Neue Haut - Tissue EngineeringPerspektiven der zellbasierten Wundtherapie
Dr. Sandra Danner und Philipp Ciba, Fraunhofer-Einrichtung für Marine Biotechnologie, Lübeck Die Haut ist mit einer Fläche von 1,5m2 – 2m2 das größte Organ des Menschen. Sie spielt eine wichtige Rolle bei der Regulation der Körpertemperatur und des Wasserhaushaltes, ist Teil des Immunsystems und schützt den Körper vor UV-Strahlen, mechanischen Einflüssen und Mikroorganismen. Und obwohl sie bei Verwundung zu erstaunlicher Regeneration fähig ist, gibt es bei schwer heilenden Wunden und größeren Verbrennungen Bedarf nach innovativen Therapien. Dabei gilt es als große Herausforderung, die Haut wieder so herzustellen, dass sie ihre Funktionen bestmöglich erfüllen kann und keine Abstoßungsreaktionen auftreten. Therapeutische Strategien der Wundheilung Das Ziel neuer Wundheilungsstrategien ist die möglichst vollständige Regeneration der Hautstruktur aus Epidermis und Dermis. Die Wundheilung ist ein komplexer biologischer Vorgang. Für sie ist sowohl die Interaktion zwischen verschiedenen Zellpopulationen wie Keratinozyten, Fibroblasten, Endothelzellen und Immunzellen wichtig als auch die Herausbildung einer neuen extrazellulären Matrix, die der Haut Festigkeit, Elastizität und Struktur verleiht. Während der letzten Jahre wurden bei der Untersuchung der zellulären und molekularen Prozesse bei der Heilung akuter und chronischer Wunden enorme Fortschritte erzielt. Diese Erkenntnisse führten zu Innovationen bei der Wundbehandlung, die eine raschere Heilung und bessere funktionelle und ästhetische Regeneration bewirkten. Hierbei hat der Einsatz von organotypischen Hautsystemen und Hautersatzmaterialien die Behandlungsmöglichkeiten deutlich verbessert. Dennoch sind diesen neuartigen Hautersatzmaterialien Grenzen gesetzt. Zur Behandlung großflächiger Wunden wie z.B. bei Brandverletzungen wird unverändert eine so genannte Spalthaut verwendet, also eine Teilhaut, die dem Patienten an möglichst unauffälligen Arealen entnommen wird. Diese Spalthaut wird durch spezielle Techniken noch in ihrer Oberfläche netzartig vergrößert werden. Die Einheilungsraten sind sehr hoch, als Nachteil wird jedoch die im Vergleich zur unverletzten Haut verminderte Belastungsfähigkeit sowie die ungenügende ästhetische Qualität gesehen [1]. Das Hauptproblem, das bis dato noch ungelöst erscheint, ist der Mangel an Hautspenderarealen bei überdimensionalen Verbrennungen des Körpermantels. Daher müssen innovative experimentelle Wege beschritten werden, um ausreichend Hautersatz generieren zu können. Einige Ansätze zur Sicherung ausreichender Mengen an transplantierbarem Material verfolgen die Herstellung zellulären Hautersatzes in vitro. Hierzu werden autologe Epidermisbiopsien entnommen und durch Kultur in Nährlösung die enthaltenen Keratinozyten zur Proliferation angeregt [2]. Nach etwa drei Wochen steht ein Transplantat (cultured epidermal autograft, CEA) aus drei bis sechs Zelllagen zur Verfügung, das auf das Wundareal aufgebracht wird und da es autolog entstanden ist, nicht zu Abstoßungsreaktionen führt. Dennoch ist das Wundheilungsergebnis dieser klassischen Verfahren oft unbefriedigend, da die Transplantate zwar eine epidermale Regeneration ermöglichen, aber keine zufriedenstellende dermale Regeneration gewährleisten. Somit ist die neu regenerierte Haut weniger mechanisch belastbar [3]. Neue Hautersatzstrategien basieren deshalb auf biotechnologisch hergestellten azellulären Fasermaterialien. Biomatrixgestützte Hautersatzstrategien Besonders viel versprechend sind hier gewebeähnliche Biomatrices, die hauptsächlich aus Kollagenfasern bestehen und zur Unterstützung der dermalen Regeneration verwendet werden können. Ziel bei der Behandlung mit diesen Matrices ist es, das Einwandern körpereigener Zellen und ihre Differenzierung in die gewünschten Zelltypen zu fördern, um neues Gewebe zu generieren. Die verwendeten Biopolymere stellen bei der Wundheilung eine mechanische Unterstützung für das Gewebewachstum dar und wirken biomimetisch als Induktor für bestimmte Zellsignalwege. Zu den dreidimensionalen Stützmatrices, die als Hauttransplantate verwendet werden können, zählt zum Beispiel Integra®, die aus einer von einer Silikonmembran bedeckten Kollagen-Glykosamin- Schicht besteht [4]. Etwa drei Wochen nach der Transplantation ist diese Matrix ausreichend mit Gefäßen versorgt, sodass die Silikonfolie, die zunächst als Epidermisersatz dient, abgezogen und durch ein epidermales Transplantat des Patienten ersetzt werden kann. Doch vor allem bei Patienten mit großflächigen Verbrennungen stellt die Herstellung einer für die matrixgestützte Therapie ausreichenden Menge an Spalthaut ein Problem dar: An einer anderen Stelle des Körpers müssen Hautstücke entnommen und dann als Epidermisersatz auf die Wunde verpflanzt werden. Einen innovativen Therapieansatz bieten hier adulte Stammzellen, die mit den in der Klinik etablierten Biomatrices kombiniert werden können. Pluri- bzw. multipotente adulte Stammzellen haben den Vorteil, dass sie nicht für eine bestimmte Zellfunktion programmiert sind, sich aber durch spezifische Behandlung in spezialisierte Zelltypen differenzieren können. Ziel ist es, durch das Einbringen der Stammzellen in die Wunde diese Zellen einem Differenzierungsreiz auszusetzen, sodass sie vor Ort die benötigten Zelltypen und -strukturen wie Keratinozyten, Melanozyten, Blutgefäße, Talgund Schweißdrüsen sowie Haarfollikel ausbilden und so die Haut funktionell (und ästhetisch) regenerieren. Eine innovative Zellquelle: adulte Stammzellen aus Drüsengewebe In der Fraunhofer-Einrichtung für Marine Biotechnologie werden vor allem adulte Stammzellen aus exokrinem Drüsengewebe untersucht, die aus der Bauchspeicheldrüse, der Unterzungenspeicheldrüse und aus Schweißdrüsen isoliert werden. Diese glandulären Zellen verfügen über hervorragende Wachstumseigenschaften, sind sehr langlebig und können artübergreifend aus fast allen Wirbeltieren gewonnen werden. Wie auch andere adulte Stammzellen weisen sie in der In-vitro-Kultur eine spontane Differenzierung in verschiedene Zelltypen auf, sodass sie als multipotent bezeichnet werden. Aus dem adulten Pankreas gewonnene Stammzellen weisen in vitro Anzeichen eines epithel- bzw. hautzelltypischen Differenzierungspotenzials auf. Ultrastrukturuntersuchungen belegen die Fähigkeit der Zellen zur Bildung geschichteter, keratinisierter Zellverbände, innerhalb derer die Zellen über Desmosomen verbunden sind [5]. Über diese Eigenschaften hinaus besitzen sie Gemeinsamkeiten mit adulten Stammzellen, die aus der Haut und aus Speicheldrüsen gewonnenen werden können. Alle drei Zellpopulationen zeigen in vitro ein ähnliches Differenzierungsverhalten, wobei spezifische Markerproteine der drei embryonalen Keimblätter ausgebildet werden. Des Weiteren sind Übereinstimmungen hinsichtlich der Expression verschiedener Oberflächenproteine vorhanden [6,7]. Das Stammzellpotenzial von adulten pankreatischen Stammzellen (PSC) lässt sich in vitro anhand der Expression verschiedener Stammzellmarker (z.B. Transkriptionsfaktor Nanog) erkennen. Die Zellen differenzieren spontan, also ohne sie einem Differenzierungsprotokoll zu unterziehen, in spezialisierte Zelltypen. Es lassen sich ektodermale Zellen (z.B. Neurofilament-positive Nervenzellen), mesodermale Zellen (z.B. á-glattes-Muskelaktinpositive Muskelzellen) und endodermale Zellen (z.B. Amylase-positive sekretorische Zellen) nachweisen (Abb. 1).
Dieses Differenzierungspotenzial konnte in verschiedenen Arbeiten nachgewiesen werden [5,6,7]. Interessanterweise konnten wir beobachten, dass sich pankreatische Stammzellen sehr gut vermehren lassen und in der Kulturschale einen dichten Zellrasen bilden, der sich nach einiger Zeit vom Untergrund löst und als dünnes Häutchen erhalten bleibt (Abb. 2). Die Fähigkeit, derart stabile Zell-Zell-Kontakte auszubilden, machte diese Zellpopulationen für den Einsatz in zellbasierten Wundheilungstherapien besonders viel versprechend.
Glanduläre Stammzellen verbessern die Wundheilung In Kooperation mit der Lübecker Klinik für Plastische Chirurgie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein und der Klinik für Plastische- und Handchirurgie am Klinikum rechts der Isar in München wurden glanduläre Stammzellen zur Erprobung innovativer Therapien zur Hautregeneration eingesetzt. Hier wurde die bereits klinisch etablierte Wundheilungstherapie mittels matrixbasierten Hautersatzes mit den adulten Stammzellen kombiniert. Stammzellen aus dem Pankreas (Ratte und Maus) und der Speicheldrüse (Maus) wurden dafür in dreidimensionale Kollagenmatrices (Integra® und Matriderm®) eingesät und als Wundabdeckung im Mausmodell eingesetzt. Als Kontrollen dienten unbesiedelte Kollagenmatrices. Anschließend wurden die regenerierte Hautstruktur analysiert und das Ausmaß der Gefäßbildung in der heilenden Wunde untersucht. Der Regenerationserfolg in den mit Zellen behandelten Tieren im Vergleich zu den nur mit der Kollagenmatrix behandelten Tieren war erstaunlich. Der Wundverschluss verlief doppelt so schnell, wenn die Kollagenmatrix vorher mit glandulären Stammzellen besiedelt wurde (Abb. 4).
Zusätzlich bewirkten die applizierten Stammzellen eine verbesserte Gefäßbildung, was zu einer besseren Versorgung der Wunde führt. Die Analyse der Hautstruktur in den regenerierten Hautarealen zeigte, dass sich typische geschichtete Epithelien ausbildeten, die in ihrer Zellzusammensetzung und -schichtung gesunder Haut ähnelten. Im Vergleich dazu zeigte sich in den ohne Zellen behandelten Hautarealen nur ein unstrukturiertes Gewebe [8]. In weiteren Experimenten wurde dann untersucht, ob diese Zellen nach der Regeneration wirklich in den Wundbereich integrieren und wie sie zur Verbesserung der Wundheilung beitragen. Durch die Verwendung von markierten glandulären Stammzellen aus transgenen Mäusen, die unter UV-Licht grün fluoreszieren, konnten die Zellen im Wundgewebe identifiziert werden. So konnte belegt werden, dass sich die Zellen nach abgeschlossener Hautregenration tatsächlich im Wundareal befinden und dort in das Gewebe integrieren (Abb. 5) [9]. Die bisherigen Forschungsergebnisse werfen allerdings die Frage auf, ob die Stammzellen in der Wunde tatsächlich in Zellen der Haut z.B. zu Keratinozyten oder Blutgefäßzellen differenzieren oder ob der verbesserten Wundheilung ein systemischer Wirkmechanismus zu Grunde liegt, der auf der Abgabe von Cytokinen beruht. Es wurde für glanduläre Stammzellen nachgewiesen, dass sie in der In-vitro-Kultur verschiedene Wachstums faktoren sezernieren, die auf Zellen proliferationsfördernde oder migrationsfördernde Wirkungen haben. Es wäre also auch denkbar, dass die ins Wundareal eingebrachten glandulären Stammzellen durch die abgegebenen Wachstumsfaktoren das Selbstheilungssystem und Immunsystem des Organismus aktivieren, sodass der Regenerationsprozess effektiver abläuft. Unabhängig von der Art des Regenerationsmechanismus sind aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse verschiedene Strategien für den zellulären Hautersatz mit adulten Stammzellen denkbar.
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