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Künstliche Haut - Tissue Engineering

Künstliche Haut - Tissue Engineering

Haut aus der Maschine

Die Haut ist mit einer Fläche von fast 2 Quadratmetern und einem Gewicht von bis zu 12 Kilogramm ein (ge-) wichtiges -Organ – das von den meis-ten Menschen nicht als solches wahrgenommen wird. Auch in der Forschung ist Haut gefragt, der Bedarf an „Hautmodellen“ enorm. Gemeinsam mit ihren Kollegen vom Fraunhofer IPA und Fraunhofer IZI entwickeln die Forscher ein Verfahren, mit dem sich künstliche Haut vollautomatisch herstellen lässt.

Die Haut ist das erste Organ, das künstlich mit Methoden des Tissue Engineering1 gezüchtet wurde, weil Hautbiopsien leicht verfügbar sind und die Haut zellulär einfach aufgebaut ist. Hautstrukturen werden überwiegend mit dem Ziel der Gewinnung und Optimierung von Transplantaten für Schwerbrandverletzte oder für schlecht heilende Wunden entwickelt. In der letzten Zeit hat sich ein weiterer Verwendungszweck als In-vitro-Test-systeme für solche Hautäquivalente entwickelt. Einen entscheidenden Anteil -daran hat die 7. Kosmetikrichtlinie, die vorschreibt, bis zum Jahr 2009 Tierversuche zur kutanen Resorption durch -In-vitro-Tests zu ersetzen. Weiterhin soll im Rahmen der REACH–Verordnung eine große Zahl von Chemikalien auf schädliche Nebenwirkungen getestet werden. Diese große Anzahl, besonders von Toxizitätstests, ist mit den herkömmlichen Methoden kaum bzw. nur mit hohem Aufwand an Kosten und Zeit zu bewältigen. Hier stellen Hautäquivalente eine echte Alternative dar. In der Pharma-Forschung und ganz besonders beim Screening potenzieller Substanzen mit therapeutischem Nutzen sind hoch entwickelte und -standardisierte Testsysteme als möglichst humannahe Indikatoren für den Wirknachweis gesucht.

3D-Hautmodell

Aufgebaut ist das 3D-Hautmodell aus einer Kollagen Typ I Matrix, in die Fibroblasten als mesenchymale Zellen eingebracht werden. Auf diese Matrix werden humane epidermale Keratinozyten aufgebracht und durch eine mehrwöchige -Kultivierung des entstehenden Epithels an der Luft-Medium-Übergangszone wird eine Differenzierung zu einer mehrschichtigen Epidermis erreicht. Diese so genannte „air-liquid“-Kultivierungsmethode induziert die Reifung und Ausdifferenzierung der Keratinozyten, die Stratifizierung der Epidermis mit der Bildung einer Hornschicht (Stratum corneum) (siehe Abb. 1). Die physiologische Ausbildung des Stratum corneum im Hautäquivalent ist entscheidend, um grundlegende Eigenschaften der normalen Haut, wie beispielsweise die Barrierefunktion, nachzuahmen. Das fertige Hautmodell kann auch zu Untersuchungen auf Biokompatibilität eingesetzt werden (Abb. 2). Hierfür ist das Fraunhofer IGB2 nach DIN ISO 10993-5 akkreditiert. Weitere Einsatzmöglichkeiten sind im Infokasten „Verwendung des Hautmodells“ auf der folgenden Seite dargestellt. Die fertige künstliche Haut hat eine Kultivierungszeit von 6 Wochen und muss -ausnahmslos von geschultem Personal durchgeführt werden. Diese aufwändige manuelle Durchführung hat vier Institute der Fraunhofer--Gesellschaft (IGB, IPA3, IPT4 und IZI5) herausgefordert, ein Großprojekt durchzuführen mit dem Ziel, Organe und/oder Gewebe automatisiert herzustellen. Als erstes „Fabrikorgan“ soll künstliche Haut verwendet werden. Hintergrund der Anstrengungen ist, dass ein automatisier-ter Prozessablauf einen entscheidenden Schritt in Richtung reproduzierbare und standardi-sierbare Abläufe darstellt, der es ermöglicht, die Hautmodelle einerseits ökonomisch herzustellen und andererseits dadurch den Bereich des Tissue Engineering aus den Kinderschuhen herauszuholen. Da dieses Modell am IGB ein gut etabliertes und patentiertes (EU 1953961.8) System ist, eignet es sich als Standardmodell für die Konzeption dieser automatisierten Prozessschritte.

Haut aus der Fabrik – davon träumen Pharmakologen, Chemiker und Mediziner schon lange.

Sowohl die Industrie als auch die Forschung haben einen enormen Bedarf an schnell verfügbaren Hautmodellen: Die Ergebnisse der Tests gelten als aussagekräftig und können Tierversuche größtenteils überflüssig werden lassen oder deutlich verringern. In einem mehrstufigen, automatisch ablaufenden Prozess werden jetzt die kleinen Hautstücke zunächst sterilisiert, dann transportiert ein Greiferarm die Stücke in die Anlage, in der die einzelnen Schritte wie folgt ablaufen: Der Automat (siehe Abb. 3) schneidet die Biopsie klein, isoliert sie mithilfe von -Enzymen und separiert die zwei Zellfraktionen. Die zwei unterschiedlichen Zelltypen werden dann getrennt auf Zellkulturoberflächen vermehrt. Der nächste Arbeitsschritt fügt die beiden Zelltypen zu einem zweischichtigen Modell zusammen – wobei den Zellen, die die flexible untere Schicht, die Dermis, bilden sollen, Kollagen beigemischt wird. Das verleiht dem Gewebe natürliche Elastizität. In einem körperwarmen und feuchten Inkubator verbinden sich die Zellfraktionen in weniger als drei Wochen zu einem fertigen Hautmodell von etwa einem Zentimeter Durchmesser. Im letzten Schritt verpackt der Automat die Hautmodelle für den Versand. Als weitere Herausforderung innerhalb des Projekts sollen die Hautmodelle kryokonserviert werden, d. h., die Modelle werden eingefroren und so lagerfähig gemacht für den späteren Einsatz. Wichtig ist, dass der gesamte maschinelle Ablauf in einzelne Module unterteilt ist, somit können einzelne Module entsprechend den Anforderungen zur Herstellung unterschiedlicher Gewebe ausgetauscht oder verändert werden.

Entwicklung einer automatisierten Herstellung - Automated Tissue-Engineering

Aktuell arbeitet das Projektteam, in dem Ingenieure, Wissenschaftler und Techniker aus den vier Fraunhofer-Instituten kooperieren, mit Hochdruck an der Automatisierung der einzelnen Arbeitsschritte: Um die biologische Grundlagenentwicklung und Validierung der Anlage sowie ihrer Teilmodule kümmern sich die Forscher am IGB sowie am Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie IZI. Mit der Prototypenentwicklung, Automatisierung und Integration der Anlage zu einem funktionsfähigen Gesamtsystem beschäftigen sich die Experten am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und -Automatisierung IPA sowie am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT. Eine große Herausforderung war die Überwindung der verschiedenen Fachdisziplinen, die sich, nicht nur didaktisch, stark unterscheiden.

Ziel: Marktreife

Bis die fertige Maschine für das Automated Tissue-Engineering on Demand auf den Markt kommt, muss noch einiges an Tüftelarbeit geleistet werden: Über Erfolg und Misserfolg entscheiden oft Details, wie die Qualität der Hautstücke, Einwirkzeiten von Enzymen und Viskositäten von Flüssigkeiten (Abb. 4). Außerdem müssen die Zellkulturen während des gesamten Fertigungsprozesses überwacht werden, um den Prozess optimal steuern und einen eventuellen Befall mit Pilzen oder Bakterien rechtzeitig erkennen zu können. In zwei Jahren soll die Haut-Fabrik fertig sein. Ziel ist es, 5.000 qualitativ einwandfreie Hautmodelle im Monat zu produzieren und dabei einen Stückpreis von unter 34 Euro zu erzielen. Interessant ist das Automated Tissue Engineering auch für die Transplantationsmedizin: Bei großen Brandverletzungen benötigen die Chirurgen gesundes Gewebe, um die zerstörten Hautpartien zu ersetzen. Die Forscher am IGB arbeiten aber bereits an einem Vollhautmodell, das auch Blutgefäße beinhalten soll. Wenn die Forschung abgeschlossen ist, sollen die Transplantate ebenfalls vollständig automatisiert produziert werden. Die Anlage wurde so konzipiert, dass sie den hohen Standards der Good Manufacturing Practices – kurz GMP – genügt, die Vorschrift gilt für die Herstellung von Produkten, die in der Medizin eingesetzt werden. Damit wird die Anlage prinzipiell auch für die Gewinnung von künstlicher Haut für Transplantationen geeignet sein.

Stichwörter:
künstliche Haut, Organe züchten, Tissue Engineering, Automated Tissue-Engineering, Hautersatz, in-vitro Hautmodell

L&M 4 / 2009

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 4 / 2009.
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