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Kohlenstoff in 1-D, 2-D und 3-D

Mit Materialchemie zu kohlenstoffbasierten Katalysatoren und Sensoren

Das Element Kohlenstoff sorgt wie kein anderes ­Element des Periodensystems der Elemente seit­ ­nunmehr als 25 Jahren in regelmäßigen Abständen weltweit für intensive Forschungsaktivitäten über ­alle Wissenschaftsdisziplinen hinweg. War es Mitte der 80er-Jahre die Entdeckung der gezielten Synthese der sphärischen Allotrope des Kohlenstoffs, allen ­voran des C60, gefolgt von seinen größeren und ­kleineren Geschwistern wie etwa des C76, C80, C82 oder des C20 Gerüsts, so kamen Anfang der 90er-­Jahre mit den Kohlenstoffnanoröhren (CNT) die ­eindimensionalen Strukturvarianten des Kohlen-stoffs hinzu.

So wie schon in der Familie der Fullerene, in denen die Vielfalt geschlossener, aber auch offener sphärischer Strukturen rasch zunahm und mittlerweile zahlreich ist, exis­tiert für CNT ebenfalls eine Vielzahl unterschiedlicher Strukturvarianten. Ihre Palette schließt die der offenen, geschlossenen, der endohedral gefüllten sowie der ein- und mehrlagigen Röhrenstrukturen ein.

Interdisziplinäre ­Forschungsaktivitäten weltweit

Betrachtet man den zu Anfang der 2000er-Jahre bereits existierenden Kenntnisstand auf dem Gebiet zweidimensionaler Kohlen­stoffstrukturen, dann war ein weiterer Höhe­punkt in der Elementchemie des Kohlenstoffs, der in der gezielten Erzeugung, Cha­rakterisierung und Bestimmung der Funk­tionseigenschaften einlagiger Graphenschichten durch A. Geim und K. Novoselov kulminierte, nicht gänzlich unerwartet. Erstmals wurde gezeigt, grundlegend neuartige physikalische Eigenschaften solch ideal aufgebauter 2-D-Kohlenstoffstrukturen auch experimentell zu studieren. Nicht unerwähnt bleiben soll, dass gezielte Untersuchungen zur Graphensynthese von einem Pionier der Graphenchemie, H. P. Boehm, bereits erfolgreich in den frühen 60er-Jahren des vorigen Jahrhunderts, beginnend am Eduard-Zintl-Institut in Darmstadt und dann am Anorganisch-chemischen Institut der Universität ­Heidelberg, durchgeführt und pub­liziert wurden. In der Folge sind mit den o. g. Entdeckungen der gezielten Herstellung solcher unterschiedlicher Kohlenstoffvarianten kontinuierliche und langfristige intensive Forschungsaktivitäten weltweit sowohl in Chemie, Physik bis hin zur Biologie als auch in den angrenzenden Ingenieurwissenschaften verbunden. Neben dem prinzipiellen Verständnis von Struktur-Wirkungsbeziehungen in diesen Materialien ist letztlich auch das hohe Anwendungspotenzial eine wichtige Antriebsfeder und sichtbares Zeichen dieser weltweiten Forschungsbemühungen.

Funktionseigenschaften im Fokus

In Darmstadt beschäftigt sich unsere Arbeitsgruppe in der anorganischen Chemie seit zehn Jahren intensiv mit der Chemie und dem Anwendungspotenzial insbesondere von Kohlenstoffnanoröhren (CNT). In den vergangenen beiden Jahren ist zu­sätzlich das Forschungsgebiet Graphen hinzugekommen. Neben der Synthese und Charakterisierung dieser Nanomaterialien stehen insbesondere die Funktionseigenschaften dieser nanostrukturierten Materialien im Fokus. Im Bereich der CNT sind dies ihre katalytischen, sensorischen und elektronischen Eigenschaften. Im Bereich der ­Katalyse nutzen wir die besonderen Eigenschaften von mechanisch stabilen, mehrwandigen CNT, um darauf nanoskalige Metalle, aber auch Metalloxide abzuscheiden. Solche Hybridmaterialien eignen sich dann als ­heterogene Katalysatoren z. B. für Selektivoxidationen oder auch C-C-­Verknüpfungen [1]. Vorteilhaft ist hierbei zum einen die gezielt einstellbare chemische Funktionalität an der Oberfläche der Röhren, wie sie z. B. durch Anbringen von Carboxyl-, Keto- oder Aminostrukturen erreicht werden kann. Zum anderen ist aber auch eine – durch Defektstrukturen (z. B. sog. 5, 7 Ringdefekte) gestörte – strukturelle Ordnung der CNT für deren Eignung in der heterogenen Katalyse vorteilhaft. Solche Defektstrukturen entstehen häufig bereits im Herstellungsprozess.

Gesteuertes Wachstum von CNT

Eine besondere Herausforderung stellt die Nutzung von CNT-Strukturen in mikro-strukturierten Einheiten dar. Zu lösende Fragestellungen betreffen hierbei insbe-sondere auch die Kontaktierung und damit die Ankopplung solcher Nanostrukturen an mikro- und makroskopische Einheiten. Sie bilden damit die Brücke unserer Forschungsaktivitäten zu aktuellen Fragestellungen ingenieurwissenschaftlicher Forschung. Wichtiges Ziel unserer Arbeiten ist es, das große Aspektverhältnis der CNTs möglichst weitestgehend und gezielt zu nutzen, um sowohl auf der inneren als auch auf der äußeren Oberfläche dieser Nanostrukturen physikalische und chemische Prozesse zu initiieren. Dies kann realisiert werden, wenn es gelingt, ein gerichtetes Wachstum solcher CNT-Strukturen in mikro- und auch makroskopischen Bereichen zu ermöglichen. Dies erreichen wir zum einen über eine durch nano-poröse Template gesteuerte Synthese, zum anderen über ein substratbasiertes und durch Kataly­satoren gesteuertes Wachstum von CNT. Hierbei wachsen CNT auf einem mit Katalysatorpartikeln vorstrukturierten Substrat in dichten Strukturen mit wenigen Nanometern Abstand über größere Bereiche von einigen mm2 bis zu mehreren Quadratzenti­metern. In dem durch Templates gesteuerten Verfahren ist es möglich, auch vollständig katalysatorfrei zu arbeiten (Abb. 1). Der CNT-Röhrendurchmesser wird dann durch den Innendurchmesser des Templates festgelegt, wohingegen die Größe des Katalysators im substratbasierten Verfahren die Anzahl der einzelnen Graphenlagen und den CNT-Durchmesser festlegt. In beiden Verfahren lassen sich routinemäßig CNT-Dichten von einigen 106 CNTs pro Quadratmillimeter mit Aspektverhältnissen von über 50.000 erzeugen. Typische aktive Oberflächen dieser Materialien liegen im Bereich von 600 m2/g.



Abb. 1 Schematische Darstellung der zentralen Schritte des templat­gestützten Syntheseprozesses für CNT.
Von rechts nach links gezeigt: In einem geeigneten temperaturstabilen Substrat (z. B. poröses Al2O3) ­werden über einen Gasphasenabscheidungsprozess Kohlenstoffnanoröhren erzeugt. Nach Entfernen des Templates werden angeordnete, vertikal ausgerichtete CNT-Strukturen erhalten. Das Hintergrundbild zeigt eine rasterelektronenmikroskopische Aufnahme der Al2O3 /CNT-Kompositstruktur vor dem Entfernen des strukturgebenden Templates.
Grafik J. Engstler, TU Darmstadt

Einsatz in taktilen mechanischen Sensoren

Strukturen, wie sie exemplarisch in Abbildung 2 dargestellt sind, haben wir z. B. in Hinblick auf ihre Eigenschaften als mikrostrukturierte Bauteile in taktilen mechanischen Sensoren als auch Gassensoren z. B. für die Detektion von H2 und CO aktuell untersucht [2]. Bereits bei Druckänderungen auf die 3-D-CNT-Struktur im Bereich von einigen mN lassen sich signifikante Änderungen des elektrischen Widerstandes messen. Die messbaren Druckänderungen liegen dabei im Bereich der Druckempfindlichkeit menschlicher Haut (z. B. der eines Fingers, Abb. 3). Auf mikroskopischer Ebene entscheidend dafür ist einerseits die hohe Flexi­bilität der einzelnen CNT, die auch für die hohe Reversibilität der Struktur bei Druckbelastung verantwortlich ist, zum anderen die Änderung der elektrischen Leitfähigkeit individueller CNTs durch die Deformation wie auch deren elektrischer Kontaktschluss in der Blockstruktur während der inkrementellen äußeren Druckbelastung.



Abb. 2 Freitragende 3-D-CNT-Struktur, erhalten nach dem Templat­verfahren, b) wie a), c) rasterelektronenmikroskopische Aufnahme von a),
d) Vergrößerung von c), die hohe parallele Ausrichtung der Röhren ist gut zu erkennen.



Abb. 3 Oben: 12 Anordnungen von je 4 x 4 elektrischen Kontaktflächen auf einem 3-D-CNT-­Array. Von oben rechts kommend wird über ein Frey-Haar-Filament ein definierter Druck von 30 nN aufgebracht. Unten: Änderung des elek­trischen Widerstandes in Abhängigkeit von der Kontaktentfernung des Frey-Filaments.

Potenzial für Energieforschung und Biokompatibilität

Im Bereich der Energieforschung erlauben CNT-Strukturen, wie sie in Abbildung 2 gezeigt sind, durch die mögliche Abscheidung von elektroaktiven nanostrukturierten Olevinpartikeln mit Kanalstruktur wie z. B. ­LiMPO4 (M = Fe, Co, Ni) auf der äußeren CNT-Röhrenoberfläche die Herstellung neu­artiger mikrostrukturierter Kompositelektroden für Li-Ionenbatterien. Diese ermög­lichen bei einer geringen äußeren Elek­trodenfläche eine hohe Belegung der leitfähigen CNT-Trägerstruktur mit diesen elektroaktiven Materialien. Elektrodenstrukturen dieser Art verfügen z. B. über ein ­hohes Potenzial als Baueinheiten in mikrostrukturierten Batterieelementen. In jüngster Zeit rückt auch die Verbindung von materialchemischen Eigenschaften und Biokompatibilität von CNTs in den ­Fokus unserer Arbeiten. Erste Ergebnisse zeigen, dass sich auf Basis von 3-D-CNT-Strukturen Mikroelektroden erzeugen lassen, auf denen sich das Zellwachstum und die elektrische Aktivität von unterschiedlichen Zelltypen untersuchen lässt [3].

Wege zu ­Graphen-Hybridmaterialien

Transparentes Graphen lässt sich über eine Gasphasensynthese, ausgehend z. B. von Methan, erzeugen. Insbesondere bei Gra­phen­­schichten, die aus nur wenigen Atomlagen bestehen, stellt die Ablösung und Übertragung auf andere Oberflächen bzw. Substrate aber eine Herausforderung dar (Abb. 4).



Abb. 4 a) Über einen CVD-Prozess erzeugte Graphenschicht auf einem Nickelsubstrat in einer wässrigen HCl-Lösung kurz nach dem Ablösungsbeginn vom Substrat, b) die Graphenschicht hat sich mit der Katalysatorschicht bereits vom Substrat gelöst, c) der Katalysator ist nun bereits weitest­gehend vom Graphen abgelöst.

Gelingt dies, lassen sich z. B. die sensorischen oder auch katalytischen Eigen­schaften solcher Graphenschichten studieren [1]. Über chemische Routen in kondensierter Phase lassen sich mehrlagige Graphene durch eine Oxydations-/Reduktionsroute, ausgehend von Graphit zum Graphenoxid und anschließend zum Graphen, synthe­tisieren (Abb. 5). Die so erzeugten Graphen­oberflächen erlauben z. B. die Anbindung von Palladiumnanopartikeln. Solche Graphen-Hybridmaterialien konnten wir u. a. für die effiziente katalytische Wasserstoff­erzeugung aus Aminoboranen nutzen [1].



Abb.5 a) Transmissionselektronenmikroskopische Aufnahme von Graphenschichten, die über einen chemischen Oxidations-/Reduktionsprozess ausgehend von Graphit erhalten wurden, b) wie a) jedoch hoch aufgelöst, die mehrlagige Struktur (ca. 6–8 Graphenlagen) des Graphens ergibt Schichtabstände von ca. 0,38 nm (im Vergleich: Graphit 0,34 nm).

Literatur
[1] Heterogene Katalyse mit CNT und Graphen: Chem. Eur. J. (2010), 16, 2011; Nanoscale (2011), 3, 1102; Int. J. Hydrogen Energy, (2012), 37, 8161
[2] 3D-CNT-Strukturen als mechanische Sensoren und Gassensoren: Nanotechnology (2012), 23, 085501; Chem. Soc. Rev. (2012), 41 (15), 5285
[3] CNT als Mikroelektrodenarrays:Int. J. Surface Science and Engineering, (2012), 6, 246; Biointerphases (2012), 7, 58

Foto: © panthermedia.net | Dmitry Koksharov

L&M 5 / 2013

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 5 / 2013.
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