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Ausbildung: Interview mit Prof. Dr. Jörg Mey

Neuer Studiengang: European Master in Neuroscience

Derzeit befindet sich ein neuer Studiengang, der European Master in Neuroscience (EMN), im Aufbau, der gemeinsam von Hochschulen in Maastricht (Niederlande), Köln, Aachen und Homburg (Deutschland) sowie in Hasselt, Louvain und Liège (Belgien) eingerichtet wird. Er wird von der EURON Graduate School of Neuroscience organisiert, einem Konsortium aus acht Universitäten in Belgien, Deutschland und den Niederlanden mit Zentrum in Maastricht. Prof. Dr. Jürgen Brickmann und Prof. Dr. Paul Layer sprachen für labor&more mit Prof. Dr. Jörg Mey, Koordinator Koordinator der Initiative, über das Konzept und die Umsetzung dieses innovativen, international ausgerichteten Studienprogramms.

labor&more: Was unterscheidet die EMN-Ausbildung von einem sonst üblichen Studiengang der Neurowissenschaften im Rahmen eines Lifescience-Studiums?

Prof. Dr. Jörg Mey: Der Studiengang ist vor allem international organisiert. Das Curriculum wird von den sieben Universitäten gemeinsam getragen. Im ersten Jahr werden die meisten Lehrveranstaltungen in Maastricht angeboten, wobei die Dozenten von den verschiedenen Partneruniversitäten anreisen. Aber bereits im ersten Studienjahr wählt jeder Teilnehmer ein sechswöchiges Laborpraktikum an einer anderen Universität aus. Die experimentelle Arbeit für die MSc Thesis im zweiten Jahr soll dann an einem anderen Partnerinstitut durchgeführt werden als an dem, wo das Laborpraktikum absolviert wurde. Alle Lehrveranstaltungen werden auf Englisch gehalten. Ein nicht zu unterschätzender Aspekt ist die zu erwartende nationale Vielfalt der Studierenden. Wir glauben, dass die Qualität dieses Studiengangs besser ist als die bestehender MSc-Programme, weil die beteiligten Institute aus so vielen Universitäten ihre unterschiedlichen Spezialisierungen aus der Neurobiologie einbringen.

Welche fachlichen Voraussetzungen müssen Bewerber erfüllen, um in das Programm aufgenommen zu werden?

Man sollte einen BSc in einer Natur- oder Lebenswissenschaft haben.

Welche anderen als fachliche Kriterien sind bei der Auswahl mitentscheidend (z.B. Gleichgewichtung von Nationalitäten, Gender, soziale Herkunft)?

Diese Dinge sollen keine Rolle spielen. Da der Studiengang mit europäischen Steuergeldern finanziert wird, wendet sich das Programm allerdings in erster Linie an Studierende aus der EU.

Können auch Studierende aus außereuropäischen Ländern teilnehmen?

Das ist noch nicht wirklich entschieden. Wahrscheinlich können sich Studierende aus dem nichteuropäischen Ausland zu erhöhten Gebühren einschreiben.

Was kostet das Studium?

So viel wie die normalen Studiengebühren, die in den Niederlanden bezahlt werden. Zurzeit sind das etwa 1700 € im Jahr.

Sind Stipendien geplant?

Ja, wir möchten Stipendien einwerben, damit so wenig wie möglich Studiengebühren anfallen.

Gibt es Vorbilder für das EMN-Programm (etwa in den USA)?

Es gibt jetzt schon eine „transnationale Universität“ der Hochschulen Maastricht (NL) und Hasselt (B). Diese beiden Universitäten bilden zusammen mit Köln (D) auch den Kern des European Master of Neuroscience, der in Deutschland, den Niederlanden und Flandern akkreditiert und im französischsprachigen Teil Belgiens staatlich anerkannt werden soll. Es existieren auch Kooperationen und Austauschprogramme zwischen mehreren deutschen und ausländischen Hochschulen. Neu am EMN ist, dass ein ganzes Curriculum gemeinsam organisiert und auch eine gemeinsame Abschlussurkunde ausgestellt wird, die in den drei Staaten anerkannt ist. Das ist nicht wenig: Es hat z.B. zehn Monate gedauert und einiges gekostet, bis mein deutsches Staatsexamen in Spanien anerkannt wurde, trotz Dr. rer. nat. und Habilitation!

Welche Erfahrungen bringen die beteiligten Institutionen etwa aus dem bestehenden Graduate School Programm oder aus einem BS-Programm ein?

An allen Partneruniversitäten gibt es BSc- und MSc-Programme in den Lebenswissenschaften und sehr gute neurowissenschaftlich orientierte Institute, die in Forschung und Lehre aktiv sind. Diese Institute tragen den EMN.

Wie wird die Unterbringung der Studierenden an den unterschiedlichen Orten geregelt? (besonders bei gegenseitigen kürzeren Praktikumsaufenthalten)?

Es wurde diskutiert, für Studierende, die während des Forschungspraktikums weiter als 30 km von Maastricht pendeln müssen, Zimmer in Studentenwohnheimen zu bezahlen. Die Finanzierung dafür ist aber noch ungeklärt.

Führt nicht die inhaltliche Verbreiterung des Ausbildungsspektrums automatisch zu einer Verringerung der Ausbildungstiefe?

Nein, im Gegenteil. Dieser Master ist stärker spezialisiert als die meisten MSc Programme (in Aachen z.B. „Biologie“, an der Transnationalen Universität Maastricht/Hasselt „Biomedical Sciences“). Andererseits wollen wir keine Fachidioten heranziehen. So glauben wir, ein ideales Programm für Studierende anzubieten, die nach dem BSc wissen, dass sie sich in den Neurowissenschaften spezialisieren wollen. Die beteiligten Universitäten haben bereits seit über zehn Jahren eine ebenfalls international organisierte Graduiertenschule für neurowissenschaftliche Doktoranden (EURON School of Neuroscience), die sehr erfolgreich ist. Eine Motivation für den EMN bestand darin, hervorragenden MSc- Absolventen auszubilden, die als EURONDoktoranden in den beteiligten Instituten aufgenommen werden können.

Welches Berufsfeld erwartet erfolgreiche EMN-Absolventen, die nicht in ein PhD-Programm überwechseln?

Viele der Absolventen von EURON haben sich für Karrieren in der Industrie entschieden, nicht nur in der Forschung, sondern auch im Management und bei Verlagen. Wahrscheinlich wird es auch in Zukunft ein Vorteil sein, sich mit einem Doktortitel zu bewerben. Im EMN/EURON Konsortium wird andererseits großer Wert auf gute Industriekontakte gelegt, z.B. sind an allen Doktorandenprojekten privatwirtschaftliche Partner beteiligt. Diese Verbindungen sollen auch den Berufsmöglichkeiten der EMN-Absolventen zugutekommen.

Welche Rolle spielt der „translational aspect“ bei der Planung des Ausbildungsprogramms?

Mit „translational“ bezeichnet man die Übertragung von Ergebnissen der Grundlagenforschung auf klinische Studien. Diese medizinische Anwendungsbezogenheit ist im EMN, an dem ja mehrere Universitätskliniken beteiligt sind, sehr stark. Im ersten Jahr besteht das Curriculum aus sechs aufeinander folgenden Modulen, die für alle Studierende gleich sind. Eines dieser Module bezieht sich ausschließlich auf Erkrankungen des Gehirns und ihre Therapien.

Herzlichen Dank für das Gespräch und viel Erfolg für den Start des EMN.

Jörg Mey studierte Geschichte, Philosophie und Biologie in Freiburg und Tübingen. Er promovierte 1994 über die Degeneration retinaler Ganglienzellen nach Sehnervenverletzung an der Universitäts-Augenklinik Tübingen. Nach einem Postdoc-Aufenthalt (1994-96) am Shriver Center/Harvard Medical School, Boston war er zunächst Assistent, dann außerplanmäßiger Professor am Institut für Zoologie/Tierphysiologie der RWTH Aachen. Seit 2011 ist er Arbeitsgruppenleiter am Hospital Nacional de Parapléjicos, Toledo (Spanien) und an der Universität Maastricht (NL).

Foto: © Jörg Mey

L&M 4 / 2012

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 4 / 2012.
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