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Bacteriographie in Darmstadt

Sichtbares und ­ Unsichtbares – Erich Schopf Veterinärmedizinische Universität Wien

„Wer eine Reise tut, so kann er (hoffentlich!) was erzählen.“
Wir alle kennen – die von mir etwas abgewandelten – Worte von Matthias Claudius. Die Welt ­müssen wir aber gar nicht umrunden, viel Schönes und Interessantes ist näher als wir glauben. ­Jeder Eindruck einer Reise ist ein Mosaiksteinchen, das Mosaikbild daraus ist der Reisebericht.

Einem schönen Anlass folgend, verließ ich für kurze Zeit die Donaumetropole Wien, um einen Tag in Darmstadt zu verbringen. Die Wissenschaftsstadt hat den Ruf als Zentrum des Jugendstils. Er geht auf die von Groß­herzog Ernst Ludwig eingerichtete Künstlerkolonie auf der Mathildenhöhe ­zurück. Wo vereinen sich Wissenschaft und Kunst so harmonisch wie hier? Sichtbar wie unsicht­bar. Das Kongresszentrum der Wissenschaft, Darmstadtium genannt, ist nicht zu über­sehen. Wer aber kennt das unsichtbare Darmstadtium, nach dem der Riese benannt wurde? Es ist nicht nur so klein wie ein Atom, es ist auch ein Atom. Das chemische Element mit der Ordnungszahl 110 wurde erstmals 1994 bei der Gesellschaft für Schwerionenforschung (GSI) in Darmstadt dargestellt. 2003 wurde das bis dahin genannte Ununnilium offiziell auf Darmstadtium getauft. Darmstadt ist die einzige ­deutsche Stadt, nach der ein chemisches Element benannt wurde. Ich genoss eine Einzelführung auf der Mathildenhöhe. Mit Joseph Maria Olbrich fühlte ich mich gleich wieder in meine ­Heimatstadt Wien versetzt. Ich sah die ­Wiener Sezession und die Ornamente der heutigen ­U-Bahn-Station Karlsplatz vor mir. Für die einzigartige Führung durch das kunst­historisch bedeutendste Jugendstilensemble in Deutschland möchte ich mich an dieser Stelle nochmals bedanken.

Moleküle des Jugendstils

All das ist sichtbar, klar, sonst könnten wir es nicht wahrnehmen und genießen. Wie offenbart sich nun das Unsichtbare auf der Mathildenhöhe? Woher wissen wir, dass da noch etwas ist? Selbst der Chemiker kann nicht erahnen, dass er laufend dem Indolfarbstoff Violacein und vielen weiteren bunten Molekülen begegnet. Das Unsichtbare verkörpern die Bakterien, die durch Bildung von Kolonien auf Nährböden sichtbar werden. Viele von ihnen bilden Farbstoffe aus, sie stehen im Mittelpunkt meines bacteriographischen Inte­resses. Dabei dienten Luft und Wasser als Fundquellen. Ein besonderer Fund gelang mir im ­historischen Wasserspeicher, der sich unter den Ausstellungshallen befindet und zur Führung dazugehörte. Das Wachstum des dort an den Ziegelwänden gefundenen Bakteriums ist so einzigartig, dass die Kolonie als „Kunstwerk aus dem Wasser­werk“ angesehen werden kann (Abb. 1).



Abb. 1 Koloniebildung des Künstlers aus dem Wasserwerk. Die gewachsene Kultur ist eine ­Woche alt. Dunkelfeldaufnahme, 5-fach vergrößert.

Ein einziger Tag in Darmstadt reichte aus, um ein neunköpfiges „Darmstädter Ensemble“ ins Leben rufen zu können. Gefunden mitten im Jugend­stilensemble von Darmstadt. Acht Vertreter dieses Bakterien­ensembles hielten Einzug in die bacteriographische Kunst, jener aus dem Wasserwerkist selbst ein Künstler. Die Originalfarbkärtchen des „Darmstädter Ensembles“ (Abb. 2) sind im Besitz der succidia AG.



Abb. 2 Farbkarten des „Darmstädter Ensembles“. Die Darsteller wurden auf der Mathildenhöhe in Darmstadt gefunden.

Foto historische Wasserreservoir| © Rühl & Bormann/Mathildenhöhe Darmstadt, 2006

L&M 5 / 2013

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 5 / 2013.
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