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1000-Genome-Projekt

1000-Genome-Projekt

Sequenzierung der Genomen von 1200 Menschen

Dr. Ralf Sudbrak und Prof. Dr. Hans Lehrach, Max-Planck-Institut für Molekulare Genetik, Abteilung Analyse des Vertebratengenoms

Seit August 2008 beteiligt sich das Max-Planck-Institut für Molekulare Genetik (MPIMG) in Berlin am internationalen 1000-Genome-Projekt. In diesem Vorhaben werden die Genome von rund 1200 Menschen sequenziert, um daraus einen höchst detaillierten Katalog menschlicher genetischer Variationen zu erstellen. Die resultierende Karte wird Genetikern und Medizinern helfen, mehr über die Rolle einzelner Variationen bei der Entstehung von Krankheiten zu erfahren.

Die Entschlüsselung des Referenzgenoms Der Startschuss zu diesem Projekt fiel fast genau vor 25 Jahren. Auf der 1. Santa Cruz Konferenz im Jahre 1985 wurde das erste Mal die Möglichkeit der Entschlüsselung der genetischen Information des Menschen diskutiert. Einer der Diskussionsteilnehmer war Hans Lehrach, damals noch Abteilungsleiter am Imperial Cancer Research Fund, London. Dieses als Apolloprogramm der modernen Biologie bezeichnete Unterfangen, das internationale Humangenomprojekt, wurde 1990 in den USA ins Leben gerufen. Ziel war es, den Aufbau und die Funktion der gesamten menschlichen Erbsubstanz zu entschlüsseln, d.h., die vollständige Sequenzierung der 3,2 Milliarden Basenpaare des menschlichen Genoms. 1994 wurde Hans Lehrach als Direktor am Max-Planck-Institut für Molekulare Genetik (MPIMG) in Berlin berufen und die Abteilung Analyse des Vertebratengenoms etabliert. Ein Jahr später schloss sich Deutschland und damit das MPIMG als einer von drei deutschen Partnern dem internationalen Humangenomprojekt an.

Das Forscherteam um Hans Lehrach hatte seitdem nicht nur großen Anteil an der Methoden- und Technologieentwicklung auf dem Gebiet der Automatisierung von Routineprozessen, sondern war federführend an der Sequenzierung des Chromosoms 21 beteiligt. Obwohl sehr spät in das Projekt eingestiegen, konnte unter der wissenschaftlichen Koordination von Marie-Laure Yaspo aus unserer Abteilung dieses Chromosom im Jahr 2000 als zweites Chromosom überhaupt vollständig entschlüsselt werden. Weitere wesentliche Beiträge wurden unter der wissenschaftlichen Leitung von Ralf Sudbrak zu den Entschlüsselungen der genetischen Information von Chromosom X und 3 geleistet. 2003 wurde endgültig die Fertigstellung der vollständigen Sequenzierung des menschlichen Genoms verkündet.

Schnell wurde deutlich, dass das Referenzgenom nur ein erster Schritt zum Verständnis der funktionalen Zusammenhänge von Genvariation und Krankheitsanfälligkeit sein konnte. Natürliche Variationen Die meisten verbreiteten Krankheiten wie Diabetes, Herzleiden oder Krebs werden durch eine Vielzahl von Genen und Umweltfaktoren beeinflusst. Obwohl sich Menschen untereinander nur durch etwa 0,1 % ihrer DNA unterscheiden, beeinflusst diese Variation Krankheitsrisiken und die Wirksamkeit von Medikamenten. Die Erforschung dieser Variation bietet daher eine Möglichkeit, die komplexen Ursachen menschlicher Krankheiten zu verstehen.

Eine erste Karte von Variationen im Humangenom wurde bereits im Rahmen des HapMap-Projekts erstellt. In diesem Projekt konnten Varianten identifiziert werden, die mit einer Häufigkeit von mindestens 5 % in der Bevölkerung vorhanden sind. Das 1000-Genome-Projekt (http://www.1000genomes.org) baut auf diesen Daten auf, um möglichst sämtliche Varianten aufzuspüren, die mit einer Häufigkeit von mindestens 0,5-1 % im menschlichen Genom vorkommen. Auf diese Weise wird die Wissenslücke geschlossen, die zwischen sehr seltenen, folgenschweren Genvarianten und weit verbreiteten Varianten mit nur geringem Einfluss besteht. Es gibt die Erwartung, dass Varianten mit dieser und noch geringerer Häufigkeit eine größere Bedeutung als Suszeptibilitätsfaktoren für häufige Erkrankungen haben, als die im Moment in Assoziationsstudien untersuchten Varianten mit einer minimalen Allelfrequenz > 5-10 %. Insbesondere könnten diese Suszeptibilitätsfaktoren zu einer deutlichen Risikoerhöhung für einzelne Personen führen und somit die Voraussetzungen für eine gezielte Intervention bei einzelnen Personen schaffen.

Das 1000-Genome-Projekt

Durch die Einführung der neuen, so genannten Next Generation-Sequenzierungstechnologien wurde es möglich, das Genom einzelner Personen detailliert zu charakterisieren.

Die Stärke dieser Methoden beruht auf dem hohen Durchsatz und den, verglichen mit den vorher verfügbaren Verfahren, niedrigeren Kosten, die im Stande sind, mehrere Gigabasen an Sequenz in einem einzigen Lauf zu erzeugen. Durch Verwendung dieser Technologien werden in einer internationalen Kooperation die Genome von rund 1200 Menschen sequenziert, um daraus einen höchst detaillierten Katalog menschlicher genetischer Variationen zu erstellen.

Die resultierende Karte wird Genetikern und Medizinern helfen, mehr über die Rolle einzelner Variationen bei der Entstehung von Krankheiten zu erfahren. Dieses Vor haben wurde im Januar 2008 unter der Beteiligung der USA, Großbritannien und China begonnen. Ähnlich wie beim Humangenomprojekt wurde dieses Projekt ohne deutsche Beteiligung initiiert.
Im August 2008 wurde das MPIMG als neuer Partner in das internationale Konsortium aufgenommen. Ermöglicht wurde dies durch Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, welches die Beteiligung der Berliner Forscher an dem internationalen Großprojekt im Rahmen des Programmes „Integrierte Verbünde der medizinischen Genomforschung NGFN-Plus“ fördert. Allein in der zehnwöchigen Pilotphase im Jahr 2008 hat das von Hans Lehrach geleitete Berliner Team genauso viele DNA-Basen sequenziert, wie seinerzeit beim gesamten Humangenomprojekt in einer mehrjährigen Anstrengung weltweit entziffert worden waren.

Die Pilotphase Im Oktober 2008 konnte die Sequenzproduktion der Pilotphase erfolgreich abgeschlossen werden. Alleine im September und Oktober 2008 hat das 1000-Genome- Projekt das Äquivalent von GenBank in jeder Woche produziert. Diese erste initiale Phase bestand aus drei unterschiedlichen Pilotprojekten. Hierbei wurden einmal 180 Individuen aus drei ethnischen Gruppen (Personen aus den USA mit europäischer Herkunft, Ostasiaten und Yoruba aus Nigeria) mit einer vierfachen Abdeckung des Genoms sequenziert.

Das zweite Projekt bestand aus der Analyse zweier Trios (beide parentale Individuen und ein F1) mit einer zwanzigfachen durchschnittlichen Abdeckung des Genoms.

Projekt drei beinhaltete die Sequenzierung von 1000 ausgesuchten Genen in 1000 Individuen. Das Sequenzierungsvolumen belief sich auf über 3.8 Terabasen. Dies bedeutet, dass bereits in der Pilotphase eine 1000-fache Abdeckung des humanen Genoms erreicht wurde. Die Analyse dieser Daten führte zur Detektion von über 11 Millionen Varianten, von denen zu diesem Zeitpunkt mehr als fünf Millionen noch nicht in der dbSNPDatenbank verzeichnet waren. Eine Stichprobe von 1200 dieser neu detektierten Varianten wurde mithilfe der Sequenom- Technologie überprüft und mehr als 95 % konnten hierbei verifiziert werden.

Es konnte gezeigt werden, dass die neuen Sequenzierungstechnologien den Zugang auch zu seltenen bzw. weniger häufigen Varianten ermöglichen. Die Produktionsphase In der gegenwärtigen Produktionsphase werden seit Anfang 2009 1200 Individuen mit einer durchschnittlich vierfachen Abdeckung analysiert. Weitere ethnische Gruppen werden nun im Projekt analysiert.

Am MPIMG entschlüsseln wir zum Beispiel die genetischen Informationen von Personen aus den USA mit europäischer, afrikanischer und mexikanischer Herkunft, den Yoruba aus Nigeria, europäischen Subpopulationen aus Großbritannien, Finnland und der Toskana, Japaner, Han Chinesen und Luhya, einer Bevölkerungsgruppe in Ostafrika. Diese Phase soll bis Anfang 2010 abgeschlossen sein. Alle erzeugten Daten sind für die Öffentlichkeit frei zugänglich und werden vierteljährlich in der Datenbank aktualisiert (ftp://ftp.1000genomes.ebi.ac.uk).
Die Auswertung der Daten wird dann aber noch das gesamte Jahr 2010 in Anspruch nehmen. Ausblick Obwohl das 1000-Genome-Projekt noch lange nicht abgeschlossen ist, wird jetzt schon deutlich, dass hier eine universelle Grundlage für alle folgenden krankheitsorientierten Genomprojekte geschaffen wird. Gegenwärtig befinden sich Projekte, die auf der vergleichenden Genomsequenzierung ganzer Patientenkohorten basieren, bereits in der Startphase.
Dies sind zum einen krankheitsorientierte Projekte wie das Internationale Cancer Genome Consortium (ICGC, http://www. icgc.org/) oder auch das Genvadis Projekt (http://www.GENVADIS.eu), zum anderen Ansätze wie das Treat1000-Projekt (http://www.treat1000.org/), das neue Möglichkeiten für eine personalisierte Medizin schaffen soll. Hier werden von einem internationalen Konsortium in den nächsten Jahren die Genome von tausend Tumorpatienten sowie das veränderte Genmaterial ihrer Tumore sequenziert.

An all diesen Großprojekten ist das MPIMG unter Leitung von Hans Lehrach beteiligt. Die rasante technologische Entwicklung ermöglicht bereits jetzt beim 1000-Genome-Projekt ein wesentlich größeres Sequenzierungsvolumen, als ursprünglich geplant und so ist auch die Vorstellung, bald ganze Patientengenome routinemäßig zu sequenzieren, zumindest technisch in greifbare Nähe gerückt.

Stichwörter:
Genom, Genomforschung, Max-Planck-Institut für Molekulare Genetik, Entschlüsselung, genetische Information

L&M 5 / 2009

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 5 / 2009.
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