. Durch die blattartigen Mikrostrukturen und Nanorippen erscheinen auf dem ­Rücken tiefschwarze Regionen mit sehr geringem Reflexionsgrad, wodurch ein Eindruck von räumlicher Tiefe und Schatten entsteht. Die Hauptfunktion dieser einzigartigen Struktur auf den schwarzen Schuppen besteht damit vermutlich in der optischen Optimierung. Nichtsdestotrotz können auch die mit den Strukturen einhergehenden wasserabweisenden und selbstreinigenden Eigenschaften für die Schlange von Vorteil sein. Selbst bei Regen und starkem Schmutz erscheinen die schwarzen Schuppenbereiche der Viper trocken und schwarz, während die hellen Bereiche von Wassertropfen benetzt werden und Kontamination aufweisen können. Diese Eigenschaften ermöglichen es den Schlangen zusätzlich, sich in einer Umgebung zu tarnen, in der unterschiedliche Objekte ganz unterschiedliche Oberflächenstrukturen und eine unterschiedliche Benetzbarkeit aufweisen.



Abb.6 a) Die Westafrikanische Gabunviper (Bitis rhinoceros) vor einem einfarbigen Hintergrund. b) Vor dem Laub verschwindet die Kontur der Schlange.

Technische ­Anwendungsmöglichkeiten

Die Mikroornamentation auf den schwarzen Schuppen der Westafrikanischen Gabunviper ist ein weiteres Beispiel dafür, dass die Gesetze der Physik sowohl auf die Natur als auch in der Technik wirken und in beiden Gebieten zu ähnlichen Lösungen führen. Es verwundert nicht, dass auch laserbearbeitete Metalloberflächen mit blattartigen Strukturen in ähnlicher Größenordnung wie die Strukturen der Schlange geringe und winkelunabhängige Reflexionseigenschaften zeigen [9]. Auch wenn die derzeit dunkelste Oberfläche aus vertikal angeordneten Kohlenstoffnanoröhren mit einem Reflexionsgrad von nur 0.045% deutlich dunkler ist [10], schneiden die schwarzen Schuppen der Schlange im Vergleich mit technischen ultraschwarzen Oberflächen durchaus gut ab. Während die Mehrzahl künstlicher, mikrostrukturierter ultraschwarzer Oberflächen anfällig für Abrieb und Beschädigung ist, zeichnen sich die Strukturen der Viper durch extreme Robustheit aus. Alle Daten zur Färbung, Unbenetzbarkeit und Selbstreinigung basieren auf Experimenten mit Exuvien. Wenn man bedenkt, dass die Dauer zwischen zwei Häutungen mehr als zwei Monate betragen kann und sich die Schlange währenddessen mit ihren feinen Strukturen durch das Unterholz schlängelt und dabei mechanischer Beanspruchung ausgesetzt ist, sind die Ergebnisse der Studien beeindruckend. Die ungewöhnliche Rippengeometrie könnte eine Erklärung für die Wider­standsfähigkeit der Strukturen sein. Während selbstreinigende Eigenschaften in technischen Oberflächen und der Biologie (etwa bei der ­Lotosblume) durch Säulenstrukturen realisiert werden, lässt die Rippenstruktur der Schlangenschuppen eine bessere Robustheit gegen Abrieb vermuten. Ein weiterer großer Vorteil der Schlangenstrukturen für die bionische Nachahmung liegt in ihrer mechanischen Stabilität und Multifunktionalität.

Literatur
[1] Spinner, M. et al. (2013) Scientific Reports 3, 1846
[2] Spinner, M. et al. PLOS ONE (in press)
[3] Berthé, R.A. et al. (2009) J. Comp. Physiol. 195, 311–318
[4] Monroe, E. A. & Monroe, S. E. (1968) Science 159, 97–98
[5] Gans, C. & Baic, D. (1977) Science 195, 1348–1350
[6] Cassie A. B. D. & Baxter, S. (1944) T. Faraday Soc. 40, 546 –551
[7] Marmur, A. (2004) Langmuir 20, 3517-3519
[8] Spawls, S. & Branch, W. R. (1995) Blandford Press Ltd, London
[9] Saarikoski, I. et al. (2008) Thin Solid Films 516, 8278 8281
[10] Yang, Z. P. et al. (2008) Nano. Lett. 8: 446- 451

Publikationen [1] und [2] zu diesem Artikel mit allen An­gaben: Snake velvet black: Hierarchical micro- and nano­structure enhances dark colouration in Bitis rhinoceros; Marlene Spinner, Alexander Kovalev, Stanislav N. Gorb & Guido Westhoff; SCIENTIFIC REPORTS (3) : 1846; DOI: 10.1038/srep01846 Non-contaminating camouflage: multifunctional skin microornamentation in the West African Gaboon viper (Bitis rhinoceros). Marlene Spinner, Stanislav N. Gorb, Alexander Balmert, Horst Bleckmann, Guido Westhoff PLOS ONE (in press)

Foto: © istockphoto.com| GlobalP

Stichwörter:
Mikrostrukturen, Nanostrukturen, Ultraschwarz, Giftschlange

L&M 1 / 2014

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 1 / 2014.
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