Mikrobielle Alchemie: Palladium-Nanopartikel mithilfe von Bakterien
Mikrobielle Alchemie: Palladium-Nanopartikel mithilfe von BakterienOpus magnum – das große Werk, der Stein der ?Weisen, Gold aus Blei herzustellen – das waren die Träume der Alchemisten. „Mikrobielle Alchemie“ kann das leisten, na ja fast, und eben alles eine ?Nummer kleiner, sogar auf Nanoebene – Opus minimum sozusagen. Edelmetalle, insbesondere Palladium, mithilfe von Mikroorganismen zu recyclen und gleichzeitig Nanokatalysatoren mit herausragenden Eigenschaften herzustellen – das birgt großes Potenzial für nachhaltige Anwendungen in der Industrie und für die Entfernung von Mikroschadstoffen. Mikroorganismen als Bergwerker: BioMining und BioRecycling von Edelmetallen Mikroorganismen werden bereits sehr erfolgreich für die Förderung von Edelmetallen im Bergbau (BioMining) und beim Recycling eingesetzt. Schätzungen zufolge wurden im Jahr 2010 mindestens 90t Gold durch Biooxidation gewonnen. Das entsprach in jenem Jahr immerhin etwa 3,5% der globalen Goldförderung. Für die Behandlung von metallhaltigen Abwässern aus dem Bergbau können Biosorptionsprozesse und Bioakkumulation ebenfalls hilfreich sein – einerseits, um toxische Schwermetalle wie Quecksilber, Uran und Cadmium zu entfernen, andererseits, um Edelmetalle und andere „strategische“ Metalle wie die sogenannten seltenen Erden nachhaltig zu gewinnen [1]. Dabei sind es vor allem die Platingruppenmetalle (z.B. Palladium, Platin, Rhodium, Ruthenium), die im Fokus der Mikrobiologen und Umweltwissenschaftler an der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) stehen. Platingruppenmetalle sind wichtige Rohstoffe für die Herstellung zahlreicher Hightech-Produkte. Sie werden als Industriekatalysatoren in chemischen Prozessen, als Abgaskatalysatoren und in vielen weiteren Produkten der Automobil-, Elektronik- und Medizinindustrie genutzt – doch die Ressourcen sind knapp. Außerdem dienen sie der Erzeugung und Speicherung alternativer Energien, zum Beispiel in Solarzellen oder bei der Wasserstoffspeicherung in Brennstoffzellen. Die Entwicklung der Zukunftstechnologien hat die Nachfrage nach vielen Platingruppenmetallen und anderen strategischen Metallen verstärkt. Der ständig steigende Bedarf kann in Zukunft nicht mehr über die verfügbare Fördermenge aus dem Bergbau gedeckt werden. Eine Möglichkeit, die Versorgung mit diesen wertvollen Rohstoffen zu sichern, ist das Recycling, zum Beispiel die Aufbereitung von Abgaskatalysatoren. Palladium – ein ganz besonderes Metall Besonders Palladium spielt für industrielle Anwendungen eine herausragende Rolle und ist entsprechend stark nachgefragt. Es wird als Katalysator in der chemischen Industrie, insbesondere für C-C-Kreuzkupplungsreaktionen in der organischen Synthese (Suzuki-Miyaura und Mizoroki-Heck-Reaktionen) [2, 3] , als Katalysatormetall in Abgaskatalysatoren und als Wasserstoffspeicher in Brennstoffzellen benötigt. Neben der effizienten Nutzung vorhandener Ressourcen ist daher ein vollständiges und nachhaltiges Recycling bzw. die Aufbereitung der Edelmetalle aus verschiedensten Industrieanwendungen nötig. Die derzeit verwendeten konventionellen pyrometallurgischen und hydrometallurgischen Recyclingmethoden sind jedoch wenig nachhaltig und mit hohem Energieaufwand bzw. dem Einsatz und der Freisetzung von toxischen Chemikalien verbunden. An der JLU werden innovative Verfahren zum mikrobiellen Recycling von strategischen Edelmetallen – insbesondere von Palladium, aber auch von Platin, Rhodium und Ruthenium – entwickelt. Doch das ist nicht alles: In diesen Prozessen produzieren die Mikroorganismen gleichzeitig maßgeschneiderte Palladium-Nanokatalysatoren mit herausragenden katalytischen Eigenschaften (bioPalladium), die zum Abbau von problematischen langlebigen Umweltschadstoffen genutzt werden können. Dabei werden die Nanopartikel bei bestimmten Bakterien in einem Kompartiment zwischen Cytoplasmamembran und äußerer Membran, dem sogenannten periplasmatischen Raum, abgelagert (Abb.1) [4]. In den nanobiotechnologischen Verfahren werden schwermetalltolerante Bakterien als „recycelbare“ Produzenten genutzt. Die Bakterien erzeugen so gleichzeitig höchst aktive Nanokatalysatoren auf nachhaltigem Weg. Bei diesen Prozessen laufen mikrobielles Wachstum, Metallreduktion und Nanopartikelbildung simultan ab. Die zu Grunde liegenden Mechanismen für die Vorgänge an den zellulären Grenzflächen sind allerdings weitgehend ungeklärt, vermutet wird die Beteiligung von Hydrogenasen.
Abb.1 Palladium-Nanopartikel im Periplasma von Gram-negativen Bakterien
POPs – riskante Stoffe in der Umwelt Bei den durch die Palladium-Nanopartikel katalysierten Abbaureaktionen handelt es sich unter anderem um Dehalogenierungsreaktionen für den Abbau von langlebigen bioakkumulierenden, in der Umwelt schwer abbaubaren organischen Verbindungen, sogenannten persistenten Organohalogenverbindungen (persistent organic pollutants, POPs). Zu den Schadstoffen, die mit den bioPalladium-Nanokatalysatoren dehalogeniert und schließlich eliminiert werden sollen, gehören „alte Bekannte“ wie Dioxine, PCBs und Chlorbenzole – aber auch neue POPs wie z.B. jodierte Röntgenkontrastmittel in Krankenhausabwässern oder bromierte Flammschutzmittel. POPs können sich in der Nahrungskette oder auch in Regionen fernab ihrer Entstehung oder ihres Gebrauchs anreichern. Somit gehören diese Substanzen zu den großen globalen Herausforderungen. POPs sind mittlerweile weltweit „geächtet“. Das heißt: Herstellung, Inverkehrbringen und Gebrauch sind zu vermeiden. Zu den POPs zählen im Sinne der völkerrechtlich bindenden Stockholmer Konvention aus dem Jahr 2001 zwölf verschiedene Substanzen bzw. Substanzgruppen, die sich durch einen hohen Halogenierungsgrad auszeichnen. Im Jahr 2009 und 2011 wurde die Liste durch weitere Substanzen bzw. Substanzgruppen ergänzt. Bestimmte Mikroorganismen sind in der Lage, halogenierte aliphatische und aromatische Substanzen gezielt anzugreifen und sie über mikrobielle reduktive Dehalogenierung abzubauen [5, 6]. Neben diesem biologischen und in der Umwelt oftmals langwierigen Abbau können über den Einsatz von Pd-Nanopartikeln als Katalysatoren reduktive Dehalogenierungen mit sehr hohen Umsatzraten erzielt werden [7]. Dabei werden die Chloratome schrittweise durch Wasserstoffatome ersetzt. POPs und Palladium-Nanopartikel: Untersuchung der Transformation durch SPME / GC-MS Zur Untersuchung der Effizienz und Stabilität der mikrobiell synthetisierten Pd-Nanopartikel werden im Rahmen des Verbundprojekts „NanoPOP“ die Verfügbarkeit, Sorption und Dehalogenierung (in Gegenwart von Palladium-Nanokatalysatoren) von ausgewählten POPs erfasst. Mit der Festphasenmikroextraktion (SPME: solid-phase microextraction) [8] werden die POPs und ihre Transformationsprodukte in Mikroreaktionsgefäßen direkt analysiert. Gekoppelt mit Gaschromatografie, ist die SPME ein lösungsmittelfreies Verfahren zur Extraktion und Anreicherung von Analyten aus festen, flüssigen und gasförmigen Proben, ohne dass eine wesentliche Probenaufarbeitung erfolgen muss. Dabei reichern sich die Analyten aus der Probe an einer beschichteten Quarzkapillare an, um im folgenden Schritt im Injektor des Gaschromatografen thermisch desorbiert zu werden. Die Extraktion mit SPME ist nicht erschöpfend, nur ein Teil der Analyten wird an die wiederverwendbare beschichtete Faser gebunden. Die Quantifizierung erfolgt auf Grundlage der substanzspezifischen Verteilungsprozesse zwischen Matrix und Faser bzw. über externe oder interne Standards (im Falle des massenspektrometrischen Nachweises bieten sich deuterierte oder 13C-markierte Analyten an). Insbesondere eine hohe Matrixbelastung (Partikel oder Kolloide in der wässrigen Probe) kann zu unterschiedlichen Extraktionsausbeuten in verschiedenen Proben führen und muss bei den Experimenten berücksichtigt werden. Durch die hohe Empfindlichkeit und Selektivität bei der Extraktion mit SPME wird die Arbeit in Gegenwart von sehr niedrigen Nanopartikelkonzentrationen ebenso ermöglicht wie Untersuchungen mit geringsten umweltrelevanten Konzentrationen der schlecht wasserlöslichen POPs. Auch wird eine hohe Anzahl von Wiederholungen bzw. Versuchsvarianten möglich. So können Artefakte, etwa durch Probentransfer, vermindert werden. Mit der weitgehend automatisierbaren Methode wird der Anteil frei gelöster Chemikalien in der Wasserphase bestimmt, um daraus Verteilungskoeffizienten oder Abbau- und Transformationsraten abzuleiten [9]. Über die Extraktion der POPs aus dem Gasraum (also Headspace-SPME) und anschließender GC-MS-Analyse erhält man im Vergleich zu Referenzmessungen Konzentrationsrückgänge durch Sorptions- und Abbauverluste. Die Sorption spielt bei den betrachteten lipophilen Verbindungen eine entscheidende Rolle hinsichtlich ihrer Bioverfügbarkeit [10]. Idealerweise lassen sich die Abbauprodukte der Dehalogenierung ebenfalls detektieren (z.B. TriCB, TetraCB, PentaCB als HCB-Abbauprodukte, Abb.2b; DDD als Abbauprodukt aus der reduktiven Dechlorierung von DDT). Die Anwesenheit der geringer halogenierten Benzole bzw. von DDD bestätigt, dass es sich um Transformation und nicht um Sorption handelt. In Abbildung 3 ist exemplarisch der Verlauf der durch Pd-Nanopartikel katalysierten reduktiven Dehalogenierung für Hexachlorbenzol (HCB) über eine Versuchsdauer von zwölf Wochen dargestellt. Hier zeigten sich – nach Analyse des Gasraums oberhalb der Probe – mit zunehmender Pd-Nanopartikelkonzentration die in Abbildung 2b dargestellten dehalogenierten Produkte von HCB. Erste Produkte dieser Transformationen (PentaCB, TetraCB) wurden bereits nach 24 Stunden festgestellt. Auch Dioxine können durch bioPalladium dehalogeniert werden (Abb. 4).
Abb.2 Kontrollierte Synthese von Metall-Nanopartikeln an Biomembranen als ”Scaffold”. (a) In Vesikeln verkapselte Palladium-Katalysatoren (Foto: Gerd Hause & Michael Bunge). (b) Ein Beispiel für die Transformation von persistenten organischen Schadstoffen in Gegenwart von Palladium-Nanopartikeln: die schrittweise Dehalogenierung von Hexachlorbenzol.
Abb.3 Reduktive Dechlorierung von HCB in Gegenwart unterschiedlicher Pd-Nanopartikelkonzentrationen. Die Probenextraktion wurde mittels Headspace-SPME bei 30°C und 20 Minuten Extraktionszeit mit einer 100µm PDMS-Material beschichteten Kapillare durchgeführt. Die Proben wurden fünf Minuten vor sowie während der Extraktionszeit geschüttelt. Vor und nach der Extraktion wurde die Faser für jeweils vier Minuten in einem Ausheizofen (280°C) inkubiert. Die Messung von Reinstwasserproben stellt sicher, dass keine Rückstände auf Faser oder GC-Säule verbleiben. Zur Korrektur systematischer Schwankungen innerhalb einer Messreihe (ab- oder zunehmende Empfindlichkeit des MS oder der Faser, Sorption an die Glaswandung der SPME-Vials), wurden externe Standards vermessen. Die Trennung und Detektion von HCB und seiner Transformationsprodukte erfolgte durch Gaschromatografie auf einer 30m × 0,25mm Fused Silica-Kapillarsäule (Typ DB5) mit 0,25µm Beschichtung, gekoppelt mit einem Ionenfallen-Massenspektrometer.
Abb.4 Dehalogenierung von Dioxinen durch bioPalladium. Ausgehend von 1,2,3,4-Tetrachlordibenzo-p-dioxin wird 1-Monochlordibenzo-p-dioxin gebildet, welches geringeres Bioakkumulationspotenzial besitzt und außerdem leichter durch aerobe Prozesse abgebaut werden kann. Die Zwischenprodukte der durch bioPalladium katalysierten Reaktion konnten bislang noch nicht identifiziert werden.
Fazit Die mithilfe von Bakterien produzierten Edelmetall-Nanopartikel werden für die Entfernung von langlebigen Schadstoffen eingesetzt – ein Ansatz, der auf die Behandlung von Abwasser und auf Umweltsanierungsverfahren erweiterbar ist. Diese Transformationsprozesse können mit Mikroextraktionsverfahren detailliert verfolgt werden. Mit der Verwendung der hergestellten Materialien für neuartige Beschichtungstechniken und edelmetallbeschichtete Keramikoberflächen und Nanofasern bleibt das Verfahren nicht auf chemische Technologien und Umwelttechnologien beschränkt. Es lässt sich auch für verschiedene andere industrielle Anwendungen nutzen, zum Beispiel in der Fahrzeugindustrie.
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