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Nachweis und Bewertung von humanpathogenen Viren im Oberflächengewässer

Viren im Wasser

Neben der methodischen Entwicklung zur Quantifizierung human- pathogener Viren in Oberflächen- und Abwasser ist vor allem die Bewertung der Daten von besonderer Bedeutung. Denn das Ziel besteht darin, neben der Sicher­stellung der Trinkwasserversorgung die gesundheitlich unbedenkliche ­Nutzung der Gewässer zur Freizeitgestaltung zu ermöglichen.

Reduktion der Viren im Wasser der Ruhr

Im Ballungsraum Ruhrgebiet wird die Trinkwasserversorgung von ca. 5 Mio. Menschen durch die Ruhr sichergestellt. Zudem wird das Oberflächengewässer von vielen Menschen als Naherholungsgebiet und Freizeitregion genutzt. Aufgrund der dichten Besiedlung des Gebietes kommt es zu nicht unerheblichen Einträgen von anthropogenen Stoffen und Krankheitserregern, die Letztgenannten beinhalten sowohl Bakterien und Parasiten als auch humanpathogene Viren. Mögliche Eintragspfade in die Oberflächengewässer sind diffuse Quellen und die Siedlungsentwässerung. Aktuelle Forschungen untersuchen Möglichkeiten der Reduktion von Viren und Bakterien in Kläranlagen bislang gibt es allerdings nur wenige Anhaltspunkte welchen Stellenwert Kläranlagen bzw. diffuse Quellen wie z.B. Abschwemmungen von Feldern und Wiesen für den Eintrag von Mikroorganismen in die Oberflächengewässer haben. Nachgewiesen wurde jedoch, dass enterale ­Viren bei kälteren Wassertemperaturen von weniger als 15°C mehrere Kilometer stromabwärts von der Kläranlage entfernt wiedergefunden werden konnten. Für Flüsse wie die Ruhr, an deren Lauf mehr als 60 Kläranlagen stehen, ist dies von großer Bedeutung, da sich die Belas­tungen mit Viren akkumulieren. Daher kommt der Hygienisierung von Kläranlagenabläufen eine besondere Bedeutung zu. Eine untersuchte Methode ist die Ozonung, die bisher vor allem im Trinkwasserbereich eingesetzt wird. Die Adaption dieses Verfahrens an die Verhältnisse im Abwasser ist nicht unproblematisch, da die Effektivität der Reduktion mikrobiologischer Belas­tungen im Wesentlichen von der Ozonkonzentration, -zehrung, Temperatur und dem pH-Wert abhängt. Zudem muss berücksichtigt werden, dass die Ozonkonzentration in den untersuchten Kläranlagen über den SAK254 gesteuert wurde; d.h., die Dosis und der Eintragsmodus wurden so gewählt, dass kein Restozon im Ablauf nachweisbar war. Der virale Nachweis mittels PCR ist unter diesen Bedingungen besonders schwierig, da das Ozon zunächst das virale Kapsid und dann erst die DNA schädigt. Entsprechend könnten falsch positive Ergebnisse generiert werden, da die molekularbiologischen Methoden zur Quantifizierung der viralen DNA eine mögliche, mit dem Verlust der Infektiosität verbundene Schädigung der viralen Kapside unberücksichtigt lassen (1).

Untersuchungsmethode

In den letzten Jahren sind die enteralen Viren, z.B. Noro-, Rota- und Enteroviren, in Gewässern zunehmend in den Fokus des wissenschaftlichen und öffentlichen Interesses gerückt. Auch wenn die genannten Viren in den Trinkwassergewinnungsanlagen effizient reduziert werden, besteht vor allem für Wassersportler ein bisher unberücksichtigtes Infektionsrisiko. Im Vergleich zu Bakterien zeichnen sich die zuvor genannten unbehüllten, enteralen Viren durch eine hohe Stabilität gegenüber Umwelteinflüssen und eine hohe Infektiosität aus. Bereits 10?–?100 virale Partikel reichen für eine Infektion aus. Im Rahmen eines BMBF-Projektes wurden über ein Jahr lang ca. 180 Proben von verschiedenen Entnahmepunkten am Baldeneysee in Essen untersucht und die Konzentratio­nen von fünf enteralen humanpathogenen Viren mittels quantitativer Real-time-PCR, die aktuell die Methode der Wahl zum Nachweis und zur Quantifizierung von enteralen Viren im Wasser darstellt bestimmt. Da die Konzentration der ­Viren im Oberflächenwasser zu gering für einen direkten Nachweis ist, müssen die Umweltproben, in der Regel 10?–?60 Liter, zunächst mithilfe der „Virus Adsorption und Elution“ (VIRADEL)-Methode (2) konzentriert werden. Bei dieser speziellen Filtrationsmethode wird eine elektropositiv oder ­-negativ geladene Filtermembran verwendet. Aufgrund der gegensätzlichen Ladung von viralem Kapsid und der Filtermembran werden die Viren effektiv gebunden und somit zurückgehalten. Der Vorteil dieser Filtra­tionsmethode besteht darin, dass die Viren durch die Verwendung eines speziellen Puffers eluiert werden können, wodurch die Viren in 100?ml konzentriert werden. Im nächsten Schritt wird das Eluat noch einmal auf maximal 5?ml reduziert, um dann nach erfolgter DNA/RNA Extraktion eine Quantifizierung durch molekularbiologische Techniken anzuschließen. Um jedoch eine Aussage zur gesundheitlichen Gefährdung von Freizeitsportlern und badenden Personen in der Ruhr machen zu können, ist es notwendig, mittels Zellkultur die Konzentration der infektiösen Viren zu bestimmen. Mit diesem zeitintensiven und nicht für alle Viren verfügbaren Verfahren werden eindimensionale Kulturen tierischer Zellen unter sterilen Bedingungen in Nährmedien aufgezogen und anschließend mit Umweltproben beimpft. Durch die infek­tiösen Viren werden die Zellen infiziert und anhand des Ausmaßes der Infektion kann die Konzentration der in der Wasserprobe enthaltenen infektiösen viralen Krankheitserreger quantifiziert werden (3).

Risikobewertung zum Vorkommen der Viren

Wesentliche Erkenntnisse der Untersuchungen des Ruhrwassers auf enterale Viren sind, dass aus infektiologischer Sicht vor allem die Noro- (Familie: Caliciviridae, Gattung: Norovirus), Entero- (Familie: Picornaviridae) und Rota­viren (Familie: Reoviridae, Gattung Rotavirus) von besonderer Bedeutung sind, obwohl sie im Vergleich zu Adeno- und Polyomaviren in weniger Proben nachgewiesen waren (Abb.1).


Abb.1. Nachweisraten humanpathogener Viren in Prozent: Adenoviren und Polyomaviren werden in den Wasserproben aus der Ruhr in mehr als 90% bzw. mehr als 50% nachgewiesen. Infektiologisch sind jedoch die Noro-,
Rota- und Enteroviren von größerer Bedeutung.
Legende: HAdV – humane Adenoviren; HPyV – humane Polyomaviren;
NoV GII – Noroviren GII; EV – Enteroviren

Im Gegensatz zu den anderen gemessenen Viren führen Adeno- und Polyomaviren zu einer latenten Infektion und werden dauerhaft von den infizierten Personen ausgeschieden. Dies führt dazu, dass diese Viren ohne signifikante saisonale Schwankungen im Oberflächenwasser nachweisbar sind. Anders sieht das bei den ­Rota- und Noroviren – die vornehmlich in der kalten Jahreszeit – und Enteroviren – die hauptsächlich in warmen Monaten – im Wasser zu finden sind, aus (Abb.2).


Abb.2. Konzentration von Adenoviren an den 8 Probenahmestellen: Die Konzentrationen der Adenoviren zwischen den einzelnen Probenahmestellen unterscheiden sich nicht signifikant.
Legende: Punkte – Median; Box: 25%–75% Perzentil; Whiskers – minimal und maximal Werte

Für die Betrachtung der gesundheitlichen Auswirkung der viralen Belastung von Oberflächenwasser kann die quantitative mikrobiologische Risikobewertung (QMRA) herangezogen werden. Grundlage für die QMRA-Berechnungen sind die parameterspezifischen Dosis-Wirkungskurven, die sich mit den Gleichungen 2 und 3 mathematisch beschreiben lassen. Im Rahmen des Projektes errechnet sich die Dosis anhand der Dauer des Schwimmens, der aufgenommenen Wassermenge (Tab.) und der Pathogen­konzentration im Wasser (Gleichung1).

D = C x T x R (Gleichung 1)
Pinf = 1 - exp (-k x D)(Gleichung 2)

*(Gleichung3)*

Mit D – Dosis; C – Pathogenkonzentration;
T – Zeitdauer der Exposition;
R – aufgenommene Wassermenge ;
k und alfa – spezifische Konstanten;
N50 – mittlere Infektionsdosis

Die Risikobewertung ersetzt jedoch nicht die Bestrebungen der Weltgesundheitsorganisation mit ihren Water Saftey Plans (4), in ­denen zur Sicherung der hohen Trinkwasserqualität eine präventive Risikominimierung gefordert wird. Viel mehr könnte diese Form der Risikobewertung zukünftig für ein Konzept des Risikomanagements berücksichtigt werden, das zur Beurteilung von neuen Bedingungen (z.B. Bau neuer Kläranlagen, veränderte Landnutzung) verwendet werden kann. Dies kann sowohl für die Trinkwassergewinnung als auch für die Nutzung des Gewässers als Naherholungsgebiet von Bedeutung sein. Ferner könnte die QMRA zur Festsetzung von mikrobiologischen Grenzwerten von bisher nicht in der Gesetzgebung berücksichtigten mikrobiologischen Parametern eingesetzt werden.


Tab. Gegenüberstellung der durchschnittlichen beim Baden aufgenommenen Wassermenge. Aufgrund der erhöhten körperlichen Aktivität verschlucken Jungen mehr als Mädchen und Kinder/Jugendliche mehr als Erwachsene (6).

Aufgrund der aufwändigen Diagnostik eignen sich Viren jedoch nicht als Routineparameter. In der EG- Badegewässerrichtlinie (2006/7 EG) wird die Quantifizierung von den Fäkalindikatoren E. coli und Enterokokken als Qualitätskriterium gefordert. Da Bakterien weniger resistent und persistent sind, eignen sie sich nicht als Indikator für eine virale Belastung. Zur Detek­tion der Phagen oX174 mit E. coli als Wirt würde sich durch eine etablierte DIN-zerti­fizierte Nachweismethode anbieten, die sogar eine Aussage über ihre Infektiösität erlaubt. Da jedoch keine Korrelation zwischen dem Auftreten dieser Phagen und anderen enteralen Viren gegeben ist, stellen auch sie keinen zuverlässigen Indikator für humanpathogene Viren dar (5).

Literatur

[1] N.N 2014. Elimination von Arzneimitteln und ­organischen Spurenstoffen: Entwicklung von Konzeptionen und innovativen, kostengu?nstigen Reinigungsverfahren. Abschlussbericht zur Phase 2: „Elimination von Arzneimittelrückständen in kommunalen Klär­anlagen“. 354
[2] Hamza, I.A. et al. (2009) Water Res 43, 2657–68
[3] Hamza, I.A. et al. (2011) Int J Hyg Envir Heal 214, 424–36
[4] WHO. 2005. Water Safety Plans - Managing drinking-water quality from catchment to consumer. pp. 1-225. Geneva: Davison, A.; Howard, G.; Stevens, M.; Callan, P.; Fewtrell, L.; Deere, D.; Bartram, J.
[5] Jurzik, L. et al. (2010) Int J Hyg Environ Health 213, 210–6
[6] Dufour, AP. et al. (2006) Journal of Water and Health 4, 425–30

Bild: © panthermedia.net | knape

L&M 4 / 2014

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 4 / 2014.
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