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Alzheimer Diagnose
Alzheimer DiagnoseDiagnose von Alzheimer-Demenz als Schlüsselschritt zur Bekämpfung der Krankheit
Daniel Kieser, Prof. Dr. Boris Schmidt und Dr. Roland Heyny-von Haussen Bild: © ktsdesign - Fotolia.com Der Arbeitskreis von Prof. Schmidt ist so genannten Imaging-Farbstoffen auf der Spur, die es ermöglichen, die für die Erkrankung charakteristischen krankhaften Ablagerungen der Eiweiße Amyloid-β (Ab) und Tau im Gehirn zu markieren und zu detektieren. Im Jahr 1906 untersuchte der Psychiater Alois Alzheimer das Gehirn seiner Patientin Auguste Deter, die im Alter von 56 Jahren verstarb. Alzheimer selbst beschrieb zu Lebzeiten die Patientin und deren Krankheitsbild mit einem Zustand völliger Ratlosigkeit. Sie sei äußerlich deutlich vorgealtert, zeitlich und örtlich gänzlich desorientiert, von ängstlicher Unruhe gepackt, aggressiv und enthemmt oder zeitweilig völlig delirant gewesen. Die Sektion hatte ergeben, dass große Teile der Hirnrinde zurückgebildet waren. In den feingeweblichen mikroskopischen Untersuchungen des Gehirngewebes von Auguste Deter fand er charakteristische Abweichungen in der normalen Struktur des Nervengewebes bestimmter Hirnareale, die er als knäuelartige Schlingen (Neurofibrillen) in Nervenzellen und extrazelluläre Eiweißablagerungen (plaqueartige Amyloidablagerungen) beschrieb. Auch mehr als 100 Jahre später sind Neurofibrillen und Amyloidablagerungen noch immer die Kennzeichen der Krankheit. Die intrazellulären neurofibrillären Bündel bestehen aus paarigen helikalen Filamenten eines abnorm phosphorylierten und gefalteten Proteins namens Tau. Die extrazellulären Plaques bestehen überwiegend aus Ab-Peptidfragmenten. Die intrazytoplasmatischen Tau-Ablagerungen beeinträchtigen die Funktion der betroffenen Nervenzellen und führen zwangsläufig zu deren vorzeitigem Absterben. Den extrazellulären Aâ-Ablagerungen geht eine intraneuronale Akkumulation von Aâ voraus. Zum Zeitpunkt der ersten klinischen Symptome sind jedoch bereits ausgedehnte extrazelluläre Aâ-Ablagerungen nachweisbar. Man klassifiziert die Patienten in zwei Gruppen: Patienten mit frühem (early onset AD: EOAD) und spätem (late onset AD: LOAD) Krankheitsausbruch. Die EOAD ist eine seltene, genetisch bedingte Form der Alzheimererkrankung, hat aber viel zur Erforschung der krankheitsauslösenden Ursachen beigetragen. EOAD ist durch Mutationen in den Amyloid- Vorläuferprotein-Genen bzw. Presenilin- 1- und -2-Genen begründet und tritt meist vor dem 65. Lebensjahr auf. [1] Möglichkeiten der Diagnose Die sichere Diagnose des Morbus Alzheimer, insbesondere die der frühen Krankheitsstadien, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt nur durch die postmortale mikroskopische Untersuchung sicher möglich. Die Diagnose am lebenden Patienten, vor allem im frühen Stadium der Erkrankung (mild cognitive impairment: MCI), ist oft nicht klar von anderen Demenzen abzugrenzen. Wenn erste Symptome im Kurzzeitgedächtnis auftreten, sind bereits erhebliche pathologische Veränderungen im Gehirn erfolgt. Zum Teil können diese Veränderungen mit so genannten nicht invasiven Untersuchungsmethoden – Computertomografie (CT), Magnetresonanztomografie (MRT), Positronenemissionstomografie (PET) – erkannt werden. Die CT ist in der Lage, verschiedene Krankheitsstadien durch eine deutliche Volumenabnahme des Gehirns im Vergleich zum normalen Alterungsprozess nachzuweisen. Mit der MRT kann die Volumenabnahme der grauen Substanz noch genauer quantifiziert und mit dem Verlust kognitiver Fähigkeiten korreliert werden. Die Diagnose von frühen Stadien der Krankheit ist allerdings mit diesen Methoden noch nicht möglich. Ein Verfahren, dem man das höchste Potenzial der Frühdiagnose und auch zur Überwachung eines eventuellen Heilungsverlaufs zuspricht, ist die PET, die gezielt Aâ-Ablagerungen mithilfe radioaktiv markierter Ligandenmoleküle detektiert.[2] Als invasive Untersuchungsmethode ist die Entnahme von Rückenmarksflüssigkeit (Liquor cerebrospinalis) zu nennen, um erhöhte Ab-Levels nachzuweisen. Zur Liquoruntersuchung ist jedoch eine Rückenmarkspunktion notwendig, die mit einer nicht zu vernachlässigenden Komplikationsrate verbunden ist und somit als Vorsorgeuntersuchung nicht geeignet scheint. Ein neuer Farbstoff Die Synthese und Entwicklung von Ab- und Tau-affinen Imaging-Substanzen betreibt die Arbeitsgruppe von Prof. Schmidt seit 2005. Doch mit der pathologischen Abteilung des Klinikums Darmstadt erschloss sich die Möglichkeit, die Affinitäten und Selektivitäten der jeweiligen Substanzen direkt auf Präparaten paraffineingebetteter menschlicher Gewebeproben von Patienten mit Morbus Alzheimer zu testen. Die gängige Testung in Zellassays oder an Mäusen mit genetisch erzeugten Pathologien ist in der pharmazeutischen Forschung zwar ein unerlässliches Werkzeug geworden, aber das System Mensch ist meist doch komplexer. Die Optimierung von oben bereits erwähnten PET-Liganden sowie das Finden neuer Leitstrukturen standen hier von Anfang an im Vordergrund. Eine klassische histologische Gewebeuntersuchung wird meist wie folgt durchgeführt: Nach Entnahme des Gewebes am verstorbenen Patienten wird die Probe entwässert, in Paraffin eingeschlossen und dann in 10 µm dünne Scheiben geschnitten. Diese hauchdünnen Gewebestücke werden auf einen Objektträger aufgebracht und in mehreren Schritten entparaffiniert, mit Färberreagenzien behandelt und fixiert. Die Dichte der Fibrillen und Plaques wird anhand eines alterskorrelierten semiquantitativen Dichteschlüssels an immunhistologisch gefärbten oder durch moderne Silberimprägnierungsverfahren gefärbten Schnitten bestimmt. Die klassische Färbemethode bedient sich des Thioflavins, ein pflanzlicher Fluoreszenzfarbstoff, der neben Ab-Amyloid auch Tau anfärbt. Die Entwicklung unserer Farbstoffe erlebte durch dieses Assayverfahren eine neue Qualität. Wir konnten neben der nötigen Selektivität und Affinität in einem nächsten Schritt die Intensität der Fluoreszenz modulieren. Damit kommen wir zurück zum Einsatz in der Diagnostik. Es gibt bereits Versuche mit gefensterten Mäusen (ein Teil der Schädeldecke wird durch eine lichtdurchlässige Scheibe ersetzt), die Ablagerungen in ihrer Entstehung zu beobachten. Diese Methode ist für eine mögliche Diagnose am Menschen natürlich nicht empfehlenswert. Wer möchte sich schon ein Loch in den Kopf bohren lassen. Aber denkbar wäre es, nach Verabreichung einer kleinen Menge Farbstoff, der entsprechende Pathologien anfärbt, mit nicht invasiven Methoden aus der spektroskopischen Antwort eine Diagnose abzuleiten. Erste Versuche an entsprechenden Gewebeproben haben sich als viel versprechend herausgestellt, aus patentrechtlichen Gründen kann an dieser Stelle nicht näher darauf eingegangen werden. Es hat damit der Wettbewerb mit dem Projekttitel Germanys Next Top Dye (GNTD) begonnen. Der derzeitige Topfavorit GNTD 4090 zeigt bereits in vielen Parametern die benötigten Eigenschaften. Neben einer ausreichenden Fluoreszenz, Affinität und Selektivität auf dem Target muss die Substanz außerdem über einen ausreichenden Stokes-Shift verfügen, um nicht mit der Eigenfluoreszenz bestimmter körpereigener Fluorophore zu überlagern. Damit wäre ein Farbstoff gefunden, der zu einem nicht invasiven Diagnoseverfahren entwickelt werden könnte. Diese Methode hat im Vergleich zu den oben erwähnten Verfahren den Vorteil, dass der apparative Aufwand und damit auch die Kosten erheblich gesenkt werden könnten. Für die Synthese der Liganden wäre kein Synchrotron, der bei PET-Proben zur Isotopengewinnung eingesetzt wird, nötig. Damit wird auch das Problem der Messzeit, die in Abhängigkeit von der Halbwertszeit enge Grenzen setzt, umgangen. Fazit Mit neuen Fluoreszenzfarbstoffen und deren Einsatz in der In-vitro- und In-vivo-Diagnose von AD stehen neue Wege zur Erforschung und Bekämpfung dieser Krankheit offen. Neben der soliden Evaluation von Entwicklungskandidaten kann über eine breit angelegte preiswerte Vorsorgeuntersuchung nachgedacht werden. Denn eines sollte uns allen klar sein: Wenn wir in den nächsten Jahren keine Lösung für das epidemische Problem Alzheimer- Demenz finden, sind die sozioökonomischen Folgen für kommende Generationen nicht mehr bezifferbar.
Literatur Wir danken an dieser Stelle Frau Prof. B. Albert (Dekanin, FB Chemie TU Darmstadt) für die Gesprächsrunde am Fachbereich. Ohne jenes Kaffeekränzchen wäre eine Forschungszusammenarbeit zwischen Prof. B. Schmidt (Chemiker), Dr. R. Heyny von Haussen (Pathologe) und Prof. G. Mall (Leiter der Pathologie am Klinikum Darmstadt) nicht in so kurzer Zeit entstanden. |
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