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L&M-2-2008 > BSE Nachweis

BSE Nachweis

Verlässlicher Nachweis von BSE-Risikomaterial auf mRNA-Basis in Frischfleisch und erhitzten Fleischerzeugnissen

Dr. Amir Abdulmawjood und Prof. Dr. Michael Bülte
Institut für Tierärztliche Nahrungsmittelkunde,
Fachbereich Veterinärmedizin Justus-Liebig-Universität

Neue Nachweismethode für BSE-Risikomaterial

Die zuverlässige Minimierung des Risikos einer Übertragung des Erregers der Bovinen Spongiformen Enzephalopathie(BSE) über Lebensmittel tierischen Ursprungs auf den Menschen beinhaltet die Bereitstellung sensitiver Detektionsmethoden. Im Rahmen der eigenen Arbeiten wurde ein Real Time- PCR- Verfahren entwickelt, das den spezifischen Nachweis von ZNS- Gewebe der rechtlich gemaßregelten Tierarten Rind, Schaf und Ziege gewährleistet.

In einer Reversen Transkriptase (RT)-PCR wird dabei selektiv eine mRNA- Zielregion des sauren Gliafaserproteins(glial fibrillary acid protein [GFAP]) amplifiziert. In der vorliegenden Studie konnte gezeigt werden, dass die Degradierung der mRNA abhängig von dem Inhalt der Sequenz oder der entsprechenden Region sein kann. Hierbei wurde jedoch die funktionelle Aktivität oder die strukturelle Integrität der GFAP- mRNA nicht untersucht. Lediglich eine kurze speziesspezifische Regio nder GFAP-mRNA wurde als Marker für das ZNS- Gewebe eingesetzt. Dies könnte die Stabilität dieser Region während der Lebensmittelverarbeitungsstufen, selbst nach einer Hitzebehandlung, erklären.
Zur Bestimmung der Expressionsstufe von GFAP mRNA in verschiedenen Organen wurde ein Verfahren verwendet, welches eine endogene Kontrolle und ein Kalibrator-Organ mit einschließt. Der Zweck der endogenen Kontrolle ist eine Normierung der PCR in Bezug auf die in der reversen Transkriptionsreaktion eingesetzten mRNA-Menge. Die Wahl des Kalibrators für die 2??CtMethode ist abhängig vom Typ des Target Gens. Die Daten werden präsentiert als „fold change“ der Genexpression, nachdem sie in Bezug auf das 18 rRNA Gen und relativ zu dem Kalibrator-Organ normalisiert wurden(in unserem Fall Muskel als wesentliche Komponente des Fleischproduktes).In nicht neuronalen Organen wurden lediglich sehrniedrige Konzentration von GFAP nachgewiesen. Die relative Menge der GFAP Expression, die man von all diesen Organen erhalten hat, war weniger als 3,90E+00.Die Proben der peripheren Nerven lieferten einen relativen Wert von 2,41E+02. Dies steht im Kontrast zu den in Gehirn und Rückenmark anzutreffenden Werten, welche bei 1,46E+05 und 1,88E+06 lagen.

Etablierung des Reverse Transkriptase (RT) Real-Time-PCR-Assays

Da alle Zellen des Genoms der Ruminanten über die DNA des sauren Gliafaserproteins verfügen, kann der gewebespezifische Nachweis des GFAP nur über die mRNA,die respektive umgeschriebene cDNA, erfolgen. Die GFAP- mRNA wird hauptsächlich in den Geweben des Zentralen Nervensystems exprimiert. Die seitens des Instituts für Tierärztliche Nahrungsmittelkunde etablierte Methodenkaskade berücksichtigt diesen Aspekt bereits bei der Probenaufbereitung. Potenziell enthaltene DNA wird über ein Enzym zerstört, sodass nur die gewünschtem RNA übrig bleibt. Dieser Schritt dient dabei lediglich der zusätzlichen Qualitätssicherung, da eine selektive Amplifikation der cDNA in der Real-Time-PCR durch die Verwendung einer die Exon-Exon-Grenze überspannende Fluoreszenzsonde garantiert wird (Abb. 1). Mit dem Design einer die Exon-Grenzen zweier benachbarter Exons überspannenden TagMan®mgb-Sonde wurde im Vergleich zur ebenfalls erfolgreich durchgeführten Etablierung des SybrGreen®-Systems, die selektive Erfassung von cDNA ermöglicht.

Überprüfung der Organspezifität der GFAP-RT Real-Time-PCR

Die mRNA des GFAP-Gens von jeweils drei verschiedenen Proben von Gehirn, Rückenmark, peripherem Nerv, Leber, Lunge, Milz, Herz, Lymphknoten und Muskulatur vom Rind wurde im Dreifachansatz transkribiert und durch relative quantitative Real-Time-PCR bestimmt. Für jede Probe wurde anschließend der Expressionslevel des GFAP-Gens in Bezug zu der Muskulatur durch Verwendung der endogenen Kontrolle (18s-rRNA Gen) ermittelt. Die endogene Kontrolle erbrachte mit jeder eingesetzten Probe ein positives Signal. Bei allen Organen, ausschließlich Gehirn, Rückenmark und peripherer Nerv lag der Ct-Wert bei über 35 Zyklen. Der relative Gehaltan cDNA der genannten Organe variierte zwischen 2,00E-03 bei den Proben aus Nierengewebe und 3,90 bei den hier verwendeten Proben aus Lymphknotengewebe. Die Gewebe des ZNS, also Gehirn und Rückenmark, enthielten1,46E+05 bzw. 1,88E+06. Der Gehalt des peripheren Nerven betrug hingegen lediglich 2,41E+02. Bei den DNA-Proben der verschiedenen Organe sowie bei der Negativkontrolle der RT-PCR wurde kein Fluoreszenzsignal gemessen. Abb. 2 zeigt die Log10-Werte des relativen Gehaltes der GFAP- Expression der unterschiedlichen Organe. Dies bedeutet, im Gegensatz zu den bei Gehirn und Rückenmark erzielten Werten von 1,46E+05 bzw. 1,88E+05,einen 1.000- bis 10.000-fach höheren GFAP-mRNA-Gehalt. Der Ct-Wert, den wir von diesen Organen erhielten, lag immer oberhalb von 35 Zyklen, während eine0,01%ige Konzentration an Gehirn bereits ein Signal bei einem Ct-Wert von 32,23 (± 0,12) Zyklen aufwies.
Es wird deutlich, dass GFAP in hohen Konzentrationen im ZNS-Gewebe exprimiert wird. Die quantitativen Relationen liegen für bovines Rückenmark, Gehirn und periphere Nerven im Verhältnis 530:80:1. Diese grundlegenden Relationen konnten bereits von anderen Autoren auf Proteinebene gezeigt werden. Wesentlich für die Routinetauglichkeit ist die Bewertung möglicher Kreuzreaktionen mit peripherem Nervengewebe (N. ischiadicus und N. axillaris). Mit der eingesetzten Technik der absoluten Quantifizierung ergibt sich eine Relation der ermittelten Fluoreszenzsignalstärken von 1,2 % Rinderhirnzu100 % peripherem Nerv. Da in praxi derartige Verteilungen in der Probe nicht zu erwarten sind, ist von Kreuzreaktionen mit peripherem Nervengewebe nicht auszugehen. Dies gilt ebenso für die Nebenniere. Hier liegen die Fluoreszenzsignalrelationen im Verhältnis von 0,2 %Rinderhirn zu 100 % Nebenniere. Als Ursache für die geringgradigen GFAP-Gehalte in den verschiedenen untersuchten Organen (z. B. Herz) sind die verschiedenen Splicevarianten des GFAP-Gens anzusehen. Ferner ist zu berücksichtigen, dass die Gewebe über eine unterschiedlichstarke periphere Innervation verfügen. So ist aus reinem Fettgewebe kein Signal detektierbar.

Nachweisgrenze in Fleisch und Fleischerzeugnissen

Neben der Bestimmung der Detektionsgrenze wurden zusätzlich Untersuchungen zur Lagerungsstabilität der mRNA-Zielregion vorgenommen. In die vergleichenden Untersuchungen wurden folgende Materialien einbezogen: artifiziell kontaminiertes Rinderhackfleisch, Kessel-(F-Wert :0,48), Dreiviertel- (F-Wert :0,84) und Vollkonserven(F-Wert :5,4) als Brühwurst nach Art einer Lyoner. Zusätzlich wurde eine Streichleberwurst als Kesselkonservegefertigt (Lagerung bei < +10 °C). Die Einmischkonzentrationen an bovinem Gehirngewebe und Rückenmark sind Tab. 1 zu entnehmen.
Das vorgestellte Real-Time-PCR-Verfahren ermöglicht die zuverlässige Detektion von Rindergehirn in nativen und hitzebehandelten Fleischprodukten. Bei artifiziell kontaminierten Kessel-, Dreiviertel- als auch Vollkonserven wurden bis zu 0,1 % ZNS-Gewebe reproduzierbar detektiert. (Abb. 3). Dies gilt ebenfalls für eine hergestellte Streichleberwurst mit 20 % Leberanteil.

Voraussichtlicher Nutzen und Verwertbarkeit der Ergebnisse

Nach kritischer Bewertung der erarbeiteten Versuchsergebnisse und Validierungsdaten können die folgenden wesentlichen Vorteile der etablierten Nachweisverfahren festgehalten werden :

1. Tierartenspezifische Nachweisführung

Durch die selektive Detektion von ZNS Gewebe der Tierarten Rind, Schaf und Ziege auf der einen bzw. Schwein auf der anderen Seite kann sichergestellt werden, dass nur Gehirn und Rückenmark der rechtlich gemaßregelten Tierarten erfasst wird. Gleichzeitig besteht dabei die Möglichkeit, mit einem zweiten Verfahren aufweitere, möglicherweise schlachttechnologischbedingte ZNS- Kontaminationen der Tierart Schwein zu untersuchen. Falsch-positive Befunde durch Kreuzreaktionen mit entsprechenden Geweben des Geflügels treten definitiv nicht auf.

2. Zuordnung des ZNS-Gewebes zur Tierart in einem Verfahrensgang

Mit den entwickelten Nachweisverfahren ist es erstmalig in einem Verfahrensgangmöglich, das ZNS-Gewebe der jeweiligen Tierart respektive „Rind, Schaf und/oder Ziege“ bzw. „Schwein“ zuzuordnen. Bislang konnte diese Fragestellung allenfalls über zusätzliche Tierartendifferenzierungen(z. B. mittels ELISA oder PCR) beantwortet werden. Waren im untersuchten Fleischerzeugnis mehr als eine Tierartverarbeitet, war die Zuordnung mit solchen Verfahren unmöglich.

3. Quantitative Datenanalyse

Im gleichen Versuchsdurchgang kann das Ergebnis quantifiziert, also der prozentuale Gehalt an ZNS-Gewebe ermittelt werden. Die Genauigkeit dieser Nachweisführung wird dabei durch die Berücksichtigung der Art des Erzeugnisses (z. B. Hackfleisch oder Konserven) im Gegensatz zu den bislang auf dem Markt befindlichen immunologischen
Verfahren erhöht.

4. Hohe Sensitivität

Mit Nachweisgrenzen von bis zu 0,1 % ZNS-Gewebe ist sichergestellt, dass selbstgeringfügige Kontaminationen erfasst werden können. Damit kann auch die Eignung technologischer Prozesse, wie etwa der Herrichtung und Zerlegung, kontrolliert werden.

5. Hoher Probendurchsatz

Durch den Einsatz der modernen Real-Time-PCR können in einem Versuchsdurchgang unter Berücksichtigung der mitgeführten Standards und Kontrollreaktionen mehr als 80 Proben (40 Proben im Doppelansatz) untersucht werden.

6. Untersuchungsergebnis liegt innerhalb eines Arbeitstages vor

Einschließlich der Probenaufbereitung liegt das Untersuchungsergebnis in weniger als 6 Stunden und somit innerhalb eines Arbeitstages vor.

Diese Untersuchungen wurden finanziellunterstützt durch das Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft.

michael.buelte@vetmed.uni-giessen.de
Amir.Abdulmawjood@vetmed.uni-giessen.de

Foto: © Prof. Dr. Michael Bülte

L&M 2 / 2008

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 2 / 2008.
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