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Mit Farbstoff zur Solarenergie

Mit Farbstoff zur Solarenergie

Ein Energieprojekt befördert das Team aus Darmstadt unter die Besten

Beim Giant Jamboree am MIT in ­Boston, mit dem der iGEM-Wettbewerb (International ­Genetically ­Engineered ­Machine Competition) in diesem Jahr sein 10-jähriges ­Jubiläum ­feierte, gewann das iGEM-Team der Technischen Universität Darmstadt (TU Darmstadt) die Aus- zeichnungen: Finalist und dritter Platz bei den „Overgraduates“ (von über 200 Teams) sowie die Sonderpreise „Best Energy Project“ und „Best New Basic Part“.

Im Fokus des iGEM-Projekts 2014 standen erneuerbare Energien: Mithilfe von Gentechnik brachten die Studie­renden metabolische Pfade in E. coli ein, um in hoher Ausbeute Pflanzen- farbstoffe aus der Gruppe der Antho­cyane herzustellen. Diese Stoffgruppe färbt nicht nur Blüten in Blau, Violett oder Rot, sondern ist auch in Früchten wie Beeren oder Weintrauben enthalten. In der Ernährung werden sie geschätzt für ihre antioxidative Wirkung und für die Fähigkeit, das Risiko für verschiedenste Krankheiten wie Krebs zu senken [1]. Das Team der TU Darmstadt nutzte die Naturfarbstoffe, um Grätzel-Zellen – benannt nach ihrem Erfinder Michael Grätzel – zu bauen [2]. Damit erhielten sie Zugang zu einer besonderen Form der Bioenergie. Die elektrochemische Farbstoffsolarzelle verwen­det zur Absorp­tion von Licht kein auf Silizium basierendes Halbleitermaterial, sondern die Pflanzenfarbstoffe. Neben dem Farbstoff enthält sie ein Elektrolyt-/Redoxsystem sowie einen leitfähigen Glasobjektträger – auf der einen Seite mit Titandioxid beschichtet und auf der anderen mit Graphit. Die Solarzelle nutzt die Fähigkeit der Anthocyane, Elektronen in einem angereg­ten Zustand auf das TiO2 zu übertragen. Dieser angeregte Zustand wird durch Sonneneinstrahlung hervorgerufen. Nach Elektronentransfer sind die Anthocyanmoleküle positiv geladen. Durch den Empfang von Elektronen aus dem Redox­system aus Iodid-Elektrolytlösung kehrt sich ihr Zustand wieder in einen ungeladenen zurück. Im Laufe der Projektphase baute das Team eine Grätzel-Zelle selbst, die nachhaltig für Energie sorgen kann.

Ohne Moos nix los

Das Besondere an iGEM, nämlich Aspekte der Synthetischen Biologie mit ingenieurwissenschaftlichen Frage­stellungen zu verbinden, stellt die Studierenden stets vor neue Herausforderungen. Dabei lernen sie, selbstständig ein Projekt zu planen, dafür zu forschen und ein Produkt zu entwickeln. Dazu gehört auch, Gelder zu akquirieren, damit das Projekt überhaupt zu Stande kommen kann. Nicht nur Labor- und Arbeitsmateria­lien müssen angeschafft werden, sondern auch die Reise nach Boston sowie die Teilnahmegebühren für das Jamboree, die viele deutsche und internationale Teams vor der Teilnahme abgeschreckt haben, mussten aufgebracht werden. Erstmals an der TU Darmstadt wurde versucht, über eine Crowdfunding-­Aktion das Projekt bekannter zu machen, um über private Spender Gelder zu erhalten. Da in diesem Jahr „Projektcoaches“ mit den Mitgliedern eine ausgereifte Teamstruktur erarbeiteten, konnte sich eine kleine PR-Abteilung auf das Sponsoring und den Bereich „Policy & Practices“ konzentrieren. In diesem Zusammenhang war ausschlag­gebend, dass das iGEM-Team von „Synenergene“ unter­stützt wurde; einem Projekt der Europäischen Kommission, das darauf abzielt, mit verantwortlicher For­schung in der Synthetischen Biologie zu agieren. Die erhaltenen Gelder nutzten die Studierenden beispielsweise, um Michael Grätzel in Lausanne zu be­suchen und mit ihm über seine Erfindung und ihre Anwendungsmöglichkeiten zu sprechen.

Harte Arbeit

Dennoch waren die Laborarbeiten die zeitintensivsten Aufgaben während der Projektphase. In Untergruppen eingeteilt, arbeiteten die iGEM-Mitglieder so oft es ging neben dem Studium an der Erstellung der Biobricks, bis die Bakterien Antho­cyane produzieren konnten (Abb.1). Schließ­lich musste das Team alle Arbeiten aufbereiten, die Biobricks mit insgesamt 33 Parts für die iGEM-Datenbank auflisten und charakteri­sieren sowie das Poster und das Wiki – gemeint ist die Webseite mit der Projektvorstellung – gestalten. Dann war das iGEM-Team bereit für das Jamboree Ende Oktober.


Abb.1 Von E.coli produzierte Farbstoffe
Bild: iGEM-Team der TU Darmstadt


Die Farbstoff-Solarzelle mit iGEM-Motiv treibt ­einen Propeller an.
Bild: iGEM-Team der TU Darmstadt

Das Giant Jamboree

Am Donnerstag in Boston angekommen, stellte das Team am Freitag sein Poster vor und begutachtete die Poster der anderen Teams, die in einer Halle im Hynes Convention Center ausgestellt waren. Am Samstag kam der große Tag der Projektpräsentation. Trotz Aufregung und Anspannung begeisterte das Team die Jury und konnte sich anschließend mit den Zuhörern in Gespräche über das Projekt vertiefen. Am Abend hatten die iGEM-Teilnehmer bei der „Night on the town“ die Gelegenheit, Boston zu erkunden. Am Sonntag fand ein Synenergene-Workshop statt, auf dem unter anderen die Uni Bielefeld, die LMU München und die TU Darmstadt ihre Ergebnisse und ihr Vorgehen beim „Policy & Practices“-Projektes vor­stellten. Bei der zweiten Postersession am Nachmittag freute sich das Team über noch mehr Besucher an seinem ­Poster. Die Awards-Zeremonie fand am Montag statt. Das ganze Team der TU Darmstadt war extrem überrascht, aber überglücklich, als es ­erfuhr, dass es unter den Finalisten war. Ein richtiges Abenteuer war die finale Präsentation vor knapp 2.000 Menschen. Doch die ganze ­Arbeit hatte sich gelohnt, schließlich wurde das Team mit dem dritten Platz und den Sonderpreisen „Best Energy Project“ sowie „Best Basic Part“ belohnt.


Der „international genetically engineered machine competition“, kurz iGEM, ist ein Wett­bewerb, bei dem Studierende Projekte selbstständig planen und umsetzen, um damit vor einer internationalen Jury anzutreten. Hier werden Nachwuchswissenschaftler dazu gebracht, die in den Vor­lesungen gebüffelte Theorie in die Praxis umzusetzen. Als interdisziplinärer und akademischer Wettbewerb auf Basis der synthetischen Bio­logie wurde iGEM im Jahr 2003 am MIT in Boston initiiert, wo nach regionalen Vorentscheidungen alljährlich auch das Finale ausgetragen wird. Der Wettbewerb richtet sich an Studierende unterschiedlichster Fachrichtungen, die als Mannschaft mithilfe ­standardisierter DNA-Bausteine (BioBricks) eine „biologische Maschine“ planen und bauen. Weltumfassende Probleme und deren ­Lösung sollen dabei eine Rolle spielen, aber auch die Art und Weise, wie die Nachwuchswissenschaftler ihre Ergebnisse darstellen.

www.igem.org

Literatur
[1] Hribar, U. & Ulrih, N. P. (2013) Curr. Drug Metab. 15(1), 3–13
[2] Gratzel, M. (2003) Nature 421(6923), 586–587

Teambild: iGEM-Team TU Darmstadt | Laurin Monnheimer
Jamboree-Bild: iGEM Foundation | Justin Knight

L&M 1 / 2015

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 1 / 2015.
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