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Neueste Entwicklungen auf dem Gebiet der In-silico-Erforschung von Signalwegen
Neueste Entwicklungen auf dem Gebiet der In-silico-Erforschung von SignalwegenStarke SignaleHerkömmliche Computersimulationsmethoden können aufgrund ihres hohen Rechenaufwandes bisher nur zur Untersuchung des Frühstadiums von Signalwegen biologisch lebenswichtiger Signalproteine eingesetzt werden. Ihr Einsatzspektrum reicht daher typischerweise zur Erfassung von schnellen Prozessen im Bereich von Femtosekunden bis hin zu mehreren Mikrosekunden für Systeme in der Größenordnung von bis zu 100.000 Atomen. Die Entwicklung neuer ratenbasierter Kinetik-Monte-Carlo(KMC)-Methoden eröffnet neuerdings die Möglichkeit zur Studie der Mehrskalen-Relaxationsdynamik großskaliger enzymatisch-aktiver Signal-Protein-Systeme auf biologisch relevanten Zeitskalen im Bereich von Submillisekunden bis hin zu Sekunden mit relativ moderatem Rechenaufwand. Signalproteine steuern zentrale biologische Prozesse in Zellen
Signalproteinkomplexe fungieren als Regulatoren der Signalwege von Zellen in lebenden Organismen, die auf eine Vielzahl von Umweltreizen wie z. B. Licht, Temperaturveränderung und/oder mechanische Belastung reagieren. Eine Klasse von Signalproteinen, die in Säugetieren von zentraler Bedeutung sind, sind die Rac-Proteine [1]. Untersuchung des Frühstadiums der Signalwege von Signalproteinen mit herkömmlichen Computersimulationsmethoden
Um die Strukturdynamik von solchen Proteinkomplexen auf atomarer Längenskala zu beschreiben, wurden mehrere Rechenmethoden, beginnend in den späten 70er-Jahren, entwickelt. Ein prominentes Beispiel unter ihnen ist die MD-Technik, die die Zeitentwicklung von Vielteilchensystemen durch den Phasenraum über die numerische Integration der Newton'schen Bewegungsgleichungen beschreibt. Da sich jedoch ihr Anwendungsspektrum für kleine Proteinsysteme typischerweise nur von Nanosekunden bis hin zu Submikrosekunden erstreckt, ist ihr Nutzen zur Studie von Signalprozessen auf den üblichen experimentellen Zeitskalen eher begrenzt. Um längere Zeitskalen mit der MD-Technik zu erreichen, wurden in den letzten Jahrzehnten mehrere Methoden vorgeschlagen. Eine von ihnen ist die Coarse-Graining(CG)-Methode, in der die Anzahl von Wechselwirkungen durch Reduktion der Systemfreiheitsgrade verringert wird. Dies ermöglicht es wiederum, den Rechenaufwand durch Einsatz größerer Zeitschritte zu erniedrigen. Eine erfolgreiche CG-Methode für Proteinsysteme ist die United-Atom-Methode, die z. B. im GROMOS96-Kraftfeld [5] implementiert ist.
Erfassung der Mehrskalen-Signal-Transduktionsdynamik von Proteinen auf biologisch relevanten Zeitskalen durch neue, gekoppelte KMC-MD-Methoden
Während herkömmliche, MD-basierte Simulationstechniken ohne Weiteres zur Untersuchung des Frühstadiums der Signalwege komplexer Proteinsysteme bei atomarer Auflösung eingesetzt werden können, ist ihr Nutzen zur Aufklärung der Mehrskalen-Transduktionsdynamik der meisten Signalprozesse auf biologisch relevanten Zeitskalen aufgrund ihres hohen Rechenaufwands, eher begrenzt. Dies liegt darin begründet, dass sich ihre Signalwege von der Relaxation der Aminosäuren im Bereich von Femtosekunden- bzw. Pikosekunden bis hin zur Relaxation der Sekundär- bzw. Tertiärstrukturelemente im Sekundenbereich erstrecken. Zur Erfassung solcher Prozesse haben wir kürzlich eine neue
Mehrskalen-Modellierungsmethode entwickelt, bei der die KMC-Methode mit einem MD-Algorithmus verknüpft wurde. Die grundlegende Idee dieser sog. KMC-MD-Methode beruht darauf, dass der Signalweg großer Proteinkomplexe durch seltene Ereignisse dominiert wird, d.h., die Relaxationsdynamik wird durch gelegentliche Übergänge von einem Zustand in einen anderen Zustand mit langen Phasen relativer Inaktivität zwischen den Übergängen bestimmt. Die letzteren Phasen entstehen deswegen, weil die Simulationstrajektorie die Energiebarrieren überwinden muss, um von einem Zustand in den anderen zu gelangen (siehe Abb. 4). Sie gewährleisten, dass die Überschussenergie des Systems an die Umgebung abgegeben werden kann, was die Relaxation des Systems ermöglicht, und dass die Konfigurationen statistisch unabhängig voneinander sind. Diese Phasen können mithilfe eines MD-Algorithmus simuliert werden. Die Raten aller möglichen Übergänge aus jedem Zustand werden mithilfe eines biomolekularen Kraftfeldes am Ende jeder MD-Relaxationsphase berechnet und die wahrscheinlichsten Übergänge mithilfe eines KMC-Algorithmus ausgewählt. Hierbei wird die Annahme getroffen, dass der Signalweg durch charakteristische geschwindigkeitsbestimmende Prozesse wie z.B. Bruch und Bildung von H-Brücken bestimmt wird. Hieraus ergeben sich verschiedene Simulationsphasen, in denen die Dynamiken verschiedener Relaxationseinheiten wie z. B. der Residuen oder Sekundärstrukturelemente zur Mehrskalen-Transduktionsdynamik beitragen. Da diese Übergänge nur selten stattfinden, kann mithilfe des KMC-Algorithmus eine sehr große Beschleunigung der Simulation und Verringerung des Rechenaufwandes im Vergleich zur konventionellen MD-Methode erzielt werden. Um ihre Zuverlässigkeit und Effizienz zu testen, haben wir die KMC-MD-Methode zur Untersuchung der Signalwege komplexer LOV-Protein-Systeme des Wildtyps und deren Mutanten wie z.B. den AsLOV2-J?-Fotoschalter, PA-Rac1-GTPase und Fototropin eingesetzt. Dabei konnten wir sowohl experimentelle Beobachtungen bestätigen als auch zentrale neue Erkenntnisse über diese Proteinsysteme gewinnen. Wir haben herausgefunden, dass nach Fotoanregung mit blauem Licht diese Systeme typischerweise einen komplexen Signalweg unter Ausführung einer Spannungsrelaxationsdynamik über mehrere Längen- und Zeitskalen durchlaufen. Dies impliziert zunächst lokale strukturelle Veränderungen auf der Ebene der Residuen in der Nähe des lichtempfindlichen Reaktionszentrums im Zeitbereich von Nanosekunden, die wiederum extensive Umlagerungen der peripheren Proteinstrukturelemente auf Zeitskalen von mehreren Mikrosekunden bis hin zu Sekunden hervorrufen. Insbesondere haben wir mit unserer neuen Methode beobachtet, dass das Frühstadium des Signalweges durch Kopplung der Ib- und Hb-Stränge über H-Brückenbildung zwischen einem Glutamin und Asparagin in der Nähe des FMN's (Gln513 und Asn492) charakterisiert wird. Rechenaufwand der gekoppelten KMC-MD-Methode im Vergleich zur herkömmlichen MD-Methode
Abschließend geben wir noch eine Abschätzung des Rechenaufwandes, der mithilfe der KMC-MD-Methode im Vergleich zur herkömmlichen MD-Methode erforderlich ist, um ähnliche Zeitskalen zu erreichen. Hierzu betrachten wir den Lichtzustand des PA-Rac1-Systems, für welchen eine Simulationsgesamtdauer von 300 ?s unter Verwendung der KMC-MD-Methode erzielt wurde. In dieser Berechnung wurde eine Gesamtzahl von 40 KMC-Schritten durchgeführt, die eine totale Anzahl an 200000 MD-Relaxationsschritten benötigten. Für eine Ribbon Darstellung des Proteinkomplexes folgen Sie einfach diesem Link! Literatur
[1] A. Y. Chan, S. J. Coniglio, Y.-Y. Chuang, D. Michaelson, U. G. Knaus, M. R. Philips und M. Symons (2005) Oncogene 24, 7821 –7829.
Abb1: © Jens Gimmler, MOLCAD GmbH |
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