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Der molekulare Doppelgänger

labor&more im Gespräch mit Prof. Dr Cristian Huber, Professor für Chemie und Bioanalytik im ­Fachbereich Molekulare Biologie an der Universität Salzburg und Leiter des Christian-Doppler-Labors für ­Biosimilar-Charakterisierung in ­Salzburg, Österreich

lab&more behandelt regelmäßig Themen der pharmazeutischen und analytischen Branche. Das Christian-Doppler-Labor arbeitet eng mit Partnern aus der Industrie zusammen. In Ihrem Labor charakterisieren und analysieren Sie „Bio­similars“ auf Proteinbasis. Was sind Biosimilars?

Prof. Dr Cristian Huber: Biopharmazeutika oder Biologika sind Medikamente, die von lebenden Organismen in biotechnischen Verfahren erzeugt werden, beispielsweise Impfstoffe, Blut oder Blutbestandteile, therapeutische Proteine oder lebende Zellen für die Zelltheraphie. Sie bilden bereits ein Drittel der neuen Medikamente, die momentan in Entwicklung sind. Biosimilars sind neue Versionen von bestehenden Biopharmazeutika (Originalwirkstoffe) nach Ablauf des Patentschutzes. Sandoz, das größte pharmazeutische Unternehmen in Österreich und einer der Industriepartner des Christian-Doppler-­Labors erzeugt seit Jahrzehnten weltweit Biologika und entwickelt seit 1996 Biosimilars.

Welche Vorteile (und Nachteile) hat die Entwicklung von Biosimilars statt generischer oder neuartiger Medikamente und welche Möglichkeiten bieten diese Medikamente für die pharma­zeutische Industrie?

Biosimilars bieten den Vorteil, dass die Sicherheit und die Wirksamkeit bei der Behandlung von Patienten bereits für das ursprüngliche Biopharmazeutikum sorgfältig geprüft wurden. ­Daher sind die Entwicklungskosten für Biosimilars wesentlich niedriger als bei Originalwirkstoffen, d.h. Biosimilars können Patienten zu wesentlich niedrigeren Kosten bereitgestellt werden, was eine Therapie für eine größere ­Anzahl von Patienten bezahlbar macht. Aufgrund der hohen strukturellen Komplexität von Biopharmazeutika benötigt die Entwicklung von Biosimilars aber ebenfalls erhebliche Zeit und Investitionen. Ziel ist es, eine ausreichende „Ähnlichkeit“ der Biosimilars mit den Originalwirkstoffen bezüglich Sicherheit und Wirksamkeit herzustellen.


Sammlung von Werkzeugen zur physikalisch-chemischen und biologischen Charakterisierung von Biosimilars
Bild: © Christian Huber

Können Sie uns ein Beispiel für ein Pharma­zeutikum nennen, das in Ihrem Labor untersucht wird?

Sandoz gab vor kurzem bekannt (http://www.biosimilarnews.com/sandoz-updates-biosimilar-development-pipeline), dass das Unternehmen große Fortschritte in der klinischen Phase der Biosimilar-Entwicklung u. a. von Versionen von Rituximab (Roche Rituxan/MabThera) macht. Der Rituximab-Antikörper ist ein genetisch veränderter chimärer muriner/humaner mono­klonaler anti-CD20 Antikörper gegen Antigene auf der Oberfläche von normalen und malignen B-Lymphozythen. Die Wirkungsweise besteht in der Bindung von CD20 an der Oberfläche von B-Lymphozythen, was die Zellen zum Absterben bringt. Rituximab wurde von der US-amerikanischen Food and Drug Administration 1997 und von der Europäischen Kommission 1998 für die Krebstheraphie bei malignen Lymphomen zugelas­sen. Zusammen mit unserem zweiten Kooperationspartner Thermo Fisher Scientific haben wir an der Entwicklung von schnellen und zuverlässigen Analysemethoden auf der Basis von Chromatographie und Massenspektrometrie gearbeitet, um die strukturelle Integrität und die Glykosylierungsmus­ter dieses rekombinierten Proteins nachzuweisen.


Verfahren für die Charakterisierung der Wirksamkeit und Sicherheit von Biosimilars: Zum Untersuchen der Ähnlichkeit zwischen Originalwirkstoff und Biosimilar-Protein kommen Analyseverfahren und bio­logische Tests zur Anwendung.
Bild: © Christian Huber

Mit welchen Verfahren werden die Bestandteile analysiert? Wie verläuft die Weiterentwicklung der Technologie?

Sehr komplexe Biomoleküle wie therapeutische Proteine weisen zahlreiche inhärente, intrinsische Eigenschaften auf, die für die Sicherheit und Wirksamkeit der medizinischen Wirkstoffe wesentlich sind. Die primäre Struktur sowie postranslationale Modifikationen wie Glyko­sy­lierung, Oxidation, Desamidierung werden üblicherweise durch Hoch­leistungs-Flüssig­chro­mato­graphie in Verbindung mit einer hoch­auflösenden Massenspektrometrie auf der Ebene der proteolytischen Abbauprodukte oder, was in unserem ­Labor bevorzugt erfolgt, auf der Ebene intakter Proteine. Andere Aspekte der Proteinstruktur wie die Proteinfaltung werden durch Kapillarzonen­elektrophorese, CD-Spektroskopie, Infrarot-Spektroskopie oder biologische Assays auf der Basis der Behandlung mit Enzymen oder der Bindung von RNA-basierten Liganden untersucht.

Ist die Wirkung auf den Körper identisch, wenn die Struktur des Biosimilars mit dem bestehenden Wirkstoff übereinstimmt? Bei welchen Merkmalsabweichungen vom bestehenden Wirkstoff bleibt die Wirkung erhalten?

Für die Entwicklung eines Biosimilars mit der gleichen Wirkung im menschlichen Körper wie das originale Biologikum muss ermittelt werden, welche strukturellen Bestandteile für die Funktionen des Moleküls relevant sind. Dies erfordert profundes Wissen aufgrund von umfangreichen Struktur-/Funktionsstudien. Glykoprotein-Bio­lo­gika sind auch keine Einzelstoffe, sondern ­Mischungen von eng verwandten Molekülen mit identischen Aminosäurensequenzen, aber einer bestimmten quantitativen Variabilität in den ­Zucker- bzw. Glykanstrukturen. Daher verlassen sich die Behörden für die Zulassung von Medikamenten wie EMA oder FDA auf das Ähnlichkeitskonzept, d.h. Originalwirkstoff und ­Bio­similar müssen in so vielen verschiedenen molekularen Eigenschaften wie möglich möglichst ähnlich sein, um eine entsprechende ­Sicherheit und Wirksamkeit sicherzustellen. Ähnlichkeit bedeutet in diesem Zusammenhang, dass kein statistisch relevanter Unterschied in den klinisch relevanten molekularen Eigenschaften zwischen Originalwirkstoff und Bio­similar vorhanden ist. Auch Verunreinigungen der Medikamente müssen auf ein Minimum ­beschränkt sowie sorgfältig charakterisiert und quantifiziert werden, was ebenfalls eine der Hauptaufgaben des Christian-Doppler-Labors darstellt.

Foto: © istockphoto.com| beemore

L&M 5 / 2015

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 5 / 2015.
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