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Sicherheitslabore im Blick - Interview mit Dr. -Ing. Udo Josef Weber

Hermetisch abgeriegelt

In Deutschland sind aktuell 4 Hochsicherheitslabore der höchsten Schutzstufe 4 in Betrieb. Hier und auch international werden mikrobiologische Labore in vier definierte Schutzstufen eingeteilt – S1 bis S4 bzw. engl. BSL1 bis 4 (Biosafety Level). BSL4-Labore werden dann notwendig, wenn Krankheitsüberträger zunächst gentechnisch manipuliert werden und/oder die Krankheit zu überwiegend tödlichem Ausgang führt. Typisch hierfür sind die Erreger Lassa, Ebola oder auch das Marburg-Virus. Das Forschen an gefährlichen Erregern wird zunehmend intensiviert – aufwändigste Schutzmaßnahmen sind erforderlich, modernste Technologien machen die Arbeiten erst möglich.

labor&more war im Gespräch mit dem renommierten Experten Dr.-Ing. Udo Josef Weber über die Bedeutung und technische Planung von Sicherheitslaboren.

Herr Dr. Weber, worin besteht die besondere Herausforderung bei der Planung von Sicherheitslaboren? Was muss der Planer alles beachten?

In deutschen Sicherheitslaboren wird nahezu an allen möglichen Krankheiten geforscht. Es handelt sich nicht nur um Krankheiten, die in Deutschland ihren Ursprung haben, sondern auch um solche, die infolge der weltweiten Vernetzung zunächst tropischen Ursprungs sind oder auch aus dem asiatischen Raum eingeschleppt werden können. Als typisch dafür ist z.B. SARS genannt. Veterinäre Erreger wie Schweinegrippe sind zunächst einmal für den Menschen weniger gefährlich. Labore werden dahingehend unterschieden, ob es sich um ein Labor für Gentechnik handelt, also mit gentechnisch veränderten Organismen gearbeitet wird – hier gilt die Gentechnik-Sicherheitsverordnung (GenTSV) –, oder ob natürlich vorkommende Erreger erforscht werden, die dann unter die Kategorie „Biostoffverordnung“ fallen. Die baulichen Anforderungen sind ähnlich. Die besondere Herausforderung bei der Planung von Hochsicherheitslaboren liegt in der umfassenden Beurteilung der Sicherheitskette sowie der sicherheitstechnischen Anlagen und Einrichtungen. Der Planer selbst muss vom Prinzip die Gentechnik- und die Biostoffverordnung jeweils mit ihren Anhängen beurteilen können. Er muss die Verfahren für die Genehmigung kennen. Der Planer muss Freude daran haben, neue Wege zu beschreiten und Detaillösungen mit möglichen Herstellern von Geräten und Einrichtungen etc. entwickeln zu wollen, um eine funktionale, wirtschaftlich angepasste Lösung für den jeweiligen Anwendungsfall zu finden. Schubladendenken und/oder standardisiertes Planen scheiden aus. Der Planer muss kreativ und durchsetzungsstark sein sowie eine hohe Beratungsintensität aufweisen können.

Inwieweit bestehen Unterschiede hinsichtlich der Sicherheit des Personals in den jeweiligen Schutzstufen?

Logischerweise wird in den Hochsicherheitslaboren nicht nur der Ausbruch von Krankheitserregern betrachtet, sondern der Sicherheitsgedanke gilt selbstverständlich auch dem Schutz des dort arbeitenden Personals. In den Sicherheitsstufen 1, 2, 3 und 4 kommen als primäres Containment so genannte Sicherheitswerkbänke zum Einsatz, je nach Schutzstufe erhöht sich der Grad der persönlichen Schutzausrüstung.

Welche Geräte haben den größten Stellenwert für das im Labor arbeitende Personal?

Moderne Sicherheitswerkbänke verhindern den Ausbruch von Krankheitserregern, die bei der Handhabung in der Sicherheitswerkbank von Proben zwangsläufig freigesetzt werden. Sie haben somit eine hohe Sicherheitsanforderung zum Schutz des Personals, der Räume und der Umwelt.

Welche Technologien für den Personenschutz sind heutzutage State of the Art?

Personenschutz bedeutet die angepasste Anwendung von Sicherheitswerkbänken und persönlicher Schutzausrüstung, die dem Stand der Technik entsprechen. Hier gibt es qualitative Unterschiede, die durch den Planer unter Einbeziehung etwaiger Benutzungsfehler bewertet werden müssen. Dies geht so weit, dass sowohl die sichere Entsorgung der persönlichen Schutzausrüstung bzw. deren Inaktivierung als auch die mögliche Inspektion solcher Sicherheitswerkbänke notwendig wird. Zum Schutz des Personals im Labor haben wie gesagt die Sicherheitswerkbank und die Digestorien (Abzüge) einen hohen Stellenwert. Die Digestorien sind energetisch kritisch. Im europäischen Raum haben sich für S4-Labore so genannte Anzugslabore durchgesetzt. Man geht jedoch dann davon aus, dass die gefährliche Arbeit nach wie vor in der Sicherheitswerkbank der Klasse 2 durchgeführt wird, um die Wahrscheinlichkeit der Kontamination des Aufenthaltsbereiches trotz Schutzausrüstungen so gering wie möglich zu halten. Dies gilt im übertragenen Sinn auch für S3-Labore. Kommt es zu einer Raumkontamination durch einen möglichen Ausbruch aus der Sicherheitswerkbank, sichert das vorhandene Containment als zweite Barriere eine Verschleppung.

Was hat sich gegenüber früher besonders verändert?

Die größte Änderung ist die, dass mittlerweile ein Containment tatsächlich virendicht hergestellt werden kann, im Gegensatz zu „früheren“ so genannten L4-Laboren. Hier hatte die Sicherheitswerkbank der Klasse 3 (Gloveboxes) einen höheren Stellenwert. Da aber das Werkeln mit kleinen Organismen und kleinem Werkzeug in einer solchen Sicherheitswerkbank doch sehr eingeschränkt ist, geht der Trend eher dahin, die Arbeiten in einer Sicherheitswerkbank der Klasse 2 durchzuführen und die mögliche Verschleppung durch ein funktionierendes Containment abzusichern.

Welche Rolle spielt Energieeffizienz?

Aufgabenstellung ist bei den bisherigen Hochsicherheitslaboren in Deutschland (das gilt auch für Europa und genau genommen weltweit), ein sicheres Containment herzustellen, koste es, was es wolle. Dies bezieht sich auch auf die Energieeffizienz, die natürlich eine große Rolle spielt und an der künftige Labore – wir arbeiten hier an der Weiterentwicklung – mit Sicherheit gemessen werden. Dies bezieht sich nicht nur auf die Gebäudetechnische Anlage, sondern logischerweise auch auf eingesetzte Geräte wie Tiefkühlschränke, Kühlschränke, Sicherheitswerkbänke oder IVC\'s etc. Die genaue Betrachtung der Energieeffizienz ermöglicht dann die Reduzierung des Aufwands in der technischen Gebäudeausrüstung und „last but not least“ auch die Reduzierung der Betriebskosten.

Welche Rolle spielt der Schallpegel (Geräte, Lüftung) im Labor?

Eine lüftungstechnische Anlage lässt sich beliebig leise planen bzw. mit entsprechendem Aufwand auch bauen. Dies isoliert betrachtet nutzt natürlich nichts, wenn dann Geräte eingebracht werden, die einen hohen Schallpegel erzeugen, der für ein konzentriertes Arbeiten unerträglich ist. Infolge dessen wird neben der Energieeffizienz künftig auch der Schallpegel der einzelnen Geräte einen höheren Stellenwert erfahren.

Wie sieht für Sie der optimale Arbeitsplatz in einem Sicherheitslabor aus? Worin liegt der Unterschied zwischen S1-S4? Was würden Sie neben den gesetzlichen Vorgaben in jedem Fall dringend empfehlen?

Ein optimaler Arbeitsplatz in einem Sicherheitslabor staffelt zunächst die Sicherheitsanforderung an die tatsächlichen Erfordernisse. D.h., der jeweilige Schutz sollte mit einer Risikoanalyse und einer Risikoabschätzung bewertet werden. Danach richtet sich dann die Sicherheitsausstattung des Labors. Grundsätzlich gilt, die Arbeiten dort auszuführen, wo sie sinngemäß von der Sicherheitseinstufung (Gefährdungs- und Risikoanalyse) hingehören. Dies bedeutet, dass die Abstimmung mit dem Nutzer zunächst bei der Planung von Laboren eine große Rolle spielt. Die gesetzlichen Vorgaben skizzieren, wenn man die Vorschriften genauer betrachtet, die notwendige Vorgehensweise, Gefährdungsanalyse, Risikoeingrenzung, Festlegung des notwendigen baulichen und anlagentechnischen Aufwandes. An zweiter Stelle kommt erst die persönliche Schutzausrüstung und Organisation. D.h., die sinnvolle Ausstattung eines Labors muss vorhanden sein.

Wie wichtig ist das Thema technische Dienstleistungen (Service, Wartung, Prüfung) bei sicherheitstechnischen Einrichtungen wie etwa RLT-Anlagen oder aber Sicherheitswerkbänken?

Eine technische Planung sollte nicht bei der Übergabe an den Bauherrn enden, sondern die Möglichkeiten für Service, Wartung und Überprüfungen an sicherheitstechnischen Anlagen und auch an sonstigen Anlagen in einem Containment oder einem Sicherheitsbereich müssen bedacht werden. Der Arbeitsschutz fordert heute eindeutig in den Betriebsgenehmigungen entsprechende Arbeitsanweisungen für die Wartung z.B. von raumlufttechnischen Anlagen oder auch von Sicherheitswerkbänken. Begasungsanschlüsse und nach Möglichkeit validierte Deaktivierungsverfahren erleichtern hinterher dem Nutzer die turnusmäßige und notwendige Wartung.

Wie gut ist der Schutz der Bevölkerung vor den gefährlichen Stoffen? Spielt das Thema Terrorismus bei der Planung eine Rolle?

Bei den Schutzstufen 3 und 4 gibt es mehrere Sicherheitsüberlegungen für den Schutz der Bevölkerung. Die unterschiedliche Gefährdung durch entsprechende Erreger muss in einem sog. Schutzkonzept ganzheitlich betrachtet werden. Dabei spielt u.a. das Arbeiten unter einer Sicherheitswerkbank in einem S3-Containment eine wichtige Rolle, das gilt auch für die Druckkaskaden bei der Einschleusung und die wechselseitige Türverriegelung. Natürlich ist in einem S4-Labor ein erhöhter Aufwand zu betreiben. Hier fängt die Bearbeitung ebenfalls in der Sicherheitswerkbank der Klasse 2 an. Es gibt ein Containment nach kanadischen Abnahmemodalitäten mit einer dreistufigen druckgestaffelten Schleuse. Selbstverständlich spielt auch das Thema äußere Gefährdung bei der Planung eine Rolle. Alle bisherigen Labore verfügen über Brandschutzmeldeanlagen, Videoüberwachungsanlagen, biometrisch gesicherte Zutrittskontrollen sowie Überfallmeldeanlagen an den Zugängen der einzelnen Hochsicherheitsbereiche. In jedem Projekt wird der Besucher aufgefordert werden, sich auszuweisen, er wird nur in das Gebäude oder auf das Grundstück gelassen, wenn er dies kann oder durch einen Mitarbeiter abgeholt wird. Der Zutritt zum S3-Labor erfolgt über eine erneute Zutrittskontrolle. Zum Zutritt der S3- sowie S4- Labore kommt erschwerend noch die biometrische Kennung mit entsprechender Überfallmeldung im Gefahrfall hinzu.

Gibt es gravierende Unterschiede zwischen Deutschland, Europa und dem Rest der Welt?

Zunächst einmal hat Deutschland mit seinen Sicherheitsstandards für Europa im S4-Bereich die Messlatte gelegt. Alle europäischen Labore im Schutzbereich 4 werden nach deutschen Qualitätskriterien beurteilt. Es kann sein, dass bei uns die Feuerwehr ein zu hohes Mitspracherecht hat, international werden die Vorgaben der WHO und bestehende nationale Vorschriften beim Bau beachtet. Inwieweit diese in der Dritten Welt umgesetzt werden, ist fraglich und kann von uns nicht beurteilt werden.

Wie wird sich ihres Erachtens der Markt der Sicherheitsbzw.- Hochsicherheitslabore in den nächsten Jahren entwickeln?

Wir können uns zurzeit nicht vorstellen, dass über den ermittelteneuropäischen Bedarf für Sicherheitslabore der Schutzstufe 4 nennenswert viele S4-Labore in Europa hinzukommen. Der Bedarf in unterentwickelten Ländern ist sicherlich gegeben, bedingt durch die Krankheitsquellen. Bei S3-Laboren gibt es eine andere Einschätzung. Universitäten, Lehranstalten, Pharmahersteller und Forschungsinstitute haben Bedarf und werden diesen auch realisieren und umsetzen (schätzungsweise 80 St.) Auch bei S2-Laboren sehen wir einen wachsenden Bedarf.

Herr Dr. Weber, wir bedanken uns herzlich für das Gespräch.

L&M 4 / 2011

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 4 / 2011.
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