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Einfache mikrobiologische Umwandlung von Reststoffen aus der Biokohleproduktion

Doppelt verwertet

Die Biokohle ist ein ­vielversprechender und nachhaltig erzeugter ­Rohstoff für die Landwirtschaft der Zukunft. Fragen zur Behandlung der bei der Biokohleproduktion entstehenden umweltschädlichen Pyroylsekondensate sind jedoch weiterhin offen. Ein neues Konzept nutzt nun das häufig in landwirtschaftlichen Betrieben ­vorhandene ­Verfahren der Biogas­produktion zur biologischen Aufbereitung bei gleichzeitiger Erzeugung von Biogas.

Biomasse, Biokohle und schwarze Erde

Die Verwendung von Biomasse als erneuerbare Energie- und Rohstoffquelle gewinnt mehr und mehr an Bedeutung. Die sinkende Verfügbarkeit von fossilen Brennstoffen sowie die Auswirkungen des Klimawandels lassen das Bedürfnis nach nachhaltigen Biomassekonzepten im Sinne einer Bioraffinerie immer weiter wachsen. Biomasse spielt jedoch nicht nur für die Erzeugung von Energie und als Grundstoff für die bio­basierte Industrie eine bedeutende Rolle, sondern auch in der Landwirtschaft als organischer Dünger sowie aus Klimasicht als Speicher für Kohlendioxid.

Ein in Zukunft möglicherweise wertvoller Rohstoff für die Landwirtschaft ist die Biokohle. Biokohle ist ein holzkohleähnliches, kohlenstoffreiches Material, das eine Vielzahl an wertgebenden Eigenschaften besitzt. Beispielsweise bestehen Hinweise, dass sich die Bodenfruchtbarkeit durch die Zugabe von Biokohle verbessern lässt, wodurch das Pflanzenwachstum begünstigt und der Ernteertrag erhöht wird. Die Biokohle an sich ist kein Dünger, sondern ein Bodenhilfsstoff, der Wasser und Nährstoffe speichern und den pH-Wert von sauren Böden ­anheben kann. Einmal in den Boden gebracht, kann die Kohle dort mehrere Jahrzehnte bis Jahrhunderte überdauern. Damit trägt Biokohle durch die dauerhafte Fixierung von Kohlenstoff (C-Sequestrierung) gleichzeitig zu einer Minderung des Klimawandels bei.

Pyrolyse und Co.

Die Herstellung von Biokohle aus Biomasse ­erfolgt unter Einfluss von Hitze und unter reduzierter Verfügbarkeit von Sauerstoff. Hierfür sind mehrere unterschiedliche Verfahren verfügbar: Pyrolyse, Vergasung und die Hydrothermale Karbonisierung (HTC). Die Pyrolyse findet bei Temperaturen zwischen 300 und 550°C statt. Das Ausgangsmaterial für die Pyrolyse muss trocken sein. Das Hauptprodukt der Biomasse­vergasung ist ein energiereiches Gas (v.a. CO). Daneben fallen jedoch auch Kohlen an, die als Biokohlen Verwendung finden können. Bei der HTC, die im wässrigen Milieu bei 180–250°C stattfindet, kann auch feuchtes Material verwendet werden. Durch das Abschließen in einem druckdichten Reaktor entstehen dabei Drücke von 20–50 bar.

Für die Erzeugung von Biokohle kann generell jedes organische Material verwendet werden – von Holz über Stroh und Bioabfälle bis hin zu Klärschlamm. Damit keine Konkurrenz zur stofflichen Nutzung von Holz sowie zum Anbau von Nahrungspflanzen entsteht, wird vor allem die Verwendung von Reststoffen und Abfällen angestrebt. Ein in Deutschland in großen Mengen anfallender Reststoff ist der wässrige Gärrest, der bei der Erzeugung von Biogas anfällt. Dessen Einsatzfähigkeit wurde sowohl für die Pyrolyse (nach vorhergehender Trocknung) als auch für HTC (im feuchten Zustand) bestätigt.


Tab.1 Einfluss der Pyrolysetemperatur auf die Ausbeute an Kohle und wässrigem Kondensat (bezogen auf die eingesetzte Gärrestmenge) sowie auf die Umsetzbarkeit des Kondensats (bezogen auf den chemischen Sauerstoffbedarf, CSB)

Problematische Reststoffe

Bei der Erzeugung von Biokohle durch Pyrolyse und HTC fallen neben der Biokohle auch flüssige und gasförmige Nebenprodukte an (Tab.1). Das Gas, das bei der Pyrolyse entsteht, das sogenannte Syngas, besteht zu großen Teilen aus Kohlenstoffdioxid, Kohlenstoffmonoxid, aber auch Methan und Wasserstoff. Es findet vor allem Einsatz als Brennstoff, aber auch die Herstellung von Grundchemikalien wie Methanol ist möglich. Die Verwertung des bei der Pyrolyse entstehenden Prozesswassers, bestehend aus Kondensat – dem sogenannten Pyrolyseöl (eng. Bio-oil or bio-crude) – und Wasser, bedarf hingegen einer aufwendigen Aufbereitung mittels Katalysatoren oder Lösungsmitteln, will man es als Energieträger nutzbar machen. Aber auch vor der Freisetzung in die Umwelt muss eine Aufbereitung erfolgen, um Schadstoffe wie PAKs, Phenole und Furane zu entfernen.

Ein einfaches und kostengünstiges Verfahren zur Nutzbarmachung diverser organischer Neben- und Reststoffe stellt die anaerobe Vergärung zu Biogas dar. Anaerobe Mikroorganismen können auch komplexe organische Verbindungen umsetzen. Bei großen Molekülen wie PAK und Lignin bestehen jedoch natürliche Grenzen. Ziel der kürzlich durchgeführten ­Arbeit war es, die Nutzbarkeit der Vergärung für die Umwandlung von wässrigen Pyrolysekondensaten zu Biogas zu untersuchen. Zunächst wurden dazu Pyrolyseversuche durchgeführt. Hierbei wurde getrockneter Gärrest bei verschiedenen Temperaturen behandelt. Es zeigte sich, dass die Temperatur einen großen Einfluss auf die Menge an produzierter Kohle ausübt. Bei 330°C entstanden aus 1.000g Gärrest im Schnitt 550g Biokohle. Die Temperaturen 430°C und 530°C minderten den Kohleertrag auf durchschnittlich 400g bzw. 340g.


Abb.1 Anaerobe Mikroorgansimen sind in der Lage, organische Verbindungen zu Biogas (Methan und Kohlenstoffdioxid) abzubauen.

Kleine Giganten

Mikroorganismen sind höchst anpassungsfähige Lebewesen, die in der Lage sind, unterschiedlichste organische Verbindungen zu verstoffwechseln. Letztlich entsteht dabei CO2 oder, wenn der Prozess unter Luftabschluss (anaerob) erfolgt, Methan. Letzteres wird in Biogasanlagen gezielt genutzt, um methanhaltiges und dadurch energiereiches Biogas zu gewinnen. Mikrobielle Lebensgemeinschaften können auch Verbindungen umsetzen, die für andere Lebewesen giftig sind wie z.B. Phenol und sie zu ungefährlichen Stoffen abbauen.

Voraussetzung hierfür ist, dass die Mikro­organismen nicht zu hohen Schadstoffkonzentrationen ausgesetzt werden und sie genügend Zeit haben, sich an diese Stoffe zu adaptieren. Dieses Talent der Mikro­organismen wurde in der beschriebenen Arbeit genutzt. Untersucht wurde, ob das an Problemstoffen reiche Pyrolysekondensat zur Vergärung zu Biogas genutzt werden kann. Es wurde festgestellt, dass bis zu einer CSB-Konzentration von 6g je l ein problemloser Abbau stattfindet. Auch an eine CSB-Konzentration von 12g je l fand eine, wenn auch verlangsamte, mikrobielle Anpassung statt. Bei 30g je l kam der Abbau jedoch weit­gehend zum Erliegen (Abb.2).


Abb.2 Der mikrobielle Abbau der organischen Stoffe zu Biogas (in einem geschlossenen Gefäß, gefüllt mit verdünntem Pyrolysekondensat und anaeroben Mikroorganismen aus einer Biogasanlage) lässt sich anhand dieser Kurven verdeutlichen. Die Kurve steigt an, wenn der Abbau und damit die Methanbildung einsetzen. Je steiler der Anstieg, desto schneller können die Mikroorganismen die organischen Stoffe in Biogas umwandeln. Findet ­zunächst kein Abbau statt, läuft die Kurve anfangs horizontal, es wird also kein Methan gebildet. In dieser Zeit „gewöhnen“ sich die Mikroorganismen an ihre Umgebung. Ist die gesamte Nahrung für die Mikroorganismen verbraucht, flacht die Kurve weiter oben wieder ab. Es ist zu erkennen, dass die Methanbildung durch steigende CSB-Konzentrationen stark verzögert wird. Bei sehr hohen Konzentrationen (30?g je l) findet kein Abbau statt.

Eine Frage der Temperatur

Ein weiterer wichtiger Parameter, der die mikrobielle Abbaubarkeit beeinflusst, ist die Pyrolysetemperatur, bei der das Pyrolysekondensat entstanden ist. Durch die Einwirkung hoher Temperaturen bei der Pyrolyse brechen die großen Makromoleküle, aus denen die Biomasse besteht, (z.B. Cellulose) auf und bilden kleinere Bruchstücke, die als Flüssigkeit auskondensieren. Pyrolysekondensat besteht also hauptsächlich aus den Bruchstücken der häufigsten Pflanzenbestandteile Cellulose und Lignin. Dies sind vor allem Phenole, Furane, Aldehyde, Guajacole, organische Säuren, aber auch wasserunlöslicher Teer. Je nach Höhe der Pyrolysetemperatur variieren Menge und Art der jeweils entstehenden Stoffe. Da jede einzelne Substanz eine spezifische biologische Abbaubarkeit besitzt, geht von der Pyrolysetemperatur eine hohe Bedeutung für die Wirksamkeit einer biologischen Behandlung aus.

Die durchgeführte Arbeit zeigte, dass niedrigere Pyrolysetemperaturen (<430°C) die Vergärbarkeit deutlich begünstigen. Dies gilt sowohl für den maximal möglichen Abbaugrad der CSB-Konzentration als auch für die Umsatzgeschwindigkeit der Vergärung (Abb.3). Bei höheren Temperaturen entstehen dagegen mehr Stoffe, die für die anaeroben Mikroben nicht umsetzbar sind oder sogar hemmend wirkend. Nichtsdestotrotz wurde festgestellt, dass nahezu alle betrachteten Schadstoffe (Phenol, Furfural, 5-HMF, Katechol, Guajacol, Levoglucosan) nach der Vergärung nicht mehr auffindbar waren. Eine Ausnahme bildete Kresol, ein Phenolderivat, das nur teilweise von Mikroorganismen abgebaut werden kann. Der Abbaugrad lag jedoch noch bei 10–60%.


Abb.3 Die Kurven zeigen deutlich, dass Pyrolysekondensat, das bei ­höheren Temperaturen entstanden ist, langsamer und zu einem geringeren Teil abgebaut wird.

Doppelter Nutzen, kaum Abfall

Die Einbindung der Pyrolyse zur Gewinnung von Biokohle aus den Resten der Biogasproduktion ist nicht die einzige Möglichkeit, mit der die Systeme Biogas und Biokohle nutzbringend verkoppelt werden können. Durch die Vergärung des bei der Pyrolyse entstehenden Kondensats lässt sich außerdem die Biogasproduktion steigern (Abb.4). Zur nötigen energieaufwendigen Trocknung des Gärrestes für die Pyrolyse lassen sich ­sowohl das Syngas als auch das Biogas nutzen. Dadurch müsste keine zusätzliche Energie aufgewendet werden.


Abb.4 Die Herstellung von Biokohle kann sowohl energetisch als auch stofflich in die bestehende Biogasproduktion eingegliedert werden.

Literatur
[1] Lehmann, D. J., ­Joseph, S. (2009) Biochar for environmental management: Science and Technology. Earthscan
[2] Hübner, T., Mumme, ­J. (2015) Bioresour. Technol. 183: 86–92
[3] Torri, C., Fabbri, D. (2014) Bioresour. Technol. 172: 335–341
[4] Mumme, J. et al. (2014 Bio­resourr Technol. 164: 189–197
[5] Wirth, B., Mumme, J. (2013) Applied Bioenergy 1: 1–10
[6] Funke, A. et al. (2013) Biomass and Bioenergy 56: 229–237
[7] Mumme, J. et al. (2011) Bioresource Technology 102: 9255–9260

Bild: istockphoto.com| weerapatkiatdumrong | JaredDKearns

L&M 5 / 2015

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 5 / 2015.
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